MIT Technology Review 7/2021
S. 70
Energie
Atomkraft-Geschichte

Der ewige Traum

Nicht nur in den USA wird Atomkraft als eine Energiequelle angesehen, die angesichts des Klimawandels zur Dekarbonisierung beitragen kann. Kleine, modulare Reaktoren sollen der kränkelnden Atomwirtschaft neues Leben einhauchen. Angesichts des wiederentdeckten Interesses geben wir einen visuellen Einblick in die deutsche Atomkraft-Geschichte.

Von Luca Caracciolo

Als im Juni 1954 im russischen Obninsk das erste Atomkraftwerk der Welt ans Netz ging, war das für die damalige Sowjetunion nicht nur ein Beweis ihrer technischen Überlegenheit. Wie kaum eine andere Technologie verkörperte die Atomkraft damals überall die Zukunft: Unerschöpfliche, saubere, billige Energie, die der Mensch nur dank hoch entwickelter Wissenschaft erzeugen konnte, sollte den Fortschritt auch noch in den letzten Winkel der Erde tragen. Dann kamen Harrisburg, Tschernobyl, Fukushima. Doch der Traum von der sauberen Atomkraft ist anscheinend nicht totzukriegen – und er wird durch die Diskussionen um den Klimawandel neu belebt. Was steckt hinter dem wiederentdeckten Interesse an der Atomkraft?

Im Oktober 2020 kündigte das US-Energieministerium (Department of Energy, DOE) an, im Rahmen der „Dekarbonisierung“ der US-Wirtschaft den Bau von zwei neuen, experimentellen Atomreaktoren mit je 80 Millionen Dollar zu unterstützen. Die andere Hälfte der Kosten trägt jeweils das geförderte Unternehmen. Gefördert wird die Entwicklung eines natriumgekühlten Reaktors für hochangereichertes Uran und eines heliumgekühlten Kugelhaufenreaktors. Doch das ist nur ein kleiner Vorgeschmack auf die massiven Fördergelder, die im Infrastrukturgesetz der Biden-Regierung für die Entwicklung neuer Atomkraftwerke vorgesehen sind: Nach US-Medienberichten sollen dafür rund sechs Milliarden US-Dollar bereitstehen.