"Astro Bot" angespielt: Ein Sony-Plattformer auf Mario-Niveau

Kreativ war "Astro Bot" schon immer. Sein neues PS5-Abenteuer verspricht endlich auch mehr Umfang.

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Screenshot aus "Astro Bot"

(Bild: Sony / Team Asobi)

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Lesezeit: 7 Min.
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Kein Hüpfspiel-Held versteht es so gut, den Spieler mit einzubeziehen wie "Astro Bot". In "Astro Bot Rescue Mission" für PSVR half man ihm eigenhändig über Abgründe, indem man den PS4-Controller in eine Seilwinde oder Wasserspritze verwandelte. Auch das kostenlose auf allen PS5-Konsolen vorinstallierte Spiel "Astro's Playroom" bot eine bemerkenswert kreative Einführung in den neuen PS5-Controller und seine haptischen Trigger. Das zweite PS5-Spiel mit dem schlichten Namen "Astro Bot" soll nun endlich einen der wenigen Schwachpunkte angehen: den Umfang. Während der Vorgänger ohne Sammelobjekte in vier Stunden durchgespielt war, bekam Sonys japanisches Team Asobi diesmal mehr Entwicklungszeit für ein großes Abenteuer zum Vollpreis. Außerdem wurde das Entwicklerteam auf 65 Personen vergrößert.

Über 50 Planeten warten darauf, erkundet zu werden: Sie bilden allerdings keine offene Welt, sondern weitgehend klassische, lineare 3D-Levels mit einigen Abzweigungen. Die Story um einen Raumschiffabsturz und ein fieses Alien bleibt so belanglos wie immer, aber die Suche nach versprengten Robotern und Wrackteilen gestaltet sich trotzdem unheimlich unterhaltsam.

Von Haus aus beherrscht Astro wieder nur einfache Schläge, eine Drehattacke und einen Schwebesprung. Seine Gadgets sind diesmal aber noch besser aufeinander abgestimmt. Ein Elefantenrucksack spuckt ihm mitten im Sprung Plattformen vor die Füße und mit dem Bulldoggenrucksack rammt er durch poröse Retro-Kulissen. In manchen Levels stampft er sogar als vollgesogener Riesenschwamm durch die Levels – oder er verwandelt er sich auf Knopfdruck in eine winzige Maus. So schlüpft er auch durch kleinste Nischen oder schwebt auf Seifenblasen empor, um in Käfigen gefangene Bots frei zu sprengen. Auch kurze Gleitflüge mit der Raumfähre per Bewegungssteuerung sind eine nette Abwechslung. Ganz klar: Das Spiel strotzt nur so vor liebevollen, kreativen Ideen; im kleinen und im großen. Man spürt, dass es sich hier offenbar um ein Herzensprojekt handelt; nicht um Dienst-nach-Vorschrift-Massenware.

Dass sich die vielen Ideen so organisch ins Spiel einfügen, hat vor allem mit einer Regel zu tun, erklärte Asobi-Studioleiter Nicolas Doucet gegenüber heise online: Bevor eine Idee vollständig ausgearbeitet werden, wird ein spielbarer "Dummy" erstellt – und nur, wenn sich die Idee in der Praxis gut "anfühlt" und vor allem gut spielt, werden Grafiken, Animationen und Sounds dafür erstellt.

Astro Bot (5 Bilder)

Screenshots können nicht vermitteln, wie lebendig sich im Level "Bot of War" die Elemente bewegen.
(Bild: heise online, jpw)

Schon in den ersten Stunden sind die Fähigkeiten unheimlich motivierend aufs Leveldesign abgestimmt. Die Gorilla-Greifarme aus dem Vorgänger beispielsweise lassen sich nun freier zur Erkundung einsetzen, um versteckte Höhlen am Rande einer Klippe aufzuspüren. Einfach die Triggertasten durchdrücken und schon schnellen sie gen Himmel. Wer gründlich sucht, findet am Rande der Levels auch Portale zu geheimen Planeten einer "verlorenen Galaxie".

Selbst die kniffligen Herausforderungs-Levels, in denen man auf einer Kugel balanciert, bieten einen Feinschliff, die man sonst nur von großen Mario-Titeln kennt: fordernd, aber nie unfair. Der Balanceakt über rotierende Stachelwalzen und poröse Glasflächen macht sofort süchtig. Ganz so ideenreich wie im VR-Vorgänger sind die Techniken aber nicht. Ohne VR-Brille können die Entwickler schließlich nicht den Eindruck erwecken, dass sich der PS5-Controller in den Händen in ein wahnwitziges Gadget verwandelt.

Zwischendurch entspannt man sich an der Absturzstelle in einer kleinen, offenen Wüstenwelt. Dort gibt es unter anderem versprengte Bots, einen Kapselautomaten und kleine Hardware-Referenzen an die Playstation-Geschichte zu entdecken. Auch Astro Bot selbst und seine geretteten Freunde werden zu Sony-Gaststars. In einem wunderschön inszenierten Eis-Level verwandelt sich der Held in den "Bot of War". Mit seiner praktischen Wurfaxt kann er gegnerische Plattformen oder ganze Brückenmechaniken vorübergehend einfrieren.

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Nicht nur die tosenden Wellen des eisigen Meeres sind in HDR ein echter Hingucker. Die ganze Welt ist hinreißend lebendig animiert – von der sanft wogenden Vegetation über tanzende Roboblumen bis zu feinen Spiegelungen, Licht- und Partikeleffekten. Kaum ein Spiel versprüht durchweg so viel gute Laune. Und das alles bei stets flüssigen 60 Bildern pro Sekunde: Nicht einmal der Hauch eines Rucklers ist uns bisher untergekommen; verwendet wird übrigens eine selbst entwickelte 3D-Engine, der Level-Editor basiert auf Autodesk Maya. Selbst das eigentlich hübsche "Astro's Playroom" wirkt im Vergleich plötzlich irgendwie matt und leblos. Nur "Ratchet & Clank: Rift Apart" bietet noch belebtere Städte.

Ein echtes Highlight ist auch, wie authentisch sich der Untergrund und Hindernisse beim Laufen "anfühlen". Ob Eis, Metall, kleine Zuckerdrops oder gewachste Äpfel: Jede Berührung wirkt dank feiner Dual-Sense-Haptikeffekte verblüffend echt. Die haptischen Trigger reagierten bisher aber mit weniger Gegendruck. Serienkenner könnten sich zudem daran stören, dass schon wieder einige der fröhlichen Soundtrack-Melodien aus den Vorgängern recycelt wurden. Auch viele Bosse sind alte Bekannte. Das Wiedersehen stört aber nicht wirklich, denn sie haben zum Teil neue Attacken zu bieten. Der große Oktopus zum Beispiel lässt sich mit ausfahrbaren Frosch-Boxhandschuhen zerlegen.

Falls das neue "Astro Bot" weiterhin so ein Feuerwerk abbrennt, hat Team Asobi also ein waschechtes Jump-n-Run-Meisterwerk geschaffen. Diesmal hatte Team Asobi offensichtlich auch mehr Zeit für den Feinschliff als beim etwas zu leichten "Astro's Playroom". Die Plattform-Action fühlt sich deutlich flüssiger an als in "Crash Bandicoot 4: It's About Time" oder in Max Mustard für VR. Nicht einmal der experimentierfreudige Nintendo-Klassiker "Super Mario Odyssey" bot direkt von Anfang an eine derart motivierende Balance. Auch der Umfang scheint diesmal zu stimmen: Waren wir beim Vorgänger schon nach etwa vier Stunden durch, standen wir diesmal nach der gleichen Zeit noch ziemlich am Anfang.

Für Virtual-Reality-Fans ist es allerdings ein Rückschlag, dass kein Modus für die Playstation VR 2 geplant ist. Im Gespräch betonte Asobi-Chef Doucet, dass er nicht an Hybrid-Titel glaubt: Ein Spiel kann nur wirklich gut sein, wenn es passgenau für ein Medium entwickelt wurde. Sprich: Ein VR-Spiel muss von vorneherein für VR konzipiert sein, also so wie der PSVR-Titel "Astro Bot: Rescue Mission" von 2018. Wer weiß: Vielleicht kommt irgendwann ja noch ein explizit für VR entwickeltes Astro-Bot-Spiel – man wird ja noch träumen dürfen.

"Astro Bot" erscheint am Freitag, 6. September 2024 für Playstation 5. Der Preis für die Standardedition beträgt 70 Euro.

  • [Update] Der Artikel wurde am 6. September um Aussagen von Team-Asobi-Studioleiter Nicolas Doucet ergänzt.

(jpw)