zurück zum Artikel

Im Stand überholt: E-Auto Smart EQ fortwo im Test

Clemens Gleich
Smart Fortwo EQ

Den Smart wird es auch in elektrischer Form nicht mehr lange geben. Lohnt es sich, eines der letzten Modelle zu ergattern?

(Bild: Clemens Gleich)

Den Smart fortwo gibt es bald nicht mehr, und ein Erfolg war er nie. Wir sehen uns den elektrischen Smart an für eine Abverkaufsberatung. tl;dr: eher nicht

Ich würde hier gern eine Ode an das Kleinstfahrzeug schreiben, denn ich singe gern das leise Lied des ausreichend großen Autos. Leider zeigt auch der letzte europäisch konstruierte Smart die Dysfunktionalität des Daimler-Konzepts "kleines Auto, nicht so kleiner Preis".

Wo soll ich anfangen? Am besten mit einer Abbitte an die wenigen verbliebenen Smart-Fans: Dieses Auto ist nicht schlecht per se. Es wird Einsatzgebiete geben, in denen ein Smart EQ fortwo das beste mögliche Fahrzeug ist. Es fällt mir zwar hier vor dem Gefährt sitzend keines ein, aber ich lade Sie herzlich dazu ein, Ihre Einsatzspektren per Mail zu schicken oder im Forum zu diskutieren. Das Problem ist nicht, dass das Auto absolut schlecht wäre. Das Problem ist, dass das Auto relativ schlecht wirkt, weil die Konkurrenz außenherum sich stark verbessert hat, während der Antrieb des Smart stehen blieb. "Ach", denke ich mir bei jeder schick erneuerten LED, "hättet ihr diese Ressourcen mal in ein grundlegendes Update des Antriebs gesteckt".

Wer die vorigen Generationen elektrisch angetriebener Smarties fuhr, kennt diesen Antrieb. Es kam ein abstandsabhängiger Rekuperierer dazu, der keine große Hilfe ist. Wer auf Alleinfahrt ohne Vorausfahrende die elektrische Bremse per Fahrpedal benutzen will, kann das nur tun, indem er für jede Fahrt neu auf "Eco" drückt, denn das Auto schaltet den Modus bei jedem Start wieder aus. Rekuperation [1] per Bremspedal zu initiieren funktioniert sehr grob. Es fühlt sich an, als verwende das Auto nicht mehr als den Bremslichtschalter zur Aktivierung der Bremsenergierückgewinnung. Kein Vergleich selbst zur ersten Generation Renault Zoe. Kurz: Der Antrieb ist so, wie er damals war, und damals war er schon nicht der effizienteste.

Smart EQ fortwo (0 Bilder) [2]

[3]

Das Resultat: für die Fahrzeuggröße erstaunlich hohe Verbräuche. Bei herbstlichen 6° C kommt der Wagen im gemächlichen Landstraßenbetrieb selbst intern netto kaum unter 20 kWh / 100 km. Brutto bezahlen muss der Fahrer nach meinen Messungen ab Herbst 18,9 bis 25 kWh pro 100 km. Die Verluste mit Ladeziegel liegen je nach Temperatur bis 20 Prozent. Andere Hersteller schaffen es mit der halben Verlustleistung am Ziegel. Für Smart-Fahrer lohnt daher wahrscheinlich eine Wallbox, vor allem mit der Förderung ab November. Um 6° C herum liegt zudem eine steile Ineffizienz-Rampe. Bei einer Fahrt von 9° C (Start) bis 4° C (Ende) stieg bei konstant rund 100 km/h bei um die 6° C der Verbrauch sprunghaft von gut 17 kWh auf über 20 an.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier ein externer Preisvergleich (heise Preisvergleich) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (heise Preisvergleich) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung [4].

Heute morgen bin ich knapp 20 km bei 1° C gefahren. Ich maß 28,2 kWh Verbrauch brutto. Das Dashboard attestierte mir dafür noch einen "Eco-Score" von 90 Prozent. Wohl nicht ganz zu Unrecht, denn ich fuhr tatsächlich rund und sparsam, auf eine Art, bei der ich die Zoe (Test) [5] bei optimalen 17° C auf unter 11 kWh netto betrieb. Der Smart war einfach noch nie effizient, übrigens auch nicht bei den Verbrennern. Bei Kälte steigen Verbrauch und Ladeverluste steil an. Für den Elektrischen heißt das zumindest im Winterhalbjahr: Du kommst häufig keine 100 km weit und fährst dennoch teurer als mit viersitzigen Kleinwagen. Bei milderen Temperaturen fährt der Smart mit rund 15 kWh / 100 km interner Anzeige, was am Ladeziegel eben dennoch zu fast 19 kWh wird.

Da der Mensch die meisten Fahrten allein und leicht bepackt vornimmt, war die Ursprungsidee des Smart, die Kabine eben knackig klein zu gestalten. Gute Idee. Doch warum ausgerechnet eine auf den Menschen ohne großes Gepäck optimierte Kabine kaum durchdachte Ablagen hat, versteht wohl nur Daimler. Unter dem Radio kann man sich aussuchen, ob dort das Smartphone liegt oder der Getränkehalter. Der USB-Stecker liegt hinter dem Handbremshebel, wo es keine Ablagemöglichkeit gibt. Es gibt in den Türen und im Fußraum ein paar Netze. Das Handschuhfach ist so klein und mit einem Carsharing-Kartenleser belegt, dass praktisch nichts reinpasst. Dafür gibt es eine hübsche Ring-LED um den Getränkehalter. Wer trifft solche Entscheidungen?

Der Kofferraum war mir (in allen Generationen) groß genug, obwohl ein Wocheneinkauf für zwei Personen dort nicht hineinpasst, dazu musst du den Beifahrersitz hinzunehmen. Das Laderaum-Rollo hält unten per Netz Dinge davon ab, hinter die Sitze zu fallen. Das funktioniert natürlich nur so lange, wie das Rollo dranbleiben kann, denn es nimmt spürbar Platz weg. Wie bei vielen Dingen im Smart verstehe ich nicht, wieso es das Rollo überhaupt gibt. Ein Kofferraum, bei dem standardmäßig nicht alles hinter die Sitze fällt, wäre sowohl billiger als auch besser.

Dieses Thema zieht sich durchs gesamte Auto. Separate Kugel-Instrumente links vor dem Lenkrad, aber ein mistiges Infotainment-System in der Mitte, dessen Existenz nur durch Android Auto gerechtfertigt wird. Riesige Türen, die den Öffnungswinkel eines Supercars brauchen und beim Schließen am liebsten auf den Gurtstecker schlagen, der ihnen immer in den Weg fällt. Eine Zuladung wie ein Motorrad. Sinnbefreite Details aus dem "Premium"-Regal, während vernünftige Basics fehlen: Am Ende seines Lebens zeigt der Smart noch einmal überdeutlich, warum er nie erfolgreich war.

Der Smart fortwo wird nicht mehr produziert, das Modell wird insgesamt eingestellt. Künftige Smarts sollen ab Polo-Größe aufwärts (B-Segment) bei Geely in China gebaut werden, wo es hoffentlich genug Leute gibt, die wissen, wie das Verhältnis Kosten zu Nutzen bei kleinen Autos aussehen sollte. Dieser Test betrachtet also, ob es sich lohnt, einen Smart im Abverkauf zu ergattern. Das größte Plus des Smart: Es gibt ihn. Ansonsten fiele mir kein Grund ein, dieses Ding einem Upmiigo vorzuziehen. Doch diese tollen kleinen Autos [6] sind bis auf Weiteres ausverkauft.

Das Grundkonzept des Smart mit "kleine Kabine, kleine Batterie, 22-kW-Lader verfügbar" hat etwas. Die Umsetzung wie beschrieben hat das dann nicht mehr. Selbst der 22-kW-Lader ist nur nützlich bei Fahrten über 100 km, und die sind im Smart zwar möglich, aber wenig empfehlenswert. Ich habe es für Sie ausprobiert: Es ist wie damals in der ersten Generation der E-Autos. Ein Fehler, und du musst wirklich schwitzen, ob du wie geplant ankommst. Die Fehlermargen sind klein, und wenn du sie vergrößerst, wirst du lange unterwegs sein. Dagegen stehen 965 Euro Aufpreis für den Lader.

Smart EQ fortwo Details (18 Bilder) [7]

[8]
Sinnbild der schiefen Prioritäten: Ein analoges Sonderinstrument für Batterie und Antrieb hockt hinter dem Lenker. Dafür sind Tachoeinheit und Mittelkonsole nicht besonders nützlich.
(Bild: Clemens Gleich)

Wenn Sie also ein E-Zweitauto suchen, das um die 100 km weit fährt, schlage ich vor, auch an den ersten Nissan Leaf (Test) [9] zu denken, der gebraucht weniger kostet als der Smart neu mit allen Förderungen. Er ist als Kompakter größer, hat als Frontkratzer einen viel, viel größeren Wendekreis, ist aber in der Praxis ein gelungenes, angenehmes Auto, das trotz des Alters moderner wirkt als der aktuelle Smart EQ. Er verbraucht überland sogar weniger.

In der aktuellen Förderung kostet der Smart unter 10.000 Euro. Da werden die letzten Modelle wohl noch ihre Freunde finden. Stecken Sie ihr Einsatzgebiet ab und überlegen Sie gut, ob Sie alte Technik unter dem lieblosen Lack des Nutzlos-Blings zum Preis Ihres Händlers akzeptieren möchten. Selbst als Ballungsraum-Flitzer empfehle ich dringend, Strom am Stellplatz zu haben bei einem Kauf. Die Diskussion um das Smart-Konzept mit "hätte, hätte, Fahrradkette" wird im Forum sicher wieder aufflammen. Fest steht: Das Konzept wie von Daimler umgesetzt hat ökonomisch nie funktioniert. Warten wir, ob der Chinese die Marke rettet.

Der Smart EQ fortwo kostet ab 17.906,89 Euro brutto vor Förderung.

Hersteller Smart
Modell EQ fortwo
Motor und Antrieb
Motorart Fremderregter Synchronmotor
Boost-Leistung in kW (PS) 60 (82)
Drehmoment in Nm 160
Dauerleistung in kW (PS) 41 (56)
Antrieb Heckantrieb
Eckdaten
Radstand in mm 1873
Leergewicht in kg 1095
Zuladung in kg 215
Wendekreis in m 6,95
Akkukapazität netto in kWh 17,6
Max. Ladeleistung AC in kW 22
Standard-Ladeleistung AC in kW 4,6
Höchstgeschwindigkeit in km/h 130
Verbrauch
Testverbrauch in kWh / 100 km brutto 20 bis 28
Üblicher Verbrauch im Sommer circa 17
Verbrauch nach WLTP 16,5
Daten Stand Oktober 2020

(cgl [10])


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-4933202

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Bremsenergierueckgewinnung-und-ihr-Wirkungsgrad-4340576.html
[2] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4933514.html?back=4933202;back=4933202
[3] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4933514.html?back=4933202;back=4933202
[4] https://www.heise.de/Datenschutzerklaerung-der-Heise-Medien-GmbH-Co-KG-4860.html
[5] https://www.heise.de/autos/artikel/Fahrbericht-Renault-Zoe-R110-4118617.html
[6] https://www.heise.de/hintergrund/Seat-Mii-electric-Das-guenstigste-Elektro-Kleinauto-im-Test-4692424.html
[7] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4933531.html?back=4933202
[8] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4933531.html?back=4933202
[9] https://www.heise.de/autos/artikel/Weltmeister-reloaded-Unterwegs-im-Nissan-Leaf-30-kWh-3161134.html
[10] mailto:cgl@ct.de