"Dying Light 2" angespielt: Verbissen auf dem Holzweg
Ăśberladen und ĂĽberambitioniert: Techland verliert sich mit "Dying Light 2: Stay Human" in den unendlichen Weiten des Open-World-Genres.
Techland schuf mit "Dying Light" einen kleinen, aber berüchtigten Überraschungshit: Dystopische Parkour-Action mit Zombies, die in Deutschland kein USK-Siegel bekam. Wenn Techland mit "Dying Light 2: Stay Human" genau da weiter gemacht hätte, könnten wir uns auf ein spannendes Abenteuer freuen. Aber das polnische Entwicklungsstudio will zu viel.
Für Aufsehen haben die Entwickler mit ihrer Aussage gesorgt, es dauere 500 Stunden, um "Dying Light 2" durchzuspielen. Es ist kein gutes Zeichen, wenn ich schon nach rund 20 Stunden das Gamepad weglegen will, weil mich "Dying Light 2" nervt. Es liegt nicht an der Grafik, dem bedrückenden Szenario oder kleineren technischen Mängeln, sondern am Overkill an Nebenaufgaben, den plumpen Kämpfen, den langweiligen Schleichaufgaben und den einfältigen Gegnern. Und an den verhunzten Jump'n'Run-Elementen in Egoperspektive. Wenn dieses Zombie-Abenteuer nämlich schwer wird, liegt es an der mangelnden Übersicht, die mich das ein oder andere Mal vom Hochhaus ins Verderben stürzen lässt.
Zombie-Action ohne Biss
Um davon abzulenken, übertreibt es Techland mit ausufernden Spielelementen: Da erteilen zahlreiche NPCs mehr oder weniger interessante Aufgaben: Windräder erklimmen, um Sicherheitszonen freizuschalten. Banditennester ausschalten. Nachts auf die Jagd in einsamen Häusern gehen und vermeintlich übermächtige Gegner ausschalten. Man kennt das nur zu gut.
"Dying Light 2" angespielt (5 Bilder)
(Bild: heise online)
Ein spannender Twist: Nur Zonen mit UV-Lichtern bieten in der Nacht Schutz vor den grausigen Monstern und vor mir selbst – fieserweise verwandelt sich mein Spielcharakter nach einer gewissen Zeit in der Dunkelheit nämlich auch zum Monster. Nur durch Medikamente oder eben durch das UV-Licht wird die Verwandlung aufgehalten.
Der Lohn für die Aufgaben sind Rohstoffe, mit denen die Ausrüstung verbessert wird. Dazu müssen aber beim Händler zuerst etwas umständlich Baupläne gekauft werden. Warum ich später kaputte Waffen nicht einfach reparieren kann, bleibt das Geheimnis der Entwickler. Im Fertigkeitenbaum gibt es die Wahl zwischen Kampf- und Parkourfähigkeiten, mit denen Schläge geblockt werden oder besonders weite Sprünge gelingen. Das sieht zwar komplex aus, bietet aber bis auf wenige Ausnahmen kaum einen spielerischen Mehrwert.
Unausgereifte Umsetzung
Auf den ersten Blick sieht das nach einer prall gefüllten Spielerfahrung aus. Doch schnell entpuppt sich das Überangebot an Aufträgen als lauwarmer Genre-Aufguss, den Spieler und Spielerinnen schon weitaus besser in "Assassin's Creed" oder "Horizon: Zero Dawn" gesehen haben. Die Kämpfe laufen auf simples Zuschlagen, Ausweichen und Blocken hinaus. Ein paar Waffen-Upgrades wie Stromschlag oder Feuer gibt es gleich zu Beginn und helfen dabei, selbst eine Horde von Gegnern plattzumachen. Später wird ein simpler Bogen zu einer übermächtigen Waffe, die selbst große Feinde mit Leichtigkeit besiegt.
Kleinere Bosskämpfe sind zwar knackig, aber eintönig. Das Fraktionssystem erwies sich zumindest in den Anspielstunden als nutzlos. Zwar wechselt theoretisch der Einfluss der beiden Fraktionen aus Peacekeepern und Überlebenden, nachdem Gebiete eingenommen werden, doch in der Praxis gibt es kaum Unterschiede beim Verhalten oder den Missionsaufträgen.
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Da fehlt die Balance zwischen hochtrabenden Ambitionen, Spielelementen und Missionsdesign. "Stay Human" macht vor allem Spaß durch die Story, nicht durch die überladene Open-World. Die Geschichte von Hauptfigur Aiden, die auf der Suche nach seiner Schwester in die Fänge eines verrückten Wissenschaftlers gerät, steckt zwar voller Klischees, ist aber spannend und macht am Ende sogar etwas nachdenklich. Einige Spielentscheidungen führen zu alternativen Handlungsverläufen und zu unterschiedlichen Enden. Der Koop-Modus fehlte in der Test-Version. Wie er zur Story passt, muss abgewartet werden.
Zum Abschluss noch ein Wort zur Gewaltdarstellung: Wie schon beim Vorgänger verweigerte die USK eine Freigabe der ungeschnittenen Version. Dieser Text bezieht sich auf eine deutsche, geschnittene Test-Version. Zwar dürfen menschliche Gegner in Deutschland nicht zerstückelt werden, doch fliegen auch in dieser geschnittenen Version Zombie-Köpfe und -Gliedmaßen durch die Gegend. Zerstückelte Leichen gibt es ebenfalls reichlich zu sehen. Nur manchmal bleiben statt Leichen Päckchen mit Loot zurück. Das wirkt ein wenig willkürlich.
Techland teilte heise online auf Nachfrage mit, dass die Konsolenfassungen in Deutschland geschnitten erscheinen werden. Die digitale PC-Version soll dagegen erst einmal ungeschnitten verfügbar sein – im Gegensatz zur Test-Version, die heise online vorab spielen konnte. Falls das Spiel in Deutschland auf dem Index landen sollte, würde diese ungeschnittene Fassung aber durch die geschnittene ersetzt werden.
Zwischenfazit
Techland versucht mit "Dying Light: Stay Human" verbissen an den Erfolg anderer großer Open-World-Hits anzuknüpfen. In einem Wust aus vermeintlich erfolgversprechenden Genre-Mechaniken verliert es aber den Fokus aus den Augen. Statt spannender Zombie-Horror-Action mit Parkour-Einlagen verirrt sich das Studio in endlosen Nebenmissionen und unausgereiften Spielelementen. Von den meisten guten Ideen bleibt nur Stückwerk, das nur beinharte Open-World-Fans ausnutzen, die sich tatsächlich hunderte von Stunden in der bedrückenden Postapokalypse austoben wollen. Für den Rest der Spielwelt bleibt ein überambitioniertes Zombie-Abenteuer, bei dem weniger so viel mehr gewesen wäre.
"Dying Light 2: Stay Human" erscheint am 04. Februar für Windows, PS4/5, Xbox One/ Series. Es kostet ca. 70 €. USK ab 18 (geschnitten). Fur unser Angespielt haben die Story in der PC-Version komplett durchgespielt und einige Nebenmissionen erledigt.
(dahe)