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AirPods im Test: Kabelloses Hörvergnügen

Johannes Schuster, Holger Zelder

Apples völlig strippenfreie Ohrhörer kommen endlich in den Handel. Mac & i hatte Gelegenheit, erste Produkte aus der Serienproduktion zu testen.

Präsentiert wurden die AirPods bereits bei der Vorstellung des iPhone 7 im September [1] und für Ende Oktober versprochen. Doch Apple verschob den Verkaufsstart [2] wegen nicht näher erklärter Probleme immer wieder bis Mitte Dezember [3] und bot dann auch nur wenige Exemplare in den eigenen Shops an. Ab Mitte Januar sollen größere Stückzahlen bei den Händlern bereitstehen. Mac & i hatte bereits die Gelegenheit, AirPods aus der Serienproduktion zu testen.

Die Besonderheit der drahtlosen Ohrhörer ist, dass sie auch auf ein Kabel zur Verbindung untereinander verzichten, das die meisten Bluetooth-In-Ears brauchen. Außerdem passen sie optimal zu Apple Watch und iPhones 7/7 Plus, die ja jetzt beide ohne Kopfhörerbuchse gebaut werden.

Geliefert werden die AirPods in einer kleinen abgerundeten Box, die gleichzeitig als Ladestation für die eingebauten Akkus dient. Diese wird mit einem mitgelieferten USB-zu-Lightning-Kabel geladen – Typ A, nicht C. Außerdem hilft die schmucke Transport-Box auch beim Pairing: Auf einem neueren iPhone (getestet mit iPhone SE, iPhone 6s, iPhone 7) mit iOS 10.2 genügte es, bei aktiviertem Bluetooth den Deckel vom Case neben dem Telefon zu öffnen. Nach kurzer Zeit erscheint ein Kopplungsdialog. Mit dieser Funktion erspart man sich die Klicks zum Bluetooth-Menü unter iOS. Öffnet man den Deckel neben dem gekoppelten iPhone, zeigt es die Ladestände von AirPods und Battery Case.

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Man kann die AirPods einfach mit anderen Bluetooth-fähigen iOS-Geräten, Apple Watches und Macs koppeln, die unter der gleichen Apple-ID laufen, da die Profile bereits über die iCloud automatisch hinterlegt sind. Es genügt, im jeweiligen Bluetooth-Menü auf "Verbinden" zu klicken. Die Übertragung der Musik vom vorherigen Gerät wird dabei unterbrochen – und tönt dann möglicherweise aus dessen Lautsprechern.

Unter Einstellungen/Bluetooth/(Name der AirPods) tippt man auf das blaue i-Symbol, um die AirPods zu konfigurieren, etwa die beiden Mikrofone von Automatik auf eine feste Seite umzustellen, die Ohrerkennung abzuschalten oder zwischen Siri und Start/Stopp zu wechseln (dazu gleich mehr). Die Festlegung gilt dabei immer nur für das eine Gerät.

Um die AirPods zurückzusetzen, steckt man sie in die Transport-Box und drückt den seitlichen Button zehn Sekunden. Nun kann man sie auch mit anderen Bluetooth-Geräten als denen von Apple koppeln.

Wir konnten uns mit den AirPods im Ohr bis zu 65 Meter vom iPhone wegbewegen, ohne dass die Musik unterbrochen wurde oder stockte. Befand sich der Zuspieler allerdings in einer Tasche der Winterjacke, kam es zu Aussetzern, etwa beim Fahrradfahren, allerdings ganz selten.

Bei Vorseriengeräten soll es zu Problemen mit der Synchronizität zwischen linkem und rechtem AirPod [5] gekommen sein. In unserem Test mit Seriengeräten traten diese zu keinem Zeitpunkt auf.

Die AirPods beherrschen die Audio-Protokolle SBC und AAC, aber kein aptX – was aber auch iPhone und Apple Watch nicht unterstützen. Am Mac meldete uns das Bluetooth-Hauptmenü (Klicken mit gedrückter Alt-Taste) auch beim Abspielen eines MP3-Musikstückes die Verwendung von AAC. Der Advanced Audio Codec bietet bei gleicher Komprimierung eine bessere Soundqualität als MP3.

Die AirPods verstehen leider nur eine Geste: Den Doppeltipp gegen einen der Ohrhörer (welcher ist egal). Werksseitig aktiviert man damit Siri. Alternativ kann man ihn auch mit Start/Pause belegen oder komplett ausschalten. Um die Geste auszulösen, muss man etwas fester tippen. Das schützt vor versehentlicher Bedienung, aber die ohnehin sehr harten AirPods stoßen hierbei unangenehm in das empfindliche Ohr.

Über den Doppeltipp nimmt man auch auf dem verbundenen iPhone ankommende Telefonate an oder beendet sie, sofern er nicht deaktiviert wurde. Apple verwendet laut Werbung eine Geräuschunterdrückung mit einem "Stimmbeschleunigungsmesser" und "wellenbündelnden Mikrofonen". Die Sprachqualität war jedenfalls gut. In beiden AirPods stecken Mikrofone, die in der Grundeinstellung automatisch ausgewählt werden.

Man kann an den AirPods weder die Lautstärke regeln, noch spulen oder zwischen den Titeln springen. Ersatzweise lässt sich Siri dafür nutzen ("Springe zum nächsten Stück!", "Maximale Lautstärke, bitte!"), doch das funktionierte im Test nicht immer zuverlässig. Die Lautstärke ist so auch nicht fein genug justierbar. Außerdem benötigt man für Siri stets eine Internetverbindung und in vielen Momenten will man auch keine vermeintlichen Selbstgespräche führen. Am Mac nahm Siri die Aufforderung "mache bitte die Musik leiser" zunächst an und zeigte einen Dialog mit einem heruntergeregelten Schieber. Einen Augenblick später ging es aber mit der gleichen Lautstärke weiter.

AirPods (8 Bilder) [6]

[7]
Die AirPods von Apple kommen komplett ohne Kabel aus – auch untereinander.

In den AirPods befinden sich optische Sensoren zur automatischen Erkennung, ob sie in einem Ohr stecken oder sich anderenorts befinden. Eine Sekunde nachdem man einem AirPod aus dem Ohr nimmt oder dieser herausfällt, stoppt die Musikwiedergabe. (Und man kann mit der Suche beginnen.) Auch Videos werden unterbrochen. Steckt man beide AirPods wieder ein, geht es weiter.

Wenn man – zum Beispiel wegen nicht waagerecht verlaufender Hörkanäle – die In-Ears im Ohr etwas verdreht, pausieren sie leicht unbeabsichtigt. In diesem Fall kann man die Erkennung auch abschalten. Dann läuft die Musik auf dem anderen Hörer einfach weiter, wenn man einen herausnimmt.

Der Teil des AirPods, der im Ohr sitzt, ist nur geringfügig voluminöser als beim kabelgebundenen EarPod, obwohl sich Mikrofone, Sensoren und Akkus in den AirPods befinden. Der Steg ist aber knapp 5 Millimeter länger und 1,6 Millimeter dicker. Die glatten und harten AirPods sitzen bei mittelgroßen Ohren locker, ohne zu drücken, können bei einigen Menschen aber nach längerer Zeit Druckstellen hinterlassen.

Da der Kabelzug fehlt, fühlen sie sich trotz höherem Gewicht leichter als die EarPods an und sitzen etwas fester. Weder beim normalen Gehen noch beim Kopfschütteln von mehreren Testpersonen fielen sie heraus. Im Test ist das insgesamt nur zweimal passiert, immer beim Abstreifen der Kapuze. Die AirPods vertragen sich aber gut mit Mützen und Brillen. Für manche Sportarten dürften die AirPods auf jeden Fall nicht geeignet sein. Spezielle Sportkopfhörer wie etwa Jabras Sport Pulse Wireless sitzen sicherer.

Laut Apple sollen die AirPods bei 50-prozentiger Lautstärke 5 Stunden durchhalten. Danach kann man sie für 15 Minuten in die Transport-Box stecken und sie sollen weitere 3 Stunden tönen. Insgesamt reichen Akkus und Ladecase laut Apple für 24 Stunden Betrieb.

In unserem Test war der linke Ohrhörer bei hoher Lautstärke nach weniger als 3 Stunden leer. Das schnelle Aufladen in der Transportbox funktionierte danach gut. Für die Ermittlung der genauen Laufzeiten des Gesamtsystems fehlte uns die Zeit zum Testen. Wir reichen das in einem Artikel im nächsten Heft der Mac & i nach.

Zur Beurteilung des Klangs haben mehrere Kollegen die Apple-In-Ears probegehört. Übereinstimmend kamen sie zu dem Urteil, dass die AirPods etwas lauter sind als die EarPods mit Lightning-Anschluss (geschätzt 2 bis 3 db). Wenn man beide auf die gleiche Lautstärke einstellt, bleiben aber nur noch leichte Unterschiede: So hat Apple offenbar die Frequenzen unterhalb von 100 Hz etwas stärker betont, wodurch der Bass etwas voluminöser wirkt. Zugleich wurde der Bereich zwischen 3 und 5 kHz leicht angehoben, wodurch Stimmen mehr Strahlkraft bekommen, aber auch härter klingen. Bei hohen Tonlagen tönen die AirPods etwas unsauber, fast klirrend.

Audio-Experte Hartmut Gieselmann von unser Schwesterzeitschrift c't fasst seinen Eindruck so zusammen: "Im Wesentlichen werden Hörer den Sound der AirPods als besser empfinden, weil sie lauter sind. Wobei ihr Klang durchaus gut ist: druckvoll, brillant und dynamisch, ohne zu spitz zu sein."

Da Apple auf Gummi- oder Silikonbestandteile verzichtet, dichten die AirPods zum Gehörgang nicht bei jedem ab. Dadurch hört man seine Umgebung weiterhin und das Bassvolumen bleibt niedrig. Die Ohrhörer strahlen den Schall nur in eine Richtung ab, nämlich normalerweise horizontal. Bei anderes verlaufenden Hörkanälen muss man sie verdrehen, um die volle Lautstärke herauszubekommen. Unser Tipp: Wenn bei Ihnen die EarPods bereits gut klingen und Sie einen starken Bass hören, dann werden Sie auch mit dem Sound der AirPods zufrieden sein. Wenn nicht, greifen Sie lieber zu In-Ears mit Silikon-Manschetten oder Kopfhörern.

Ungeeignet sind die AirPods für Musikprogramme, da die Übertragung per Bluetooth eine zu große Latenz erzeugt, sodass man eine angeschlagene Note spürbar zu spät hört. Musiker sind daher weiterhin auf Kabel-Kopfhörer angewiesen.

Mit einem Preis von 180 Euro sind die AirPods erheblich teurer als die EarPods, liegen aber auf einem Niveau zu komplett kabellosen In-Ears anderer Hersteller. Verliert man einen AirPod, kann man ihn bei Apple zum Preis von 70 US-Dollar nachkaufen. Ein Akku-Tausch kostet nach der Garantiezeit im Apple Store 55 Euro [8].

Die von Apple als "magisch" bezeichneten AirPods funktionieren im Wesentlichen gut und machen die Koppelung einfach. Ansonsten sind wir vom Funktionsumfang eher enttäuscht, da man sich mit Siri aushelfen oder doch das iPhone aus der Tasche nehmen muss, um Lautstärke und Songabfolge zu steuern.

Zum Glück kann jeder iPhone-Besitzer sich vorab ein ungefähres Bild von den AirPods machen und prüfen, ob sie in seinem Ohr funktionieren, indem er einfach die mitgelieferten kabelgebundenen EarPods ausprobiert. Im Großen und Ganzen klingen sie gleich, sind nur etwas leiser. Sicherlich werden sich die AirPods gut verkaufen, weil das kabellose Musikhören die Bewegungsfreiheit verbessert. (jes [9])


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-3573514

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[1] https://heise.de/-3315937
[2] https://www.heise.de/mac-and-i/meldung/AirPods-Einfuehrung-wird-verschoben-3364837.html
[3] https://www.heise.de/mac-and-i/meldung/Apples-AirPods-koennen-nach-Verzoegerung-nun-vorbestellt-werden-3569414.html
[4] https://www.heise.de/Datenschutzerklaerung-der-Heise-Medien-GmbH-Co-KG-4860.html
[5] https://www.heise.de/news/AirPods-Audio-Sync-Problem-angeblich-Grund-fuer-Verspaetung-3568294.html
[6] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_3573435.html?back=3573514
[7] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_3573435.html?back=3573514
[8] https://www.heise.de/news/AirPods-Apple-nennt-Preis-fuer-Akkutausch-und-Ersatzstoepsel-3570754.html
[9] mailto:jes@ct.de