Aktuell

ENERGIE

Aufzug als Stromspeicher

Zuverlässig, langlebig und günstig soll ein neuer „Gravitationsspeicher“ des schottischen Start-ups Gravitricity sein, der vor wenigen Wochen im Hafengebiet von Edinburgh in Betrieb ging. Er besteht aus zwei je 25 Tonnen schweren Eisengewichten. Bei Stromüberschuss ziehen elektrische Winden sie ein 15 Meter hohes Stahlgerüst hoch. Werden die Gewichte wieder herabgelassen, erzeugen sie über einen Generator bis zu 11 Sekunden lang 250 Kilowatt Leistung. Bei Bedarf kann die Entladung auch auf mehrere Minuten gestreckt werden. Schon diese Zeitspannen reichen prinzipiell aus, um kurze Erzeugungsschwankungen etwa von Windparks auszugleichen und so ein Stromnetz zu stabilisieren.

Mit einer Lebensdauer von 25 bis 50 Jahren verspricht das Team um Gravitricity-Gründer Peter Fraenkel eine deutlich längere Haltbarkeit als etwa Lithium-Ionen-Batterien. Die Speicherkosten schätzt das Unternehmen auf 171 Dollar pro Megawattstunde. Das ist deutlich weniger als bei Lithium-Ionen-Akkus (367 Dollar) oder Redox-Flow-Speicher (274 Dollar). Bis 2023 hält das Start-up einen zehnfach größeren Speicher mit 500-Tonnen-Gewichten und einer Leistung von bis zu vier Megawatt für möglich. Dafür hat es die tiefen unterirdischen Aufzugschächte von ausgedienten Kohleminen in Südafrika, Polen und der Tschechischen Republik im Blick.

JAN OLIVER LÖFKEN

BIOTECH

Tabakpflanzen gegen Corona

Aktuell sind in Europa nur mRNA- und Vektorvirus-Impfstoffe gegen Corona auf dem Markt. Proteinbasierte Vakzine sollen in den kommenden Monaten hinzukommen, wenn sich ihre Wirksamkeit erweist. Die bisherigen Herstellungsverfahren sind aber komplex. Die Pharmafirmen Medicago und GlaxoSmithKline wollen einen solchen nun mit Pflanzen produzieren – konkret mit Nicotiana benthamiana, einem tabakartigen Gewächs, das in Australien heimisch ist. Mit dem Bakterium Agrobacterium tumefaciens übertrugen sie Gene aus dem Spike-Protein des Corona-Virus in die Pflanze, die das Protein dann in ihren Zellen bildet. Der Impfstoff namens CoVLP lässt sich nach der Wachstumsphase der Pflanze ganz einfach aus den Blättern extrahieren.

Nicotiana benthamiana kann mehr erzeugen als nur Nikotin.

Foto: Wikipedia / GeFy

Eine in Kanada gelaufene Untersuchung mit 180 Probanden im Alter zwischen 18 und 55 Jahren zeigte eine gute Bildung neutralisierender Antikörper, bei milden bis moderaten Nebenwirkungen, wie man sie etwa von AstraZeneca kennt. Geimpft wurde zwei Mal im Abstand von 21 Tagen. Der Vorteil der Technik ist, dass sie potenziell große Mengen an Impfstoff liefern könnte. Laut Studie (DOI: 10.1038/s41591-021-01370-1) sind die Ergebnisse so gut, dass sich eine Kommerzialisierung anbieten würde, sollten alle Sicherheitskriterien eingehalten werden.

BEN SCHWAN

KÜNSTLICHE INTELLIGENZ

Attraktive Gesichter für jeden Geschmack

Die wenigsten Menschen können sagen, was ein Gesicht für sie attraktiv macht. Ein Algorithmus finnischer und dänischer Forscher schon. Das Team aus Psychologen und Informatikern trainierte ein sogenanntes „Generative Adversarial Network“ (GAN) mit 200.000 Bildern von Prominenten, um daraus neue Gesichter zu erzeugen. Bei einem GAN treten zwei neuronale Netzwerke gegeneinander an: Das eine erzeugt virtuelle Bilder, das andere versucht zu erkennen, ob diese real oder gefälscht sind. So spornen sie sich gegenseitig zu immer realistischeren Fakes an.

Alles attraktive Menschen – leider nicht echt.

Screenshot: Generated Media, Inc.

Hunderte auf diese Weise gefakte Portraits zeigten die Forscher 30 Versuchspersonen, die mit EEG-Kappen verkabelt waren. Fanden sie ein Gesicht sehr attraktiv, spiegelte sich das rund 300 Millisekunden später in den Gehirnwellen wider. Jedes Individuum springt im Wesentlichen immer auf dieselben Reize an.

Diese Information wurde dann genutzt, um in einem 512-dimensionalen „Face Space“ den Punkt mit höchster Attraktivität für einen Teilnehmer zu ermitteln. In einer Doppelblindstudie mischten die Forscher die individuell optimierten Bilder dann mit konventionell erzeugten und zeigten sie den Probanden (DOI: 10.1109/TAFFC.2021.3059043). Das Ergebnis: 87 Prozent der Gesichter wurden als „attraktiv“ eingeschätzt, der Rest war „zu perfekt“ oder in der Kombination der Merkmale etwas seltsam („a bit… off“).

GREGOR HONSEL