MIT Technology Review 2/2022
S. 110
Review
Meinung

Das endemische Versprechen

Endemie ist in der Pandemie das Zauberwort, das Freiheit verheißt. Aber das ist leider ein Missverständnis.

Jo Schilling

Ob wohl deshalb so viele Hoffnungen auf dem Begriff „endemisch“ ruhen, weil darin das Wort „Ende“ steckt? Wenn wir nur erst von der pandemischen in die endemische Lage übergehen, dann … Ja, was denn dann? Der Begriff „Endemie“ geistert durch die virologische und politische Landschaft als Hoffnungsmarker, dabei heißt endemisch nur: Die Krankheit bleibt dauerhaft in der Region. Definiert ist die Endemie durch eine erhöhte und etwa konstante Zahl der Krankheitsfälle dort.

Das Paradebeispiel für eine Endemie ist die Malaria: Sie ist räumlich begrenzt durch den Verbreitungsraum der Anopheles-Mücke. Endemisch heißt in diesem Fall allerdings auch, dass in der afrikanischen Subsahara-Region im Jahr 2020 um die 240 Millionen Menschen an Malaria erkrankt und etwa 600 000 gestorben sind. Das zeigt, worüber das Wort endemisch nichts sagt: über die Schwere der Krankheit, über die Zahl der Erkrankten und der Toten. Auch die Pocken waren endemisch, Polio ist es nach wie vor. Und dass diese Krankheiten harmlos sind, wird wohl niemand behaupten wollen.