MIT Technology Review 4/2022
S. 50
Titel
Bioökonomie

Mit Mikroben gegen den Klimawandel

Maßgeschneiderte Mikroorganismen gelten als Schlüssel zur Transformation von einer fossilen zu einer nachhaltigen Wirtschaft. Das US-Unternehmen LanzaTech macht vor, wie das funktionieren kann, und stellt mit Bakterien Chemikalien aus CO2 her.

Veronika Szentpétery-Kessler

Das Bakterium Clostridium autoethanogenum ist eine vielseitige kleine Chemiefabrik und zu Großem bestimmt: Es stellt – geschickt manipuliert – aus den Industrieabgasen Kohlendioxid (CO2), Kohlenmonoxid (CO) und Wasserstoff Basischemikalien her. Das US-Unternehmen LanzaTech hatte den Organismus in den vergangenen Jahren bereits erfolgreich dazu gebracht, aus den Abgasen von zwei Stahlwerken jeweils 50 000 Tonnen Ethanol pro Jahr zu produzieren. Inzwischen kann das Clostridium noch mehr. Mit Partnern der Northwestern University in Illinois haben sie das Bakterium gentechnisch so umgebaut, dass es nun auch die Industriechemikalien Aceton und Isopropanol im 150-Liter-Pilotmaßstab herstellen kann.

Michael Köpke leitet bei LanzaTech die Entwicklung chemikalienproduzierender Mikroorganismen., Foto: LanzaTech
Michael Köpke leitet bei LanzaTech die Entwicklung chemikalienproduzierender Mikroorganismen.
Foto: LanzaTech

Sie werden bislang, ebenso wie nahezu alle Industriechemikalien, aus Erdöl oder -gas hergestellt. Dabei bringen sie nicht nur den fossilen Kohlenstoff ihres eigenen Gerüstes in Umlauf. Auch die Produktion schlägt mit 1,85 bis 2,55 Kilogramm CO2-Emissionen für jedes Kilo der Stoffe zu Buche. Stellen Bakterien die Substanzen aus Abgasen her, vermeidet das nicht nur den Einsatz von fossilen Kraftstoffen. „Unser Prozess hat auch einen negativen CO2-Fußabdruck von minus 1,17 bis 1,79 Kilogramm CO2, das heißt, er entfernt CO2 aus der Atmosphäre“, sagt Michael Köpke, Direktor für Synthetische Biologie bei LanzaTech. Das Verfahren sei auch im Vergleich mit der Fermentation aus Zucker oder Mais günstiger, ertragreicher, unabhängig von Rohstoffpreisen und stehe nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion, legen die Forschenden in Nature Biotechnology dar.