Aktuell

OPTOGENETIK

Würmer werden Bio-Roboter

Kanadische Wissenschaftler haben ein Computersystem gebaut, das die Bewegungen eines gentechnisch veränderten Fadenwurms (Caenorhabditis elegans) mit Laserpulsen steuert. Der – lebendige – Wurm wird dabei zu einer Art Zombie-Bioroboter. Mit der in Science Robotics vorgestellten Arbeit (DOI: 10.1126/scirobotics.abe3950) zielen Xianke Dong und Kollegen nach eigenen Angaben auf „keine bestimmte Anwendung“. Die Arbeit ermögliche ein verbessertes Verständnis der Bewegungssteuerung von Lebewesen, das für die Entwicklung von Mikrorobotern genutzt werden kann.

Caenorhabditis elegans wird vor allem in der Entwicklungsbiologie und der Genetik verwendet, weil er ein einfach strukturiertes, gut dokumentiertes Nervensystem besitzt. Der Wurm, der etwa einen Millimeter lang und rund 65 Mikrometer dick wird, lebt normalerweise im Boden und ernährt sich von Bakterien. Um den RoboWorm zu erzeugen, verwendeten Dong und Kollegen einen gentechnisch veränderten Stamm von C. elegans, bei dem die Muskelzellen über Ionenkanäle verfügen, die auf Licht reagieren. Wenn die Muskeln mit einem blauen Laser beleuchtet werden, öffnen sich die Kanäle, Kalzium-Ionen strömen in die Zellen und die Muskeln ziehen sich zusammen. Gleichzeitig lähmten die Forscher die neuromuskulären Signale des Wurms mit einem Antiparasitikum. Weil die Bewegung der Tiere unregelmäßig ist, bauten die Forscher in ihr System eine Rückkopplung ein: Eine Software mit Bildverarbeitung verfolgt die Bewegungen der Tiere und steuert die Laserposition. Auf diese Weise steuerten die Forscher Würmer sogar durch ein einfaches Labyrinth.

WOLFGANG STIELER

KLIMA

CO2-Speicher-Projekt verfehlt Ziel

Die Abscheidung und Speicherung von CO₂ soll fossile Energie klimafreundlicher machen.

Die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid im Untergrund – Carbon Capture and Storage, kurz CCS – gilt als Schlüsseltechnologie, um Kohle, Erdgas oder Erdöl weniger klimaschädlich nutzen zu können. Eines der größten CCS-Projekte der Welt – das Gorgon-Projekt in Westaustralien – hat selbstgesetzte Ziele allerdings drastisch verfehlt:

Bei der Verflüssigung von mit CO₂ verunreinigtem Erdgas (LNG, Liquid Natural Gas) sollten eigentlich 80 Prozent CO₂ abgetrennt und im Untergrund dauerhaft gespeichert werden. Energieexperte Ian Porter von der NGO Sustainable Energy Now schätzt laut der britischen Zeitung Guardian, dass die Speicherung von nur 30 Prozent CO₂ gelang.

Konkrete Ursachen für dieses Versagen gibt Chevron bisher nicht an. Noch im Laufe dieses Jahres will das Unternehmen aber einen vollständigen Bericht zum Betreiben der Anlage abliefern.

JAN OLIVER LÖFKEN

TRAUMFORSCHUNG

Streit um Werbung in Träumen

Eine US-Brauerei hat mit Videos experimentiert, die Probanden von Bier träumen ließen. Einige Traumforscher hielten das jedoch für einen gefährlichen Präzedenzfall und warnten in einem offenen Brief vor dem Missbrauch der sogenannten Traum-Inkubation.

Dabei nutzen Traumforscher unter anderem Sensoren, um Schlaf-Phasen zu erkennen, in denen die Schlafenden für äußeren Input empfänglich sind, ohne diesen bewusst wahrzunehmen. In einzelnen Experimenten konnten sie so tatsächlich in Träume eingreifen – wenn auch noch nicht besonders gezielt und wirksam.

„Das Problem sind nicht die 18 Menschen, die in dem Experiment unter Beobachtung standen“, schreibt Adam Haar, einer der Unterzeichner des Briefes. „Es geht um die Millionen von Menschen, denen Freibier angeboten wurde im Austausch dafür, dass sie sich Videos ansahen und Audios vorspielten, während sie schliefen – ohne jede Vorstellung davon, wie das ihren Alkoholkonsum beeinflussen wird.“

Traumforscherin Deidre Barrett, die die Brauerei bei der Konzeption des Versuches beraten hat, beruhigt hingegen. Es gäbe bislang keine Hinweise darauf, dass traum- oder schlafbezogene Werbung besonders wirksam wäre. Die Kampagne hätte jedoch eine Gelegenheit geboten, die Öffentlichkeit über Traumforschung zu informieren.

WOLFGANG STIELER

MEDIZIN

Auf der Spur von Long Covid

Covid-19 greift rote Blutkörperchen an.

Eine Forschungsgruppe aus Erlangen hat erste Hinweise auf die Ursachen der extremen Erschöpfungszustände bei Long Covid gefunden und im Biophysical Journal veröffentlicht (https://doi.org/10.1016/j.bpj.2021.05.025): Das Virus verändert die Blutzellen über einen langen Zeitraum.

Die Forschenden am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts haben vor einigen Jahren eine Methode entwickelt, bei der sie die Blutzellen durch einen so engen Kanal fließen lassen, dass die roten und weißen Blutkörperchen sich strecken müssen, um hindurchzugelangen. Während sie sich durch den Kanal quetschen, fotografiert eine Hochgeschwindigkeitskamera bis zu 1000 Blutkörperchen pro Sekunde. Die Software hinter der „Real-time deformability cytometry“ wertet aus, um was für eine Zelle es sich handelt, wie groß sie ist und wie stark sie sich bei ihrem Weg durch den Kanal verformt.

Mithilfe dieser Methode untersuchten sie nun Blutproben von 17 akut an Covid-19 Erkrankten, von 14 Genesenen und 24 Gesunden. Besonders auffällig war, dass die roten Blutkörperchen von akut Erkrankten kleiner und nicht mehr so flexibel waren, wie rote Blutkörperchen das normalerweise sind. Sie können sich nicht mehr strecken und passen damit nicht mehr durch die feinen Kapillaren der Lunge. Die Folgen: Es kommt zu Gefäßverschlüssen, der Sauerstofftransport ist behindert, die Leistungsfähigkeit des Körpers nimmt ab – Erschöpfung stellt sich ein.

Damit haben die Erlanger nicht nur eine neue diagnostische Methode in den Ring geworfen, um den Gesundheitsstatus von Covid-19-Betroffenen zu beurteilen. Sie haben zudem einen neuen Therapieansatz geliefert: Wirkstoffe, die Größe und Flexibilität der Blutzellen regulieren, könnten von Long Covid Betroffenen eine neue Perspektive eröffnen.

JO SCHILLING

MEDIZIN

Rückschlag für Nasen-Impfstoff

Die Entwicklung eines vielversprechenden Impfstoffes gegen Covid-19, der als Nasenspray verabreicht wird, wird eingestellt. Das von der University of Alabama und dem Start-up Altimmune entwickelte AdCovid scheiterte in der vorklinischen Phase.

Hoffnungen hatte AdCovid nicht nur deshalb geweckt, weil die „Impfung“ einfacher ist als mit einer Spritze. AdCovid, das auf einen Adenovirus-Vektor setzt, hat einen zweiten Vorteil: Es sollte eine

lokale Immunität (über sogenanntes mukosales Immunglobulin A, IgA) in der Nasenschleimhaut erzeugen und so Reinfektionen und eine Virusweitergabe verhindern.

Zwar wurden die Vakzine bei 80 gesunden Erwachsenen gut angenommen. Allerdings bildeten sich bei den Probanden nicht genügend Antikörper.

Aktuell laufen weltweit aber noch mindestens sieben weitere Versuche, Nasen-Impfstoff zu entwickeln. Eines der Projekte, MV-014-212 von Meissa Vaccines, soll im Tierversuch an Affen gute Effekte gezeigt haben.

BEN SCHWAN

UMWELT

Kuhmägen bauen Plastik ab

Recyceltes Plastik kann oft nicht erneut für sensible Anwendungsbereiche wie die Lebensmittelverpackung verwendet werden. Will man den Müll nicht verbrennen, bleibt dann nur die Deponie – und von da aus wandert das Material oft in Form von Mikroplastik in die Umwelt.

Forscher suchen daher nach einer Möglichkeit, mit Mikroorganismen Kunststoff möglichst rückstandslos abzubauen. Im Magen von Kühen – genauer: im größten der drei Vormägen, dem Pansen – wurden nun Lebewesen entdeckt, die in der Lage sein sollen, bestimmte Kunststoffe zu verdauen. Dies berichtet ein Team der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU).

Schon zuvor war bekannt, dass Kutin, eine polyesterartige Substanz in Pflanzenzellen, von natürlich vorkommenden Mikroorganismen abgebaut wird. Da Kühe Hochleistungsverdauer sind, vermutete das BOKU-Team, dass auch in der Magenflüssigkeit des Pansens solchen Mikroben leben.

Die Forscher brachten daher verschiedene Kunststoffarten wie PET, PEF oder PBAT mit Pansenflüssigkeit in Kontakt. Es zeigte sich, dass alle drei getesteten Polymere in ihre Einzelbestandteile zerlegt werden konnten.

BEN SCHWAN