"Atlas Fallen" angespielt: So imposant wie lieblos

Das deutsche Entwicklungsstudio Deck 13 geht mit "Atlas Fallen" kein Risiko ein. Altbewährte Spielmechaniken treffen auf hammerharte Kämpfe im "Soulslike"-Stil.

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(Bild: Deck 13)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Andreas Müller
Inhaltsverzeichnis

Schöner, größer, aber auch besser? Deck 13 will nach ihren Achtungserfolgen "Lords of the Fallen" und den beiden "The Surge"-Spielen mit "Atlas Fallen" im Konzert der Großen mitmischen. Herausgekommen ist ein Open-World-Spiel, das alle Checklisten des Genres routiniert abhakt und so imposant wie lieblos ist.

Nichts ist mehr so wie früher in der Welt von Atlas. Von den Göttern, die einst über diese endlosen Sanddünen wandelten, existieren nur noch Erinnerungen. Überall finden sich Ruinen, durch die große und kleine Monster streunen und die Menschen haben sich in wenige Zufluchtsorte zurückgezogen. Unter ihnen taucht plötzlich eine Heldin auf, die durch ein geheimnisvolles Geistwesen in den Besitz des Gauntlets kommt, eines mächtigen Handschuhs. Mithilfe dieses Artefakts und ihrem unsichtbaren Begleiter macht sie sich auf, um die Rätsel der Vergangenheit zu lösen.

"Atlas Fallen" angespielt (5 Bilder)

Imposant, aber ideenlos: Deck 13 inszeniert ein imposantes Open-World-Spiel, dem es an Originalität mangelt. (Bild: heise online)

Deck 13 bedient sich ausgiebig bei großen Vorbildern: Das ruinenreiche Endzeit-Szenario erinnert an "Horizon: Zero Dawn", der geheimnisvolle Begleiter ist im Genre fast schon Pflicht, um die Taten des Helden zu kommentieren und das Missionsdesign ist mehr als bekannt: Gehe dorthin, plätte ein paar Monster; sammel ein paar Pflanzen oder bring mir dieses Artefakt. Es gibt ein paar Geschicklichkeitsprüfungen, bei denen die Spieler schnell von einem Ort zum anderen rennen. Außerdem werden Altare zerstört und Aussichtsplätze gesucht. Das Ganze geht auch online mit einem anderen Spieler. Wer einmal ein modernes Open-World-Spiel wie eines der letzten "Assassins Creed"-Spiele kennt, trifft hier auf Altbekanntes.

Selbst der Gauntlet, der als eine Art Multifunktionswerkzeug und Waffe erst wesentliche Spielelemente eröffnet, erinnert an Aloys Speer in den "Horizon"-Spielen. Was bleibt, ist die Möglichkeit, wie auf Schlittschuhen durch den Sand zu gleiten. Der Rest ist das gekonnte Aufbereiten bewährter Spielmechaniken, die wir schon von der großen Genre-Konkurrenz zur Genüge kennen.

Eine Tendenz im Open-World-Genre macht auch vor "Atlas Fallen" nicht halt: Komplexität forcieren, wo Originalität fehlt. Die zahlreichen Spielorte und die vielen Missionen gaukeln eine riesige, lebendige Welt vor, in der es aber nichts zu entdecken gibt. Anders als in "Horizon: Zero Dawn" oder "Red Dead Redemption 2" sind die Geschichten der Nebenmissionen nur ein Alibi, um die Spieler ins Abenteuer zu schicken. Schnell haben wir in den Anspielstunden diese Missionen einfach abgehakt, um an ein bisschen Geld und Rohstoffe zu kommen. Dazu müssen wir uns von einem Menu ins Nächste klicken, um Waffen zu wechseln, Fähigkeiten auszutauschen oder uns Nachrichten durchzulesen. Kann es nicht ein wenig einfacher sein?

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Gleiches gilt auch für das Kampfsystem. In Spielen wie "Dark Souls" reichten ein Mix aus wenigen Schlagtechniken und Ausweichen oder Parieren, um für spannende und herausfordernde Kämpfe zu sorgen. In "Atlas Fallen" gibt es mit dem Gauntlet, einem Beil oder einer Kettenwaffe zwar nur wenige Hauptwaffen, aber die haben es in sich. Deck 13 spendiert jeder der Waffen bis zur Mitte des Spiels acht bis neun Schlagkombinationen. Unzählige Fähigkeiten, hier Essenzsteine genannt, können in mehreren Stufen mit den Angriffen kombiniert und mit den entsprechenden Rohstoffen verbessert werden. Zusätzlich generiert jeder Schlag ein sogenanntes Momentum, das einige Schlagtechniken erst ermöglicht.

Ein Überblick über die verschiedenen Kampftechniken fällt schwer. Nötig sind sie aber trotzdem. Meist geht es in den Kämpfen gegen größere Gegner, die noch ein paar Helfer beschwören. Oft greifen sie gleichzeitig aus der Luft und vom Boden an. Gegner müssen gekontert oder mit speziellen Angriffen verlangsamt werden. Manche Gegner bieten verschiedene Trefferzonen an, die gezielt attackiert werden können. Selbst auf dem mittleren von drei Schwierigkeitsgraden wird der Kampf in der Horizontalen und in der Vertikalen zu einer großen Herausforderung, der an die "Soulslike"-Spiele erinnert. Wer hier nur ein paar Schlagkombos beherrscht, kommt nicht weit.

Oft hätten wir uns in den Anspielstunden gewünscht, dass in die Story und die Welt genauso viel Arbeit eingeflossen wäre, wie in das hochkomplexe Kampfsystem. Stattdessen ist die Heldin oder wahlweise der Held vollkommen austauschbar und die Story bewegt sich kaum voran. Die Missionen sind zwar herausfordernd, aber wenig originell und außer weiteren Ungeheuern gibt es in Atlas wenig zu entdecken. Das sieht zwar alles hervorragend aus und ist hochklassig synchronisiert, lässt aber die Spannung und den Wow-Effekt vermissen, der in anderen Blockbustern vom altbekannten Spielprinzip abgelenkt hat.

"Atlas Fallen" von Deck 13 ist herausfordernd, imposant anzuschauen, aber ideenlos und unnötig komplex. Tüftler wird es freuen, wenn sie sich stundenlang mit den Kampftechniken auseinandersetzen können, Neueinsteiger stehen aber vor einer riesigen Hürde. Routiniert hakt Deck 13 alle erfolgserprobten Spielelemente der Konkurrenz ab, aber findet nur selten einen eigenen Weg. Die reibungslose technische Umsetzung und die visuelle Wucht dieser Open-World-Action verdient Respekt, zumal es aus Deutschland bisher kaum etwas Vergleichbareres gab, das zumindest technisch den Begriff "Triple-A" verdient hat. Wer sich aber außerhalb der herausfordernden Kämpfe in einer großen lebendigen Open-World verlieren will, darf neidisch auf die großen Vorbilder zurückblicken.

"Atlas Fallen" erscheint am 10. August für Windows, PS5 und Xbox Series. USK ab 12. Es kostet ca. 60 €. Für unser Angespielt haben wir ein paar Stunden auf der PS5 gespielt.

(dahe)