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OpenSolaris 2008.11 im Test

| Dr. Oliver Diedrich

Mit der neuen Version 2008.11 macht OpenSolaris weitere Fortschritte in Sachen Anwenderfreundlichkeit, aber auch bei der Integration der Solaris-Spezialitäten in eine moderne Desktop-Umgebung.

Fast im Zeitplan haben die OpenSolaris [1]-Entwickler die Version 2008.11 des freien Betriebssystems freigegeben. Wie schon die Vorversion [2] kommt OpenSolaris 2008.11 [3] als Live-CD. Nach dem Booten kann man OpenSolaris ausprobieren und mit wenigen Mausklicks installieren.

Der aufgeräumte Gnome-Desktop in OpenSolaris 2008.11.

Der aufgeräumte Gnome-Desktop in OpenSolaris 2008.11.

Das Gerätetreiber-Dienstprogramm, prominent auf dem Desktop des Live-Systems platziert, zeigt die Hardwarekomponenten samt zuständigen Treibern an. Hier sieht man auf einen Blick, ob noch Treiber nachinstalliert werden müssen. Bei Hardware, die nicht out of the box unterstützt wird, bietet OpenSolaris nach einem Rechtsklick auf das Gerät entweder den direkten Download des Treibers aus dem Internet an oder zeigt zumindest einen Hinweis, wo der Anwender nach dem fehlenden Treiber suchen kann.

Das Treiber-Tool zeigt, ob OpenSolaris mit der Hardware zurecht kommt.

Das Treiber-Tool zeigt, ob OpenSolaris mit der Hardware zurecht kommt.

Laut Sun soll sich die Hardwareunterstützung in OpenSolaris 2008.11 vor allem in den Bereichen WLAN, Cardreader, HD-Audio-Chips und Grafikkarten deutlich verbessert haben. Bei einem etwa älteren PC mit Intel Core 2 Duo (2,13 GHz), Intel-Chipsatz mit Intel HD-Audio, Realtek RTL8111 Gigabit-Ethernet, SATA-Controller von JMicron und ATI-Grafik (Radeon X1600) kam OpenSolaris mit sämtlichen Komponenten zurecht, allerdings war keine 3D-beschleunigte Grafik verfügbar. Auf einem Fujitsu-Siemens Lifebook S7110 (Intel Core 2 Duo T7200, Centrino-2-Chipsatz mit integrierter Grafik, HD-Audio und 3945ABG-WLAN) erforderte der Gigabit-Chip Marvell 88E8055 die Nachinstallation des myk-Treibers, wofür das Device Driver Utility gleich die passende Bezugsquelle nannte. 3D-Desktop-Effekte ließen sich mit der integrierten Intel-Grafik aktivieren, allerdings kam es bei der Anzeige des Schattenwurfs von Menüs zu Fehlern.

Ebenfalls verbessert haben soll sich das Powermanagement. Das Lifebook S7110 genehmigte sich unter OpenSolaris allerdings rund drei Watt mehr als unter Linux und Windows – da ist noch Optimierungspotenzial. Auf einigen Notebooks soll jetzt der Suspend to RAM funktionieren, die Liste der unterstützten Geräte umfasst allerdings nur einige Modelle von Dell, Lenovo, Toshiba und Sun. Bei allen anderen Geräten muss man den Suspend to RAM zunächst durch Eintragen der Zeile

S3-support enable

und Aufrufen von pmconfig freischalten, damit der Desktop beim Ausschalten die Option Suspend to RAM anbietet. Bei unserem Test-Notebook wollte allerdings schon das Einschlafen nicht klappen. Suspend to Disk unterstützt OpenSolaris gar nicht.

Die meiste Software ist auf den aktuellen Stand gebracht. Der Gnome-Desktop 2.2.24 enthält jetzt jetzt die Desktop-Suche Tracker. Mit Firefox 3.0.4, Thunderbird 2.0.0 inklusive der Kalendererweiterung Lightning und OpenOffice 3 bietet OpenSolaris 2008.11 Linux-Anwendern eine vertraute Arbeitsumgebung. Der X-Server 1.5 von X.org kommt ohne Konfigurationsdatei aus und erkannte die Hardware auf unseren Testsystemen problemlos; allerdings bietet das Touchpad unter OpenSolaris nicht alle Komfortfunktionen, die man von Windows und Linux kennt.

Den Paketmanager hat Sun überarbeitet und beschleunigt, obwohl er beim Nachinstallieren von Software immer noch eher gemächlich arbeitet. Immerhin lassen sich nun die Repositories mit zusätzlichen Programmpaketen bequem verwalten. Neben dem Standard-Paketarchiv existiert jetzt ein contrib-Repository mit Community-Paketen sowie ein dev-Repository mit neuen, weniger gut getesteten Programmpaketen. Das in den Release Notes [4] angekündigte Extra-Repository mit proprietärer Software ist noch nicht online. Ein neuer Update-Manager informiert über anstehende Updates.

Der Paketmanager verwaltet jetzt auch die Repositories.

Der Paketmanager verwaltet jetzt auch die Repositories.

Den neuen BitTorrent-Client Transmission muss man noch nachinstallieren, ebenso wie den in den Release Notes genannten Mediaplayer Songbird 0.7, der vor kurzem in der Version 1.0 erschienen ist [5]. Leider fehlt ihm, wie auch dem standardmäßig installierten Rhythmbox, ein MP3-Codec. Während Rhythmbox bereits den Import von MP3-Dateien verweigert, meckert Songbird erst beim Versuch, eine MP3-Datei abzuspielen. Zwecks Abhilfe verweist der Mediaplayer auf eine GStreamer-Installationsanleitung für Linux, die bei OpenSolaris allerdings nicht weiterhilft – der Anwender muss bei Fluendo [6] den kostenlosen MP3-Codec für Solaris herunterladen.

An Entwicklungsumgebungen steht neben dem aktuellen NetBeans 6.5 jetzt auch Eclipse zum Nachinstallieren zur Verfügung {--] hier hat sich Sun offenbar den Realitäten in der Java-Welt beugen müssen. Der Web-Stack wurde um das CMS Drupal und das Python-Framework Django erweitert.

Auf der Kommandozeile sind Tools wie sudo, top und slocate hinzugekommen, die Linux-Anwendern den Umgang mit OpenSolaris erleichtern. Leider fehlt immer noch eine vernünftige inputrc, um Dinge wie das wortweise Springen mit Strg-Cursortaste auf der Kommandozeile zu ermöglichen. Die einfachste Abhilfe besteht darin, die Datei /etc/inputrc von einem aktuellen Linux-System zu kopieren.

Der Druck-Manager ist noch nicht in das Look and Feel des Gnome-Desktop integriert.

Der Druck-Manager ist noch nicht in das Look and Feel des Gnome-Desktop integriert.

Das Gnome-Netzwerktool kennt jetzt die Solaris-eigene Network Auto Magic – das Netzwerk lässt sich per GUI konfigurieren, ohne dass man dazu wie in der Vorversion die Network Auto Magic von Hand abschalten muss. Für die WLAN-Anbindung existiert ein neues Applet, das die vorhandenen WLANs anzeigt und im Test problemlos eine WPA2-verschlüsselte Verbindung herstellte.

Im laufenden Betrieb angeschlossene Drucker erkennt OpenSolaris jetzt automatisch. Dem Druck-Manager, der auch Netzwerkdrucker verwaltet, sieht man allerdings an, dass er noch aus der "alten" Solaris-Welt stammt – er wirkt etwas fremd zwischen den Gnome- und Gtk-Tools.

Das Solaris-eigene Dateisystem ZFS verfügt über die Fähigkeit, Snapshots anzulegen. Ein solcher Snapshot friert den aktuellen Zustand des Dateisystems dauerhaft ein und belegt erst nennenswert Platz auf der Platte, wenn sich Dateien ändern oder gelöscht werden – dann kann versehentlich gelöschte oder überschriebene Dateien aus dem Snapshot wiederherstellen.

Mit OpenSolaris 2008.11 ist das Snaphot-Feature erstmals bequem auf dem Desktop zugänglich: Sobald man den Zeit-Schieberegler (Time Slider, zu finden im Menü Systemverwaltung) aktiviert hat, erstellt das System regelmäßig Snapshots – alle 15 Minuten für die letzte Stunde, einmal pro Stunde für die letzten 24 Stunden, einmal täglich für die letzte Woche und so weiter. Den Dateimanager Nautilus haben die Entwickler um einen Zeitstrahl erweitert, mit dem man durch die Snapshots navigieren und gelöschte oder überschriebene Dateien wiederherstellen kann. Ein Video [7] zeigt, wie es funktioniert. Für weitere ZFS-Spezialitäten wie die bequeme Verwaltung von RAID-Arrays muss man sich allerdings nach wie vor auf die Kommandozeile begeben.

Der Zeitstrahl in Nautilus erlaubt die einfache Wiederherstellung gelöschter Dateien.

Der Zeitstrahl in Nautilus erlaubt die einfache Wiederherstellung gelöschter Dateien.

Zwei neue Meta-Pakete – storage-nas und storage-server – fassen verschiedene Softwarepakete vom NFS- und SMB/CIFS-Server über iSCSI- und Fiberchannel-Unterstützung bis zum Virenscanner zusammen, mit denen sich ein OpenSolaris-Rechner als Fileserver [8] oder Speichergerät fürs SAN einrichten lässt. Die Pakete enthalten Treiber, Serverdienste und Administrationswerkzeuge. Hier ist mit der neuen Version einiges an Software dazugekommen.

Nach Installation des Pakets SUNWauto-install ist es möglich, eine automatisierte Installationsprozedzur zum Aufsetzen mehrerer identisch konfigurierter Systeme einzurichten. Der neue Distribution Constructor (Paket SUNWdistro-const) erstellt eigene bootfähige, vorkonfigurierte OpenSolaris-Images.

Dem erklärten Ziel, Linux-Anwendern eine vertraute Umgebung zu bieten, wird OpenSolaris 2008.11 durchaus gerecht. Die Installation aus dem Live-System verlangt kein Solaris-Know-how, und trotz einigen Lücken bei der Hardwareunterstützung dürfte OpenSolaris auf den meisten Rechnern ohne größere Probleme laufen. Bei der Integration der Besonderheiten des Solaris-Unterbaus in den Desktop macht die aktuelle Version einige Fortschritte; das zeigt sich augenfällig an dem Time Slider, aber auch an Tools wie dem Network Manager, dem WLAN-Applet und dem verbesserten Paketmanager. Auch die Eignung als Betriebssystem für NAS-Filer und Storage im SAN hat sich verbessert.

OpenSolaris steht zum kostenlosen Download [9] aus dem Internet zur Verfügung. Wer das System für kritische Aufgaben einsetzt, kann bei Sun Support [10] in zwei unterschiedlichen Ausbaustufen kaufen. (odi [11])

Siehe dazu auch: (odi [12])


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-221640

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.opensolaris.org
[2] https://www.heise.de/tests/Erster-Blick-auf-OpenSolaris-2008-05-221515.html
[3] http://www.opensolaris.org/os/downloads/
[4] http://www.opensolaris.com/learn/features/whats-new/200811/
[5] https://www.heise.de/news/Der-Singvogel-wird-fluegge-218978.html
[6] http://www.fluendo.com
[7] http://blogs.sun.com/erwann/entry/time_slider_screencast
[8] https://www.heise.de/tests/OpenSolaris-als-Fileserver-221631.html
[9] http://www.opensolaris.org/os/downloads/
[10] http://www.sun.com/service/opensolaris/index.jsp
[11] mailto:odi@heiseopen.de
[12] mailto:odi@ix.de
[13] https://www.heise.de/tests/OpenSolaris-als-Fileserver-221631.html