FIFA 20 angespielt: Spielt lieber auf der Straße!

Der in FIFA 20 neue Volta-Modus schickt Spieler in die Halle und den Fußballkäfig. Das ist überraschend spaßig – und offenbart gleichzeitig FIFAs Problemzonen.

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FIFA 20 angespielt: Spielt lieber auf der Straße!

(Bild: heise online)

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Inhaltsverzeichnis

So ein 0:0 ist auch in FIFA 20 wieder eine freudlose Angelegenheit. Die Spielereihe von EA braucht traditionell ein Dauerfeuer an Torraumszenen, um Spaß zu machen. Von der präzisen Dribbel-Kontrolle und den gefühlvollen Pässen des Konkurrenten Pro Evolution Soccer (PES) ist auch die neue FIFA-Version so weit entfernt wie der Hamburger SV von der Meisterschale. FIFA lebt eben von Konter, Gegenkonter und Gegengegenkonter, am besten nur kurz unterbrochen vom Anstoß, der sich nach dem Torerfolg nun mal nicht vermeiden lässt.

Genau deswegen ist Volta, im weitesten Sinne eine Straßenfußball-Modus mit kleineren Plätzen und Teams, so eine passende Ergänzung für FIFA 20: Es geht permanent rauf und runter, ohne Unterbrechungen, ohne Mittelfeldgeplänkel. Im Grunde ist das FIFA in Reinform. Beim Anspielen von FIFA 20 machte Volta deshalb mehr Spaß als der seit Jahren stagnierende Rasenfußball.

Über 20 Jahre ist es her, dass man in einem FIFA in der Halle spielen durfte. Veteranen fühlen sich in die späten Neunziger zurückversetzt, als im legendären FIFA 98 Jürgen Klinsmann und Andy Möller die Gegner in der Halle so lange beharkten, bis eine der beiden Mannschaften wegen zu vieler Platzverweise disqualifiziert wurde (Wolf-Dieter Poschmann: "Es sieht so aus, als wollte er ihn in Stücke reißen!"). Im Volta-Modus von FIFA 20 gibt es im Gegensatz zu FIFA 98 zwar weder Blutgrätsche noch Schiedsrichter. Dafür bietet FIFA jede Menge Skills: Das üppige Repertoire an fantastischen Spezialbewegungen aus dem Hauptspiel wirkt in Volta deutlich angemessener als auf dem Rasen.

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Volta setzt auf dieselben Spielmechaniken, die man auch im Standardmodus auf dem großen Rasenplatz findet, auf dem kleineren Feld muten sie aber frischer an. Es gibt mehrere Varianten von Volta-Fußball: Teams bestehen aus drei bis fünf Kickern, Torhüter und Banden sind optional, Schauplätze sind Hallen, Käfige und Warenlager. Am meisten Spaß macht der Futsal-Modus, ein Kompromiss aus Straßenfußball und Großfeld: Hier kann man besser kombinieren, außerdem wirken hochseriöse Strategen wie Toni Kroos auf dem größeren Hallenplatz etwas weniger deplatziert als saltoschlagend im Neon-Fußballkäfig.

Alle Volta-Modi spielen sich schneller und damit kurzweiliger als die Rasenpartien, bringen aber auch erwartbaren Ballast mit. Die Schauplätze sind abwechslungsreich und teilweise wirklich schön anzuschauen, lassen aber Zeit- und Wettereinstellungen sowie verschiedene Kameraperspektiven vermissen. Bei der Spielvariante ohne Torhüter fällt sofort auf, dass die Mitspieler-KI nicht gut darin ist, den Kasten abzudecken. Buden fallen also wirklich im Sekundentakt, was zumindest eine Weile lang unterhaltsam ist. Spielt man die Variante mit Torwart ist es dagegen zu schwierig, freistehend an deren Pranken vorbei ins kleinere Netz zu ballern. Hier sollte EA noch feintunen.

Neben dem Volta-Anstoßmodus hat EA auch an einer Story-Kampagne mit Straßenfußball-Hintergrund gearbeitet, die dem auserzählten "The Journey"-Modus nachfolgt. In der Karriere werden die verschiedenen Volta-Spielvarianten durchexerziert, während sich der Protagonist durch eine Geschichte um eine ambitionierte Straßenmannschaft spielt. Das macht anfangs einen ordentlichen Eindruck, auch wenn das Thema "Ego gegen Teamgeist" nicht ganz frisch ist.

Lobenswert ist, dass EA sich für die Erzählung bekannte Straßenfußballer und Freestyle-Größen ins Boot geholt hat, die sich in der Geschichte selbst darstellen. Die Spielfigur wird außerdem im Verlauf der Erzählung stärker und schaltet neue Ausrüstung frei, was anhaltend motivieren soll. Am besten geeignet ist Volta aber für den schnellen Kick, wenn der Kumpel zu Besuch kommt. Hirn abschalten, lostricksen, Spaß haben: Das kriegt Volta besser hin als der Kick auf dem Großfeld.

Bei aller Freude über den gelungenen Volta-Teil: Dass ein zusammengeschusterter Sekundärmodus gleich auf Anhieb mehr Freude bereitet als der eigentliche Kern des Spiels, ist kein gutes Zeichen für die FIFA-Reihe. Der Karriere- und der wie immer mit Mikrotransaktionen vollgestopfte Ultimate-Team-Modus sind ja nach wie vor das eigentliche Rückgrat dieses Fußball-Videospiels, und beide werden auf dem Grünen ausgetragen.

Dort hat sich nicht viel getan: Spieler schlittern immer noch wie auf unsichtbaren Hoverboards über das Spielfeld, Pass- und Schussphysik sorgen oft für fragwürdige Ergebnisse, die Mitspieler-KI wirkt desinteressiert. Diese Defizite sind beim rasanten Volta verschmerzbar, beim 11-gegen-11 mit Realitätsanspruch spürt man sie in jeder Sekunde. Taktische Tiefe und authentischen Spielfluss bekommt man bei FIFA nicht.

FIFA 20 angespielt (5 Bilder)

EA hat sich Mühe gegeben: Die Schauplätze von Volta sind teilweise wirklich sehr hübsch anzusehen, die Auswahl ist ebenfalls ordentlich. Schade nur, dass es nur eine Kameraperspektive gibt.
(Bild: heise online)

Verbessert wurde im Vergleich zum Vorjahr immerhin die Abwehrarbeit, die nun besseres Positionsspiel fordert – wegen der glitschigen Spielerkontrolle geht das aber häufig daneben. Ein neues Freistoß-System, bei dem man mit Fadenkreuz zielt und dem Ball mit dem rechten Stick Spin verleiht, gibt dem Spieler mehr Kontrolle über Standards. Es sind kleine Gameplay-Änderungen, wie man sie jedes Jahr von FIFA aufgetischt bekommt.

Über Zweifel an der Präsentation ist FIFA 20 erhaben: Stadiongesänge, Scoreboards und Kommentatoren verweisen den Konkurrenten PES in die Regionalliga und schaffen Top-Atmosphäre. Die Lizenzen sind wie üblich umfassend, nur Juventus Turin hat in FIFA 20 wegen eines Exklusivdeals mit PES einen Fantasienamen. Mit der Champions League, Volta und Detailänderungen beim Karrieremodus ist FIFA 20 noch umfangreicher als die ohnehin schon vollgepackten Ausgaben der Vorjahre. Das reicht, um PES auf Distanz zu halten, mit mehr Fokus auf das Gameplay wäre aber mehr drin gewesen.

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FIFA 20 hat mit Volta einen neuen Modus, der mehr Spaß bereitet als das eigentliche Kernfußballspiel. Das ist einerseits ein Grund zur Freude, andererseits auch besorgniserregend. Seit Jahren baut EA tolle neue Inhalte um ein wackeliges Grundgerüst. Um das Gameplay grundlegend zu sanieren, fehlt EA auch in FIFA 20 der Mut – oder vielleicht auch einfach die Notwendigkeit. Solange FIFA Lizenzen, Stadionatmosphäre und Spielmodi auf seiner Seite hat, wird Konamis PES nämlich sowieso nicht gefährlich.

FIFA 20 ist ab dem 27. September für PC, Xbox One und PS4 verfügbar. Die Switch-Version ist eingeschränkt und hat keinen Volta-Spielmodus. USK ab 0. Für unser Angespielt haben wir einige Stunden die PS4-Fassung gespielt. (dahe)