MIT Technology Review 2/2022
S. 3
Editorial
, Foto: Ricardo Wiesinger
Foto: Ricardo Wiesinger

Liebe Leserinnen und Leser,

willkommen zur rundum erneuerten Ausgabe der MIT Technology Review. Nachdem wir im vergangenen Jahr bereits das Cover-Design verändert haben, ist jetzt der Innenteil des Magazins an der Reihe: Das Layout ist modernisiert, die Heftstruktur überarbeitet und wir haben einige neue (und altbekannte) Formate eingeführt. Wir freuen uns über Feedback an leserbrief@technology-review.de. Oder nehmen Sie an unserer Leserumfrage teil: technology-review.de/leserumfrage.

Erneuern müssen wir auch unsere Wirtschaft, denn die Klimakrise zwingt uns dazu, das fossile Zeitalter schnellstmöglich zu überwinden. Dabei genügen zwei Zahlen, um zu verstehen, wie wichtig das Konzept der Kreislaufwirtschaft für den nötigen Umbau ist. Laut Circularity Gap Report 2021 verursacht der Umgang mit Material rund 70 Prozent aller Treibhausgase. Das ist weit mehr als die reine Energieversorgung. Gleichzeitig fließen derzeit nur 8,6 Prozent des von Menschen in Umlauf gebrachten Materials zurück in die Wirtschaft. Das bedeutet, dass der überwiegende Teil der von uns produzierten Güter irgendwann auf dem Schrottplatz oder in der Umwelt landet.

Die Idee einer zirkulären Wirtschaft ist es, die Stoffströme möglichst so zu gestalten, dass die ökonomischen Akteure einen Großteil wiederverwenden (Seite 14). Dabei ist Recycling nur ein Aspekt. Es geht um einen umfassenderen Ansatz, die Wirtschaft vom Kopf auf die Füße zu stellen. Beispielsweise könnten Produkte gleich so entwickelt werden, dass sie aus möglichst vielen wiederverwendbaren Bestandteilen bestehen, lange halten und sich gut reparieren lassen.

Im Rahmen der weltweiten Fab-City-Initiative verfolgt Hamburg sogar das Ziel, bis 2054 fast alles, was in der Hansestadt konsumiert wird, auch selbst zu produzieren (Seite 22). Eine Idee ist, Produkte wie Möbel in sogenannten Fab Labs direkt vor Ort herzustellen, nur die Baupläne kämen dann vom Hersteller. Das würde die Transportkosten auf ein Minimum reduzieren.

Unterm Strich zeigt sich: Wer die zirkuläre Wirtschaft zu Ende denkt, hinterfragt auch die Grundlagen des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Produktzyklen, globale Lieferketten, Konsumgewohnheiten – all das steht plötzlich auf dem Prüfstand. Es ist ein Abenteuer, auf das wir uns einlassen müssen, weil es keine wirkliche Alternative gibt.

Luca Caracciolo

@papierjunge