MIT Technology Review 2/2022
S. 93
Dossier
Digitalisierung

Per Smiley zum Arbeitszeugnis

Die Digitalisierung in deutschen Unternehmen hat durch die Corona-Pandemie Fahrt aufgenommen. Besonders gefordert sind die Personalabteilungen. Sie müssen Digitalisierungsverweigerer überzeugen und Mitarbeiter in ihrer Arbeit besser unterstützen.

Bernd Müller

Diese Produkte kennt jeder aus dem Kühlregal: den Champignon-Camembert in der grünen Packung mit den drei Pilzen oder den herzhaften Cambozola-Blauschimmelkäse. Gefühlt gibt es diese Leckereien schon ewig – und das stimmt auch. Die Käserei Champignon Hofmeister wurde 1908 gegründet, gehört zur Champignon-Hofmeister-Unternehmensgruppe und befindet sich bis heute in Familienbesitz. Unternehmen mit so langer Tradition haben oft Probleme, den Anschluss an die Moderne zu finden, gerade wenn es um die Digitalisierung geht. „Manchen Mitarbeitenden fällt es schwer, lieb gewonnene analoge Prozesse aufzugeben“, sagt Personalleiterin Dagmar Baldus, die seit 19 Jahren im Unternehmen ist.

Widerstände gab es vor drei Jahren bei der Einführung der digitalen Lohnabrechnung über eine digitale Dokumenten-Box. Bis dahin bekamen die rund 1000 Mitarbeitenden an den drei Standorten in Bayern ihre Lohnzettel ausgedruckt mit manchmal bis zu acht Seiten persönlich in die Hand gedrückt. War ein Mitarbeitender in Nachtschicht oder im Urlaub, dauerte es mitunter Tage oder gar Wochen, bis er den Lohnzettel erhielt. Dann dauerte es ebenso lange, bis er die Liste mit den geleisteten Arbeitsstunden und den Zuschlägen für Nachtarbeit oder Überstunden kontrollieren und Fehler reklamieren konnte. Außerdem wurden die Briefe im Stammwerk bei Kempten gedruckt und per Paket zu den beiden anderen Werken verschickt. Trotz der Vorteile der schnellen digitalen Lohnabrechnung auf Smartphone oder PC beharrten einige Mitarbeitende auf der Papierversion. „Dafür muss man gut präpariert sein“, empfiehlt Baldus. Die rechtssichere Umsetzung besonders bezüglich des Datenschutzes müsse vorher geklärt werden – aber das war für die gelernte Juristin quasi ein Heimspiel. Dennoch forderte der Betriebsrat zunächst eine Wahlmöglichkeit. „Das haben wir abgelehnt“, so Baldus. „Wer sich heute der Digitalisierung verweigert, ist der Analphabet von morgen – dieses Argument und eine aktive Hilfestellung durch Erklärvideos oder persönliches Coaching für diejenigen, die digitales Neuland betreten mussten, hat die meisten Mitarbeitenden dann doch überzeugt.“ Nur zehn Kollegen, alle kurz vor dem Rentenalter oder ohne Internetzugang zuhause, bekommen weiterhin ihre Abrechnung in Papierform.