MIT Technology Review 2/2022
S. 58
Report
Deep Learning

Google Translate für Pottwale

Pottwale unterhalten sich über Klick-Laute. Wie wäre es, wenn wir Menschen antworten könnten? Forscher wollen die Wal-Sprache mit maschinellem Lernen entschlüsseln.

Wolfgang Stieler und Bettina Wurche

Die großen, grauen Rücken einer Pottwal-Familie dümpeln an der blauen Meeresoberfläche vor dem karibischen Inselstaat Dominica. Im Gegensatz zu anderen Pottwal-Beständen, die große jahreszeitliche Wanderungen unternehmen, sind die dominikanischen Walkühe und ihr Nachwuchs ortstreu und dort das ganze Jahr über zu beobachten – darum sind sie ideal für die Walforschung. Die bis zu elf Meter langen Wale sind alle per Foto-ID individuell anhand ihrer Fluke erfasst, sie ist genauso unverwechselbar wie ein menschlicher Fingerabdruck. Auch die zur Paarungszeit vorbeikommenden Bullen von bis zu 18 Metern Länge und 50 Tonnen Gewicht sind meist alte Bekannte der Walkühe und Forscher.

Michael Bronstein ist mit dem Projekt CETI (Cetacean Translation Initiative) aber einem Geheimnis auf der Spur, das die Walforscher bislang noch nicht lüften konnten – der Entschlüsselung der Pottwal-Sprache. Schon lange versuchen Forschende, das melodische Singen von Buckelwalen oder die pfeifenden Laute von Delfinen zu verstehen – der amerikanische Biologe John C. Lilly versuchte in den 1960er-Jahren gar, Delfinen Englisch beizubringen. Bisher sind jedoch alle derartigen Versuche gescheitert. Pottwale stellen die Forschenden in dieser Hinsicht jedoch vor zusätzliche Probleme: Sie verständigen sich ausschließlich mit den Klick-Lauten der Echoortung. Komplexe Klick-Folgen – sogenannte Codas – setzen sie auch zur sozialen Kommunikation ein.