MIT Technology Review 6/2024
S. 60
Report
Medizin

Schwere Geburt

Oft angekündigt, doch noch immer nicht auf dem Markt: Die Pille für den Mann scheiterte bisher an unerwünschten Nebenwirkungen und der mangelnden Bereitschaft von Männern, Verantwortung zu übernehmen. Jetzt nimmt die Sache wieder Fahrt auf.

Veronika Szentpétery-Kessler

Die Idee für eine Männer-Pille, die wie Viagra einfach kurz vor dem Sex eingenommen werden kann, kam Jochen Buck und Lonny Levin vor einigen Jahren „zwischen Kaffee und Bier“. Die langjährigen Kollegen von der Cornell University in New York beließen es nicht bei Gedankenspielen und entwickelten den Wirkstoff TDI-11861, der zumindest Mausböcke vorübergehend unfruchtbar machen konnte. Das Mittel, das sie den Mäusen injizierten, hemmt das Enzym Adenylylcyclase im Ejakulat und damit die Beweglichkeit der Spermien. Sie sind dann auf dem Weg zur Eizelle so langsam, dass ihr chemischer Puffer, der sie vor dem sauren Milieu der Scheide schützt, vor dem Erreichen des Ziels aufgebraucht ist. „Dann heißt es: ,Gute Nacht, Spermien!‘“, sagt Buck.

Das Rennen der Spermien zur Eizelle zu bremsen oder ganz zu unterbinden, ist das Leitmotiv bei der Entwicklung von Verhütungsmitteln für Männer., Bild: mauritius images / Science Source
Das Rennen der Spermien zur Eizelle zu bremsen oder ganz zu unterbinden, ist das Leitmotiv bei der Entwicklung von Verhütungsmitteln für Männer.
Bild: mauritius images / Science Source

Die Wirkung der Testdosis setzte bei den Mäusen nach einer halben Stunde ein und hielt zweieinhalb Stunden an. 24 Stunden später war die normale Beweglichkeit und damit die volle Befruchtungskraft der Spermien wiederhergestellt. Buck und Levin fanden das sehr vielversprechend und gründeten 2023 das Start-up Sacyl Pharmaceuticals. Ihr Ziel ist es zunächst, die Wirkdauer des AC-Hemmers auf zwölf Stunden zu steigern. Und sie suchen einen Weg, das Mittel nicht mehr spritzen zu müssen – eine Männer-Pille eben.