MIT Technology Review 5/2021
S. 46
Fokus II
Fortschritt und Ungleichheit
Marian Gaebler ist Softwareentwickleraus Hamburg, Johanna Heide arbeitet für die Nachrichtenagentur AP in Berlin. Beide setzen ihre Arbeit von Homberg aus ohne Einschränkungen fort und genießen die Nähe zur Natur.
Foto: Jonathan Linker

Digitale Landlust

Die ländlichen Regionen in Deutschland sind zwar gegenüber Ländern wie den USA oder auch Frankreich strukturell besser aufgestellt, aber auch hierzulande hinterlässt die Abwanderung in Richtung der Großstädte ihre Spuren: verlassene Einkaufsstraßen und Industrieruinen prägen die ländlichen Gebiete. Einige Akteure geben sich damit aber nicht zufrieden und werben für den Standort auf dem Land.

Von Katharina Heckendorf

Vorbei an blühenden Rapsfeldern, vorbei an einem Kreisel, von dem eine Abzweigung direkt auf den angrenzenden Acker läuft – das ist der Weg ins nordhessische Fachwerkstädtchen Homberg an der Efze. Diese Geschichte könnte nun erzählen, dass auf dem Weg ins Zentrum jedes dritte Ladengeschäft leer steht, dass am Marktplatz-Brunnen schon am späten Vormittag Menschen zusammen Bier trinken, obwohl es ständig kurz regnet.

Diese Geschichte erzählt aber davon, dass Homberg in dieser Woche im Mai so viele neue Bewohner gewonnen hat, wie schon lange nicht mehr. Der Grund dafür ist der sogenannte Summer of Pioneers, eine Initiative, die 20 Digitalarbeiter aus Metropolen – etwa aus Berlin oder Frankfurt – für sechs Monate zum Probewohnen in die Kleinstadt eingeladen hat. Die Initiative soll den Menschen, die bisher in der Großstadt zu Hause waren, das Landleben derart schmackhaft machen, dass einige von ihnen bleiben. Sie sollen die Region mit ihren Einkommen, ihrem digitalen Know-how und ihren Ideen bereichern. In vier Kleinstädte mit einer ähnlich schwachen Struktur wie Homberg haben die Initiatoren Jonathan Linker und Frederik Fischer bereits Digitalarbeiter gelockt.