"Alan Wake 2" im Test: Horror ohne Hemmungen
In "Alan Wake 2" kehrt die Titelfigur aus ihrem Exil zurück und stürzt sich und ihre Mitmenschen in einen Albtraum. Düster, spannend und originell.
Wo Remedy draufsteht, ist auch Remedy drin: Kaum ein Entwicklungsstudio reizt die Grenzen des Erzählens in einem Videospiel so aus wie die Macher von "Max Payne" und "Control". Auch im Action-Adventure "Alan Wake 2" inszenieren die Finnen einen ungewöhnlichen Mix aus Survival-Horror-Abenteuer, Detektiv-Thriller und Künstlerdrama.
Rückkehr nach Bright Falls
Eine grausame Mordserie führt FBI-Agentin Saga Anderson und ihren Kollegen Alex Casey in das beschauliche Städtchen Bright Falls. Ein Rätsel folgt dem nächsten und schnell finden sich die beiden FBI-Agenten in einem Albtraum aus brutalen Ritualmorden und besessenen Stadtbewohnern wieder. Als plötzlich der verschollene Bestseller-Autor Alan Wake aus dem Nichts auftaucht, werden die Grenzen zwischen Realität und Fiktion endgültig aufgehoben.
Die Grundidee ist aus dem Vorgänger bekannt: Die Geschichten eines Romanautors werden wahr. Er versucht verzweifelt, alles wieder in Ordnung zu bringen. Im Stil eines Third-Person-Action-Adventures geht es gegen Besessene und übernatürliche Wesen. Munition und Heilmittel sind knapp. Das erinnert ein wenig an klassische Survival-Horror-Spiele wie "Resident Evil" oder "The Evil Within".
"Alan Wake 2" im Test (5 Bilder)
Im ersten Teil gelang so ein spannender Cocktail aus den Romanen Stephen Kings und der Kult-TV-Serie Twin Peaks. In der Fortsetzung scheint Remedy sämtliche erzählerische Hemmungen abgelegt zu haben. Es geht von einer Realitätsebene zur Nächsten, brutale Horrorsequenzen lösen sich ab mit Talk-Show-Einlagen mit echten Schauspielern, immer wieder ertönen dabei Heavy-Metal-Gitarrenriffs.
Das ist oft verwirrend und hat bei uns auch nach den End Credits einige Fragezeichen hinterlassen. Remedy spielt mit der Erwartungshaltung der Fans und den Möglichkeiten des Mediums. Wer hier wer ist und in welcher Zeitebene sich die Spieler gerade befinden, ist nicht immer sofort klar. Und neben den persönlichen Dramen und teilweise brutalen Horrorszenen kommt immer wieder die Frage auf, was eigentlich Kunst ist. Das eigentliche Spiel geht dagegen gewohnte Wege abseits solcher Meta-Diskussionen.
Abwechslungsreiches Spielprinzip
Im Vergleich zum Vorgänger bemüht sich Remedy um mehr spielerische Abwechslung und eine größere Spielwelt, die jetzt teilweise frei erkundet werden kann. Die beiden Hauptfiguren Saga und Alan erleben eigene Geschichten in unterschiedlichen Spielwelten, die sich an bestimmten Punkten überschneiden. Während sich Saga durch die reale Welt schlägt, schleicht sich Alan durch ein surreales New York, das er nur "Dark Place" nennt. Die beiden Hauptfiguren können an bestimmten Orten die Charaktere wechseln und den Spielablauf mehr oder weniger frei wählen. Dabei ändert sich nur die Reihenfolge der einzelnen Szenen. Die Handlung bleibt gleich.
Saga und Alan gehen ihr Abenteuer unterschiedlich an. Die FBI-Agentin trifft zwar auch auf einige Gegner, verlässt sich aber hauptsächlich auf ihren sechsten Detektivsinn. Sie kann nämlich in ihrem sogenannten Mind Palace Indizien und Beweise zu kombinieren, um in der Geschichte voranzukommen. Dort kann sie auch Profile der Verdächtigen anlegen oder ihre Waffen verbessern. Dazu kommen in der Spielwelt viele Rätsel, in denen sie Safes und Truhen knackt oder in Verstecken nach Hilfsmitteln sucht.
Alan muss sich dagegen in seiner Traumwelt deutlich mehr Gegnern stellen. Die lauern als dunkle Schatten an jeder Ecke. Oft nimmt er es mit mehreren Feinden gleichzeitig auf und erlebt schockierende und brutale Momente. Dennoch ist auch Zeit für ein paar clevere Spielideen. Indem er Lichter an- und ausschaltet, verändert er die Umgebung und schafft neue Wege. Oder er zieht sich in seinen Writer's Room zurück und schreibt Szenen neu, die er in sein Abenteuer einbaut. Das schafft eine neue Spielebene, um die Geschichte voranzubringen. Anfangs verwirrend, aber clever gelöst.
Die einzelnen Level und Spielorte haken meist die Best-Ofs des Horrorgenres ab. Dunkle Wälder, verlassene Vergnügungsparks und blutdurchtränkte Hotel-Lobbys wecken Erinnerungen an Spiele wie "Resident Evil" oder Filmklassiker wie "The Shining". Mit dem entsprechenden Werkzeug können Saga und Alan Abkürzungen freischalten. Nur einmal durchbricht das Spiel dieses Muster und inszeniert eine der schrägsten Action-Sequenzen des Jahres.
Es werde Licht!
So unterschiedlich Saga und Alan auch sind – in einer Sache sind sie geeint: in der Macht des Lichts. Besessene Stadtbewohner und dunkle Schatten hassen es nämlich. Wie im ersten Teil bieten Laternen Schutz. Im Kampf kann der Strahl einer Taschenlampe die Gegner schwächen oder sogar ganz vertreiben. Da Munition chronisch knapp ist, sollten die Spieler immer für genügend Batterien sorgen. Besonders gegen Endgegner, die durch die Luft schweben oder gleich im Duo angreifen, entscheidet ein gezielter Strahl mit der Taschenlampe über Sieg oder Niederlage.
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Diese Lichterpracht hat auf der technischen Seite ihren Preis. Während unsere PS5-Version problemlos die Licht- und Schattenspiele in der detailreichen Umgebung darstellen konnte, verlangt die PC-Version einiges an Grafikpower. Karten älterer Generationen wie Nvidias 1000er-Reihe und AMDs 5000er-Reihe werden überhaupt nicht unterstützt. Eine SSD ist aufgrund der erforderlichen Ladezeiten wie zuletzt bei "Cyperpunk 2077: Phantom Liberty" Pflicht. Entsprechend aufgerüstet entschädigt "Alan Wake 2" mit einer wunderschönen Spielwelt.
Fazit
"Alan Wake 2" ist ein ungewöhnlicher Videospielblockbuster. Die einen werden bei schrägen Spielfilmeinlagen und dröhnenden Heavy-Metal-Klängen den Kopf schütteln, die anderen werden sich an den Meta-Diskussionen zum Spiel ergötzen. Besonders Fans des ersten Teils und von "Control" werden zahlreichen Überschneidungen und Andeutungen finden, über die sie noch wochenlang diskutieren können.
Bei dem Genre- und Stilmix sollte nicht vergessen werden, dass "Alan Wake 2" im Vergleich zum Vorgänger das bessere Spiel ist. Die beiden Hauptfiguren sorgen für Abwechslung und die Abkehr vom schlauchartigen Leveldesign des Vorgängers lässt den Fans mehr Freiheiten. Dazu kommen ein paar clevere Spielideen, wie der "Writer's Room" und eine hervorragende audiovisuelle Umsetzung, die für einige beeindruckende und gruselige Momente sorgt. Freunde ungewöhnlicher Horrorabenteuer sollten sich "Alan Wake 2" nicht entgehen lassen.
"Alan Wake 2" erscheint ab 27.Oktober für PC (exklusiv im Epic Store), PS5 und Xbox Series. Es kostet ca. 50 – 60 €. USK ab 18. Für unseren Text haben wir die PS5-Version durchgespielt und die PC-Version angespielt.
(dahe)