MIT Technology Review 6/2021
S. 104
Fundamente
Jubiläum

Erfolg des Außenseiters

1981 stellte IBM den ersten PC vor. Das Gerät wurde zum Verkaufsschlager, weil das Unternehmen seine eigenen Regeln missachtete.

Technisch war so mancher Konkurrent schon weiter, aber mit dem Modell 5150 konnte IBM 1981 den Standard für PCs setzen und so lange den Markt beherrschen.
Foto: Rama & Musée Bolo / Wikipedia

Am 12. August 1981 stellte IBM im New Yorker Waldorf Astoria Hotel seinen ersten Personal Computer vor. Ausgerechnet IBM. „Big Blue“ – das Unternehmen, das mit Großrechnern wie dem System/360 ein Vermögen gemacht hatte, dessen Vertreter stets in tadellosem Anzug mit weißem Hemd und Krawatte auftraten und von dem Analysten witzelten, eher könne man „einem Elefanten Stepptanz beibringen“, als diesen Konzern dazu zu bringen, einen Kleincomputer für den persönlichen Gebrauch zu entwickeln.

Doch der sich damals rasch entwickelnde Markt für Kleincomputer war für den IT-Konzern zu wichtig, um ihn komplett zu ignorieren: Apple, das 1977 seinen Apple II auf den Markt gebracht hatte, setzte Ende der 1970er bereits mehrere 10.000 Rechner ab – dazu kamen weitere Konkurrenzprodukte von Commodore und Tandy.

Um auf diesem dynamisch wachsenden Markt mitzumischen musste IBM jedoch für seine Verhältnisse extrem schnell werden. IBM-Chef Frank T. Cary entschloss sich daher, die hauseigene Produktentwicklung zu umgehen und eine kleine, unabhängige Entwicklungsabteilung zu schaffen, deren Projektleiter Bill Lowe ihm direkt berichten sollte.

Und Lowe lieferte tatsächlich in Rekordzeit: Nur etwa ein Jahr später präsentierte IBM mit dem 5150 seinen ersten Desktop-Computer. Technisch war das Gerät solide: Anders als die Konkurrenz von Apple verbaute IBM bereits einen topmodernen 16-Bit-Prozessor von Intel. Das Einsteigermodell war schon für rund 1500 Dollar zu haben, allerdings ohne Grafikkarte, Monitor und Diskettenlaufwerk. In der professionellen Büro-Ausstattung kam man dann eher auf 4000 Dollar.

Den riesigen kommerziellen Erfolg verdankte IBM allerdings im Wesentlichen zwei Umständen: Erstens vermittelte der Markteintritt von IBM den Kunden, dass die kleinen Rechner nun endlich reif waren für den professionellen Einsatz – und nicht mehr nur das Hobby von ein paar verrückten Tüftlern. Und zweitens konnte Projektleiter Lowe sich mit einem radikal neuen Konzept durchsetzen: Den PC aus bereits am Markt verfügbaren Komponenten zu bauen und – vor allem – die Systemarchitektur modular und offen zu gestalten. Dieses offene Ökosystem, hoffte IBM, sollte zur Popularität des Systems beitragen und auch die eigenen Verkäufe beflügeln.

Das funktionierte tatsächlich erstaunlich gut – bereits 1983 hatte IBM den damaligen Hauptkonkurrenten Apple locker überflügelt und mit PCs über eine Milliarde Umsatz gemacht. Die Erfolgsgeschichte hatte allerdings auch eine Schattenseite: Der wachsende Markt lockte zahlreiche Nachahmer an, die billiger produzierten. Während IBM 1982 noch einen Marktanteil von 80 Prozent aufwies, waren es Ende der 1980er nur noch rund 20 Prozent. Die einstigen Zulieferer, Microsoft – hatte das Betriebssystem für den PC geliefert – und Intel wurden dagegen immer größer, weil sie auch an IBMs Konkurrenten verkaufen konnten. 2004 verkaufte IBM seine PC-Sparte schließlich für 1,75 Milliarden Dollar an den chinesischen Hersteller Lenovo.

Seit Steve Jobs 2010 das erste iPad vorstellte, wird immer wieder das Ende des Desktop-Computers ausgerufen. Die Gerüchte über den Tod der Technologie erwiesen sich bislang jedoch als stark übertrieben: Für das erste Quartal 2021 melden Marktforscher noch immer rund 84 Millionen verkaufte PCs weltweit – rund 75 Prozent davon sind Laptops. Wolfgang Stieler