MIT Technology Review 4/2022
S. 60
Report
Künstliche Intelligenz

Aussortiert

KI-Software kann Bewerbungen mittlerweile maschinell auswerten. Dadurch fallen Kandidaten durch, weil ihre Unterlagen nicht für Maschinen optimiert sind. Anderetricksen die KI hinter den Systemen aus.

Eva Wolfangel

Mein Lebenslauf ist – wenn überhaupt – für Menschen optimiert. Seine Struktur ist schnell zu erfassen. Wenn ihn meine künftige Chefin liest, kann sie gleich entscheiden, welche Aspekte meines professionellen Lebens sie sich zuerst anschaut: Berufserfahrung, Ausbildung, Fortbildungen, Auszeichnungen. Trotzdem könnte es sein, dass mein Lebenslauf nicht gut bei ihr ankommt. Oder auch: gar nicht ankommt, warnt mich Stefan Gerth, der das Unternehmen „Die Bewerbungsschreiber“ gegründet hat. Denn in vielen Unternehmen werden Lebensläufe maschinell vorgefiltert, damit sich die Recruiter auf die vielversprechendsten Kandidaten konzentrieren können. „Bewerber wissen oft nicht, dass ihr Lebenslauf automatisch ausgelesen wird“, sagt Gerth. Insbesondere zweispaltige Lebensläufe seien eine Herausforderung für diese Software, warnt er mich. Außerdem sei es wichtig, die richtigen Keywords in der Bewerbung zu haben. Mein Lebenslauf ist zweispaltig – und über Keywords habe ich mir noch nie Gedanken gemacht.

Menschen wie Stefan Gerth helfen Menschen wie mir, mit der maschinellen Auslese besser zurechtzukommen und die eigene Bewerbung daran anzupassen. Rund um das Auslesen von Lebensläufen, sogenanntes CV-Parsing, hat sich eine eigene Industrie gebildet. Denn auch wenn es zunächst darum geht, die Inhalte in die entsprechenden Datenbanken der Unternehmen einzutragen, findet dabei schon eine gewisse Vorauswahl statt. Schließlich spielt es eine Rolle, inwiefern die Maschine eine bestimmte Qualifikation erkennt, als wie relevant oder aktuell diese angesehen wird und ob Recruiter, die nach dieser Qualifikation suchen, die Bewerberin auch präsentiert bekommen, wenn diese einen anderen Begriff dafür gewählt hat. Der nächste Schritt im automatischen Bewerbungsprozess ist ein Ranking beziehungsweise Matching: Welche Bewerberin passt am besten auf die ausgeschriebene Stelle? Da es hierbei darum geht, Muster zu finden, scheint es naheliegend, dafür Systeme des maschinellen Lernens einzusetzen.