MIT Technology Review 2/2022
S. 62
Report
Stadtentwicklung

Die Stadt als Schwamm

Das Wasser gewinnt immer, also ist es besser, sich das Wasser zum Freund zu machen – nach dieser Philosophie funktionieren Schwammstädte. Sie nehmen ein Zuviel an Wasser auf und geben es nach und nach wieder ab. Der chinesische Architekt Yu Kongjian hat in Bildern festgehalten, wie sich Städte durch Schwammstrukturen wandeln.

Erica Gies und Jo Schilling

Der Pekinger Landschaftsarchitekt Yu Kongjian hat eine Vision: Er möchte das natürliche Wassergleichgewicht wiederherstellen. Statt Flüsse mit Deichen einzugrenzen, Gebäude oder Parkplätze dort zu errichten, wo das Wasser hinfließen will oder Dämme zu bauen, die bereits 333 Flüsse im Jangtse-Gebiet ausgetrocknet haben, schafft er flexible Räume, in denen sich das Wasser ausbreiten und im Untergrund versickern kann. „Diese grauen Infrastrukturen sind Killer des natürlichen Systems, auf das wir für unsere nachhaltige Zukunft angewiesen sind“, sagt Yu. Sein 1998 gegründetes Landschaftsarchitekturbüro Turenscape gestaltet Landschafts- und Siedlungsräume, die Überschwemmungen verhindern und das Wasser für eine spätere Nutzung speichern.

Seit dem 17. Jahrhundert haben wir 87 Prozent der weltweiten Feuchtgebiete, die flexibel Wasser aufnehmen und abgeben können, vernichtet. Immer mehr Menschen benötigen immer mehr Raum. Vergrößert sich eine Stadt mit ihren befestigten Flächen nur um ein Prozent, erhöht der Regenwasserabfluss das jährliche Hochwasser in den nahe gelegenen Wasserläufen um 3,3 Prozent. In dichten Städten versickern nur etwa 20 Prozent des Regens tatsächlich im Boden. Der Rest wird aus der Stadt geleitet.