MIT Technology Review 4/2022
S. 110
Review
Meinung

Der Minister und die Angst

Wo die Argumente enden, beginnt nicht selten die Manipulation. Aber statt Energie für Angstmache vor hypothetischen Virus-Varianten zu verschwenden, gäbe es konstruktive Möglichkeiten, uns auf den nächsten SARS-CoV-2-Schub vorzubereiten.

Angst als Basis-Emotion ist grundsätzlich eine gute Erfindung. Etwa wenn man nachts ein Rudel Wölfe trifft. Dabei hilft das ausgeschüttete Adrenalin ungemein, nicht gefressen zu werden. Der große böse Wolf der letzten zwei Jahre ist Covid-19. Das Problem: Gegen ein Virus hilft Angst nicht. Das Einzige, was hilft, ist Respekt vor einem unsichtbaren Gegner und verantwortungsvolles Handeln.

Nun kann man nicht von jedem erwarten, dass er rational und verantwortlich in einer Pandemie handelt. Angst hat ihre eigenen Gesetze und das Spektrum der Reaktionen ist so breit wie unsere Gesellschaft. Diese Gesellschaft zu schützen, ist die Aufgabe von Politikern, egal ob die Menschen dreifach geimpft sind oder lieber spazieren gehen. Dabei ist es hilfreich, wenn Politiker – allen voran unser Gesundheitsminister – wissen, wie Angst funktioniert. Werden Menschen ständig mit dem gleichen Angstauslöser konfrontiert, können – abhängig von der Persönlichkeit – zwei Dinge passieren: Entweder entwickeln diese Menschen eine veritable Angststörung, kommen aus der Angst nicht wieder heraus und erstarren. Oder sie stumpfen ab.