Ein erster Blick auf Fedora 9

Mit Sulphur hat das Fedora-Projekt die Version 9 der Distribution veröffentlicht. Sie bringt eine Menge neuer und aktualisierter Software, darunter den aktuellen Linux-Kernel 2.6.25, GNOME 2.22, KDE 4.0.3 und die Beta-Version von OpenJDK.

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Lesezeit: 14 Min.
Von
  • Thorsten Leemhuis
Inhaltsverzeichnis
Fedora-Historie
VersionVorgestelltCodename
Fedora Core 111/2003Yarrow
Fedora Core 205/2004Tettnang
Fedora Core 311/2004Heidelberg
Fedora Core 406/2005Stentz
Fedora Core 503/2006Bordeaux
Fedora Core 610/2006Zod
Fedora 705/2007Moonshine
Fedora 811/2007Werewolf
Fedora 905/2008Sulphur

Zwei Wochen später als ursprünglich geplant hat das maßgeblich von Red Hat gesponserte und beeinflusste Fedora-Projekt die Sulphur (Schwefel) genannte Linux-Distribution Fedora 9 freigegeben. Es ist die zweite Version des von Red Hat als Community-Distribution konzipierten Fedora-Projekts, an dem die Community ernsthaft direkt mitarbeiten konnte. Herausgekommen ist dabei Fedora-typisch eine Distribution mit sehr aktuellen Software-Komponenten.

So setzt das Fedora-Projekt bei der neuen Ausgabe auf den vor knapp vier Wochen vorgestellten Linux-Kernel 2.6.25. Im Vergleich zu den anderen großen Distributionen finden sich nur wenige Patches in den Quellen für den Standard-Fedora-Kernel; den größten Umfang hat ein Patch, der die WLAN-Treiber und das WLAN-Subsystem ungefähr auf den Level hebt, den auch der in Vorbereitung befindliche Kernel 2.6.26 mitbringen wird. Im Kernel aktiviert haben die Entwickler bereits das zu Test- und Entwicklungszwecken integrierte Ext4-Dateisystem; auch der Installer unterstützt den Ext3-Nachfolger bereits, wenn man ihm einen speziellen Parameter übergibt.

Der Kernel für Xen setzt nun auf die generische und mit Linux 2.6.20 eingeführte Hypervisor-Schnittstelle paravirt_ops. Dadurch konnten die Entwickler auf den in früheren Fedora-Versionen auf Linux 2.6.21 aufsetzenden Xen-Kernel verzichten und durch den Wechsel auf 2.6.25 die Hardware-Unterstützung verbessern. Der Xen-Kernel eignet sich nun allerdings nur zum Betrieb als Gastsystem unter einem Xen-Host; frühere Fedora-Versionen konnten auch als Xen-Wirtssystem arbeiten. Die Unterstützung für den Xen-Host-Betrieb war ursprünglich geplant, wurde aber nicht rechtzeitig fertig und steht jetzt auf der Roadmap für Fedora 10. Möglicherweise liefern die Entwickler die Unterstützung für den Xen-Host-Betrieb auch als Update nach. Paravirtualisierte Xen-Gäste lassen sich allerdings mit Xenner unter KVM starten, so man denn eine CPU mit Virtualisierungsunterstützung sein eigen nennt.

Als Standard-C-Bibliothek liegt die Glibc in der Version 2.8 bei – die zu einem großen Teil bei Red Hat beschäftigten Glibc-Macher entwickeln die C-Library im Rahmen von Fedora weiter und veröffentlichen üblicherweise kurz vor der Einführung einer neuen Fedora-Version auch eine neue Glibc. Beim Compiler überspringt das Fedora-Projekt die GNU Compiler Collection 4.2 und schwenkt von GCC 4.1 bei Fedora 8 direkt auf die GCC-Version 4.3 um, die zahlreiche Optimierungen mitbringt.

Einer der für den X-Server bei Fedora zuständige Programmierer betreut auch die Veröffentlichung der X.org-Version 7.4 und wollte beide eigentlich fast gleichzeitig freigeben – aus dem neuen X.org-Release wurde aber bislang nichts, sodass Fedora 9 nun eine Vorabversion von X.org 7.4 sowie des für diese Version vorgesehenen X-Servers 1.5 enthält. In der neuen Version wurden unter anderem die Startzeit optimiert und die dynamische Einbindung von Eingabegeräten zur Laufzeit verbessert.

Zudem optimierten die Entwickler die Startgeschwindigkeit und die Ansteuerung von PCI/PCIe-Devices. Das erfordert Änderungen an den Grafiktreibern, die die Entwickler bei den gängigen Open-Source-Treibern von X.org gleich mit vornahmen. AMD und Nvidia sind bei ihren proprietären Grafiktreibern allerdings noch nicht so weit, sodass die beiden Treiberpakete bislang nicht unter Fedora 9 arbeiten. Einzig eine Beta-Version des Nvidia-Treibers lässt sich mit einem Trick zur eingeschränkten Mitarbeit überreden.

Für Radeon-Grafikkarten installiert Fedora das X-Treiberpaket ati mit dem Treiber radeon, der nicht nur die älteren Radeon-Chips, sondern auch die aktuellen Serien X1000, HD 2000 und HD 3000 sowie einige der neueren Grafikchipsätze von AMD ansteuert; 3D-Beschleunigung gelingt mit den neuesten Radeon-Grafikkernen allerdings nicht. Der Alternativ-Treiber radeonhd für die drei neusten Radeon-GPU-Generationen steht zum Nachinstallieren über die Online-Paket-Depots von Fedora zur Verfügung. Zu Testzwecken integrierten die Fedora-Entwickler zudem Kernel- und X-Patches, mit denen der Linux-Kernel die Einstellung des Grafikmodus regelt. Dadurch soll etwa der Bildschirm beim Umschalten zwischen X-Server und Text-Konsole nicht mehr flackern; das Umschalten soll zudem flotter erfolgen. Das ganze klappt bei Fedora aber bislang nur mit neuerer Intel-Grafikhardware.

Den bei der Standard-Installation aufgespielten Gnome-Desktop liefert Fedora 9 in der aktuellen Version 2.22.1 mit. Bei KDE setzt das Fedora-Projekt auf die Version 4.0.3 – ein Update auf die kürzlich freigegebene Version 4.0.4 wurde bereits vorbereitet und soll nach einer Testphase nachgeliefert werden (siehe auch Neues in KDE 4.0). Von KDE 3.5 liegen nur einige wenige Komponenten bei, für die es noch keine zuverlässigen KDE4-Varianten gibt. Xfce 4.4.2 und einige andere Desktop-Oberflächen sind nicht auf dem regulären Installationsmedien enthalten; man kann sie aber während oder nach Abschluss der Installation aus den Online-Paket-Depots nachinstallieren.

3D-Effekte lassen sich auf Mausklick aktivieren.

Standard-Browser ist eine Beta-Version von Firefox 3; die weiteren geplanten Vorabversionen und das finale Release des Browser will das Fedora-Projekt als Update bereitstellen. Im Testbetrieb lief die Firefox-Beta ebenso zuverlässig wie ein Firefox 2. So manche Firefox-Extension ist für für 3er-Serie allerdings noch nicht verfügbar, was einige Anwender wohl vor Probleme stellen dürfte. Firefox greift zur Rechtschreibprüfung nun genau wie OpenOffice und zahlreiche andere Anwendungen auf Hunspell zurück – das manuelle Nachinstallieren und Pflegen von Wörterbrüchern im Browser entfällt so. Zudem steckt die Rendering-Engine von Firefox nun unabhängig vom Browser im Paket XULRunner, auf das neben Firefox auch zahlreiche andere Anwendungen zurückgreifen.

Aus der Vielzahl der Neuerungen waren die bislang genannten nur die sprichwörtliche Spitze des Eisbergs. So wollen die Entwickler erneut die Bluetooth-Unterstützung in GNOME verbessert haben. PulseAudio aktualisierten die Entwickler, was einige der anfänglichen Schwierigkeiten des mit Fedora 8 eingeführten Sound-Servers beseitigen soll. OpenOffice wurde in Version 2.4 Beta integriert. Als Anmeldemanager kommt GDM in einer stark überarbeiteten Version zum Einsatz und über ein neues, auf die RandR-Extension aufsetzende Programm lassen sich Bildschirme zur Laufzeit konfigurieren.

Der Installer unterstützt nun zudem das Verschlüsseln und Verkleinern von Partitionen. Auch am NetworkManager feilten die Fedora-Entwickler wieder fleißig und erweiterten ihn unter anderem um Ad-hoc- und PPP-Unterstützung – letzteres ist unter anderem für GSM/CDMA-Karten interessant. Nach einer Installation kümmert sich der bislang optionale NetworkManager nun standardmäßig um die Verwaltung aller Netzwerkgeräte.

Zur Paketverwaltung kommt weiterhin Yum zum Einsatz – das Update-Applet Pup und das Paket-Installationsprogramm Pirut wurden jedoch von den zu PackageKit gehörenden Anwendungen ersetzt, die wie ihre Vorgänger auf Yum zurückgreifen. Das Paketverwaltungs-Werkzeug spielt bei x86-64-Systemen auf Wunsch nun nur noch 32-Bit-Pakete ein, wenn es dazu einen Grund gibt.

Die neue Fedora-Version nutzt erstmals Upstart zur System-Initialisierung – den bei früheren Fedora-Versionen bereits recht langsamen Systemstart hat das aber auch nicht sonderlich beschleunigt. Zum Abspielen von Flash installiert Fedora 9 automatisch swfdec, das auf das GStreamer-Backend zurückgreift; die Alternative gnash liegt ebenfalls bei, der proprietäre Flash-Player von Adobe fehlt wie üblich. Nachdem Fedora 8 die experimentelle Java-Laufzeitumgebung IcedTea mitbrachte, haben die Fedora-Entwickler nun eine Beta-Version von OpenJDK inklusive eines Java-Plugins für den Webbrowser integriert.

Ein Upgrade von einer älteren Fedora-Version auf die jetzt vorgestellte muss man nun nicht mehr wie früher mit den Installationsmedien durchführen. Stattdessen soll PreUpgrade nur die nötigen Pakete herunterladen und alle Systemvorbereitungen treffen, bevor nach einem Reboot die aktualisierten Pakete eingespielt werden. Erfahrene Anwender können das Update auch zur Laufzeit mit yum einspielen; das Fedora-Wiki liefert dazu einige Hinweise.

Das mit Fedora 8 eingeführte Programm Codeina zum Nachinstallieren der von Fluendo teils kostenlos, teils für einige Dollar angebotenen Multimedia-Codecs wurde nach längeren Debatten noch in der Distribution gelassen. Eigentlich hatte sich die Projekt-Leitung nach der Kritik schon dazu entschlossen, das Programm zu entfernen, dann die Entscheidung aber erneut überdacht; in den kommenden Monaten will das Fedora Board darüber diskutieren, ob ein Programm, das proprietäre Software nachinstalliert, im Rahmen des normalerweise strikt auf Open-Source-Software setzenden Fedora akzeptabel ist.

Die mit Fedora vertrauten Anwender dürften dem Codec Buddy allerdings kaum Beachtung schenken – mit ATrpms, Freshrpms und rpm.livna.org gibt es RPM-Depots für Fedora, die die für die Wiedergabe von gängigen Audio- und Video-Formaten benötige Software zur einfachen Installation über den Paketmanager vorhalten.

Für Installation und Update bietet Fedora eine DVD, sechs CDs oder den Netzwerk-Installer als kostenlos herunter ladbares ISO-Images an – der Netzwerk-Installer ist nun ein wenig größer als bei Fedora 8 und nicht mehr wie früher als Image für USB-Sticks erhältlich. Zudem lassen sich die Installationsmedien nun auch mit Jigdo runterladen.

Neben den klassischen Installationsmedien gibt zahlreiche verschiedener Live-CDs und DVDs, darunter je eine mit GNOME- und KDE-Desktop. Diese eigenen sich auch zur Installation auf die Festplatte, wie man es von den Ubuntu-Live-Medien her kennt. Die Live-Medien lassen sich mit einem Skript zudem auch auf USB-Sticks übertragen. Dank Live Persistence soll ein von USB-Stick gestartetes Fedora nun auch Daten vorhalten können, sodass man eine komplette Arbeitsumgebung inklusive Daten auf einem USB-Stick mit sich herum tragen kann.

Wie seit Fedora 7 üblichen lassen sich mit der neuen Fedora-Version relativ einfach eigene Distributionen oder Live-Medien mit einer Auswahl der in den Fedora-Depots bereitgestellten Software zusammenstellen. Neben den bereits erwähnten "offiziellen" GNOME- und KDE-Live-CDs bietet Fedora noch zahlreiche weitere dieser Spins genannten Zusammenstellungen an: Fedora XFCE Spin (CD), Fedora Games Spin (DVD), Fedora Developer Spin (DVD) und Fedora Electronics Lab (CD). Zudem finden sich im Web noch weitere von Anwendern erstellte Spins , etwa einen Spin mit deutschem KDE.

Einige von früheren Fedora-Versionen bekannte negative und positive Eigenschaften der Distribution zeigen sich auch bei der neunten Version. So finden sich in den Online-Depots bereits zur Veröffentlichung der Distribution rund hundert Updates – wie bei früheren Fedora-Versionen dürfte dies erst der Anfang von tausenden von aktualisierten Paketen in den kommenden 13 Monaten sein, bis das Projekt die Wartung von Fedora 9 einstellt. Eine Breitband-Internet-Anbindung ist für Fedora-Anwender daher ratsam.

Fedora 9 bringt den Firefox 3 als Standard-Browser mit.

Anders als bei anderen Distributionen schließen die Updates nicht nur Sicherheitslücken der in Fedora enthaltenen Software, sondern liefern auch neue Versionen der Programme. Selbst bei so zentralen Software-Paketen wie dem Linux-Kernel liefert das Fedora-Projekt ab und an aktualisierte Versionen als Update aus, ohne dass Sicherheitslücken geschlossen werden müssten. So wird Fedora 9 vermutlich noch die nächsten drei oder vier Kernel erhalten, ähnlich wie Fedora 8 mit 2.6.23 startete, zwischenzeitlich 2.6.24 erhielt und vermutlich auch 2.6.25 und 2.6.26 als Update bekommen wird. Durch die vielen im Linux-Kernel enthaltenen und weiterentwickelten Treiber verbessert sich so auch die Hardware-Unterstützung der Distribution stetig, während man bei anderen Distributionen für neue Treiber meist bis zur nächsten Version warten muss. Damit der Anwender bei einem Kernel-Problem nicht mit einem bootunfähigen System da steht, bleibt bei Updates der jeweils laufende Kernel immer parallel installiert.

Wie bei Fedora üblich fehlen proprietäre Programme wie RealPlayer, Adobe Reader oder Flash-Player; letzteren kann man direkt von Adobe über ein Yum-kompatibles Paket-Depot beziehen. Die einzige Nicht-Open-Source-Software in Fedora sind Firmware-Dateien, die unter anderem einige WLAN-Karten benötigen. Das Projekt lässt diese in der Distribution nur zu, weil nicht die Host-CPU, sondern die WLAN-Hardware selbst die Firmware ausführt.

Weitere Informationen:

Bezugsquellen:

* Mithilfe von IP-Lokalisation

Wie bei anderen im Halbjahresrhythmus entwickelten Linux-Distributionen bringt die neue Fedora-Version eine Vielzahl evolutionärer Verbesserungen. Bei einer Neuinstallation von Fedora ist die neunte Version daher ab sofort die erste Wahl. Viele Fedora-Anwender dürfte auch ein Update auf die neue Version locken – davon sollten aber insbesondere diejenigen Anwender erst einmal absehen, die auf die proprietären AMD- und Nvidia-Treiber wert legen.

Fedora ist ohnehin nicht so einsteigerfreundlich wie manch andere Linux-Distributionen – das ist der Tribut für die selbst auferlegte Beschränkung auf Open-Source-Software und eine sehr vorsichtige Herangehensweise bei patent- und lizenzrechtlicher geschützte Software. Dafür verspricht Fedora hohe Aktualität durch die brandneuen Programmversionen in den Fedora-Paket-Depots, die die Projekt-Betreuer während des Supportzeitraums der Distribution stetig aktualisieren und sogar um neue Software erweitern. Durch neue Kernel-Versionen mit all ihren neuen Funktionen und Treibern verbessert sich auch die Hardware-Unterstützung gerade für neue oder erst in den kommenden Monaten vorgestellte Hardware bei Fedora permanent – bei anderen Distributionen muss man häufig auf das nächste Upgrade warten oder selbst den Compiler anwerfen. (thl]) (thl)