MIT Technology Review 1/2021
S. 54
Horizonte
Mobilität
Das Klausmarbacher Viadukt nördlich von Fulda ist eine von vielen aufgegebenen Bahnstrecken. Heute verläuft hier ein Radweg. Foto: Wikipedia/Marrrci

Die Nebenstrecke kehrt zurück

Seit Jahrzehnten legt die Deutsche Bahn Nebenstrecken still. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen will sie mit ­Fördergeldern des Bundes reaktivieren. Aber ist das sinnvoll?

Von Karl-Gerhard Haas

Im Sommer 2020 forderte der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) Länder und Gemeinden dazu auf, noch vorhandene, aber nicht mehr betriebene Bahngleise wieder mit Leben zu füllen. Das Medienecho war gewaltig – aber was ist an der Forderung dran? Man sollte meinen, Strecken ­würden stillgelegt, wenn sie nicht wirtschaftlich sind. Doch die Dinge sind komplizierter – und ohne einen Blick auf die Geschichte kaum zu erklären.

In fast allen Ländern dieser Welt entstanden die ersten Bahnverbindungen zufällig. Tunnel und Einschnitte ins Gelände grub man mit Spitzhacke und Schaufel, weshalb viele Strecken nicht auf direktem Weg von A nach B führen, sondern in Schleifen zeitraubend Hindernisse umfahren. Zudem waren viele Strecken nicht für den Personenverkehr geplant – bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs baute man viele Bahnen ausschließlich, um Industriebetriebe zu beliefern, Steine aus Steinbrüchen oder ­Bäume aus dem Wald zu transportieren.