MIT Technology Review 6/2021
S. 54
Fokus II
Smart Cities
Im Schichtdienst beobachten Analysten das Geschehen in Ogden im „Real Time Crime Center“.
Foto: Niki Chan Wylie

Dein Freund und Späher

Polizeidienststellen versuchen in Städten mit immer ausgefeilterer Technologie gerade so viel zu erfahren, wie das Gesetz erlaubt. Aber dient zunehmende Überwachung auch dem öffentlichen Interesse?

Von Rowan Moore Gerety, Übersetzung: Dr. Jo Schilling

Auf einer Konferenz in New Orleans im Jahr 2007 hörte Jon Greiner, damals Polizeichef der amerikanischen Kleinstadt Ogden in Utah, von einem neuen Daten-Hub namens „Real Time Crime Center“: Unzählige rote und grüne Flecken, gepunktete Linien und winzige gelbe Symbole überlagerten sich auf einer interaktiven Karte von New York City. Sie standen für Morde, Schießereien, Straßensperrungen. Man konnte die Routen von Flugzeugen sehen, die in LaGuardia landeten, und die Fahrpläne von Containerschiffen, die an der Mündung des Hudson River ankamen.

Greiner wurde auf den Daten-Hub aufmerksam, weil er in Ogden, einer Stadt mit 82 702 Einwohnern, ein hartnäckiges Problem mit Fahrzeugdiebstählen hatte. Der einzige Kriminalitätsanalytiker der Abteilung suchte manuell nach Mustern, indem er Adressen auf Papierkarten aufzeichnete oder die durchschnittliche Zeit zwischen ähnlichen Verbrechen in einem bestimmten Gebiet mit dem Taschenrechner ausrechnete. Die Stadt hatte zwar gerade erst Nummernschild-Lesegeräte gekauft, aber es gab keine Möglichkeit, die Bilder in die übrigen Ermittlungen der Abteilung zu integrieren.