MIT Technology Review 6/2022
S. 112
Review
Meinung

Luca zappt

Als das lineare Fernsehen noch die einzige Möglichkeit war, Bewegtbildformate zu konsumieren, war das schnelle Umschalten der Kanäle fast ein Volkssport. Was ist heute an seine Stelle getreten?

99 Prozent meines heutigen Medienkonsums ist gezielt. Ich steuere bewusst etwas an – eine Serie auf Netflix zum Beispiel oder ein Musikalbum auf Spotify. Dabei sorgt die Auswahl für puren Stress, weil ich jederzeit Tausende von Inhalten konsumieren könnte. Wer soll sich da bitte entscheiden können?

Leider gib es das Zappen in der Welt des Streamings schlicht nicht mehr. Dabei würde ich es mir hin und wieder zurückwünschen, denn Zappen war immer ein Fest des Zufalls, ein Stück weit Kontrolllosigkeit, pures Prokrastinieren. Das Fernsehprogramm lief ohne mein Zutun einfach weiter, das sorgte gleichzeitig für ein gewisses entspanntes Sich-Abfinden. Eine coole Sendung verpasst? Pech gehabt. Ärgerlich, aber auch zugleich befreiend, denn der Umstand machte deutlich: Ich kann ohnehin nicht alles konsumieren.