MIT Technology Review 7/2021
S. 56
Industrie
Food Shocks

Wenn die Ernte plötzlich ausfällt

Die Klimakrise hält nicht nur Unwetter für uns bereit, sondern auch eine Bedrohung, auf die wir so nicht vorbereitet sind: der Ausfall der Lieferketten und Nahrungsmittelknappheit. Die Pandemie hat uns das bewusst gemacht. Forschende simulieren jetzt diese Krisen und entwerfen Modelle für mehr Resilienz.

Von Eva Wolfangel

Als Alfonso Mejia in den ersten Tagen der Pandemie einkaufen ging und die endlos langen Reihen leerer Nudel- und Mehlregale sah, wurde ihm klar: Nun würden seine Landsleute verstehen, dass leere Supermarktregale auch den Westen treffen können. Die Pandemie hat einen kleinen Vorgeschmack darauf geliefert, was künftig auf uns zukommen könnte, denn der Klimawandel wird dazu führen, dass ganze Ernteregionen Ausfälle erleiden, wenn wir nicht jetzt vorsorgen. „Das Interesse an diesem Thema wächst“, sagt der Umweltingenieur der Pennsylvania State University, „die Leute realisieren jetzt, dass Food Shocks zunehmen werden.“

Extremwetter, steigende Temperaturen, Dürre, Überschwemmungen können für die Lebensmittelversorgung ernsthafte Dimensionen annehmen – und auch wenn leere Nudelregale in der Pandemie kein existenzielles Problem waren, haben sie viele Menschen beunruhigt. Panikkäufe verschärfen das Problem und offenbaren die gesellschaftliche Dimension leerer Supermarktregale. Einige Forschende sehen in Weizenknappheit sogar den Auslöser des arabischen Frühlings – die Menschen in Ägypten sind auf Getreidelieferungen aus Russland angewiesen. Als die Ernte schlecht ausfiel, stiegen die Weizenpreise, Ägypten konnte sich kein Brot mehr leisten und die Menschen revoltierten gegen ihre autoritären Regime. Deshalb machen sich Forscher nun Gedanken darum, wie solchen Lebensmittelausfällen vorgebeugt werden kann und wie die Lieferketten resilienter werden können.