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OpenSuse 11 im Test

| Andrea Müller

OpenSuse 11 bringt aktuelle Software, ein überarbeitetes Paketmanagement – und liefert mit KDE 3, KDE 4 und Gnome eine breite Auswahl an Desktops.

Mit OpenSuse 11 liegt eine neue major version der hierzulande beliebtesten Linux-Distribution vor, in der es einige Neuerungen zu entdecken gibt. Das System setzt auf Kernel 2.6.25, der für bessere Hardwareunterstützung sorgt und Verbesserungen bei der Virtualisierung mitbringt. X.org in Version 7.3 wartet mit einer besseren automatischen Konfiguration der Grafik auf und Programmpakete mit neuen Software-Versionen bringen den Nutzer auf den neuesten Stand. So liegt Gnome [1] in Version 2.22 bei, KDE ist sowohl in der aktuellen 3er als auch in Version 4.04 mit an Bord.

Wir haben OpenSuse 11 auf sieben recht aktuellen Testsystemen, darunter drei Notebooks, installiert und auf allen schlug sich OpenSuse 11 weitgehend souverän. Die Intel- und Atheros-WLAN-Chipsätze der beiden Notebooks erkannte und konfigurierte OpenSuse ebenso fehlerfrei wie die Netzwerkkarten der Desktop-PCs. Das Power-Management auf den Notebooks funktionierte out of the box und OpenSuse liess sich sowohl in den Suspend-to-Disk- als auch in den Suspend-to-RAM-Modus versetzen und wieder aufwecken. Ganz so positiv sahe es auf den Desktop-Systemen nicht aus: Auf den Mainboards mit Nvidia-GeForce-8200- und AMD-780G-Chipsatz funktionierte keiner der beiden Ruhezustände, bei einem mit Intel-G33-Chipsatz bestückten Mainboard funktionierte immerhin Suspend-to-Disk

Die erste Neuerung kann man bereits im Boot-Bildschirm entdecken, wenn man [F9] drückt: Dann aktiviert OpenSuse die Sprachausgabe und liest über den eingebauten Lautsprecher den gerade markierten Menüpunkt vor. Das funktioniert sogar in der Sprachauswahl, allerdings noch nicht besonders stabil. Zwei unserer Testsysteme ließen sich durch Ausklappen des Sprachmenüs bei aktivierter Sprachausgabe reproduzierbar zum spontanen Reboot bringen.

Der Installer, der sich mit bescheidenen 256 MByte RAM zufrieden gibt, präsentiert sich gewohnt übersichtlich mit zumeist guten Voreinstellungen, erscheint aber in frischer Qt-4-Optik. Windows-Partitionen verkleinert er zuverlässig, so dass man dem Vorschlag zur Aufteilung der Festplatte meistens folgen kann. OpenSuse teilt sich eher moderat Plattenplatz zu; von einem Vista-System auf einer 250 GByte großen Partition beanspruchte OpenSuse nur um die 40 GByte für sich und legte dort eine Root-, Home- und Swap-Partition an. Bei der Desktop-Auswahl steht KDE 4 [2] inzwischen gleichberechtigt neben Gnome und KDE 3. Wer auf Stabilität Wert legt, sollte für den Alltagseinsatz allerdings nach wie vor zu KDE 3 oder Gnome greifen und KDE 4 nur parallel einspielen. Die neue KDE-Version bietet zwar eine ansprechende Optik und einige neue Programme, doch gerade der neue Desktop Plasma stürzte während unserer Tests regelmäßig ab.

Desktop-Auswahl bei der Installation

OpenSuse 11 bietet Gnome, KDE 3 oder KDE 4 als Standard-Desktop an.

An den einzelnen Schritten während der Installation hat OpenSuse nichts geändert, sodass sich langjährige Nutzer gleich zu Hause fühlen. Nach wie vor besteht die Möglichkeit, in einem Übersichtsbildschirm weitere Software zu installieren und abzuwählen und den Installationsort für den Bootmanager Grub, der standardmäßig im Master Boot Record landet, zu ändern.

Beim Anlegen der Benutzer weist OpenSuse dem Administrator Root standardmäßig dasselbe Passwort wie dem Hauptbenutzer zu, sofern man die Voreinstellung nicht abwählt. Dass der erste angelegte Benutzer standardmäßig nach dem Booten automatisch am System angemeldet wird, hat das Entwicklerteam auch in Version 11 nicht geändert. Diese Vorgabe sollte man keinesfalls übernehmen, wenn auch andere Zugang zu dem Rechner haben, da sonst jeder, der an den PC herankommt, automatisch Vollzugriff auf alle privaten Daten des ersten angelegten Benutzers hat.

Unabhängig davon, welchen Desktop man bei der Installation ausgewählt hat, landet man nach der ersten Anmeldung am System auf einem aufgeräumten Desktop. OpenSuse hat Gnome und die beiden KDE-Varianten ähnlich vorkonfiguriert, so dass man sich auch beim Wechsel der Desktop-Umgebung nicht umgewöhnen muss. Wenig Neues gibt es für die Nutzer von Gnome und KDE 3 zu entdecken. Gnome 2.22 brachte gegenüber Version 2.20 nur wenige Änerungen mit, die Verbesserungen von KDE 3.5.9 fanden ebenfalls im Hintergrund statt. Die Entwickler haben bei KDE 3 vor allem Verbesserungen und Bugfixes in das KDE-PIM-Paket integriert.

Diese kommen auch jenen Benutzern zugute, die sich für einen Blick auf KDE 4 entschieden haben. Da einige Programme aus KDE 3, darunter auch Kontact, KMail und Korganizer, noch nicht auf KDE 4 portiert wurden, spielt OpenSuse bei der Auswahl von KDE 4 automatisch die entsprechenden Pakete des Desktops in der 3er-Version ein. Zwar nett anzusehen, taugt KDE 4 noch nicht für den Alltagseinsatz. Neben den Instabilitäten beim Starten neuer Plasmoids (Minianwendugen für den Desktop) beachtete KDE die Proxy-Einstellungen nicht. Auch der Zugriff auf Samba-Freigaben gelang weder über Dolphin noch über den Konqueror. Während Dolphin behauptete. keine Freigaben zu finden, stürzte Konqueror nach Eingabe einer smb://-Adresse in die Adresszeile reproduzierbar ab.

KDE 4 mit Plasma-Desktop

KDE 4 beeindruckt mit seiner Optik, läuft jedoch noch nicht stabil.

3D-Effekte bieten alle drei Desktops, sofern der Grafiktreiber hardwarebeschleunigte 3D-Grafik unterstützt. Besitzer von Nvidia- und AMD-Grafikkarten müssen dazu die Herstellertreiber einspielen, die OpenSuse 11 über eigene Online-Repositories zur bequemen Nachinstallation bereitstellt. Bei KDE 4 kümmert sich der Desktop selbst um das Compositing, unter KDE 3 und Gnome kommt der Compositing Manager Compiz zum Einsatz. Standardmäßig setzt OpenSuse 11 auf die X11-3D-Erweiterung AIGLX; Anwender, die XGL bevorzugen, müssen es auf der Kommandozeile mit dem Programm xgl-switch explizit auswählen.

Unter KDE 3 ist das Aktivieren der 3D-Oberfläche denkbar unkomfortabel gelöst: Da es im Kontrollzentrum kein Modul gibt, das diese Aufgabe erledigt, muss man die 3D-Effekte über den Compiz-Einstellungsmanager von Gnome aktivieren. Der KDE-Fensterdekorator hat damit jedoch seine Probleme und zeigt alle nicht aktiven Fenster ohne Rahmen an. Außerdem werden die Einstellungen nicht gespeichert, sodass man bei jedem Anmelden erneut die 3D-Effekte aktivieren muss.

Standardmäßig ist es nicht mehr möglich, die grafische Oberfläche über die Tastenkombination [Strg-Alt-Backspace] gewaltsam zu beenden. OpenSuse gibt bei dem Versuch einen Warnton aus, erst erneutes Drücken der Tastenkombination schießt den Xserver ab. Um zum alten Verhalten zurückzukehren, muss man in der xorg.conf die Zeile mit der Option ZapWarning löschen.

Die Software-Auswahl ist wie bei OpenSuse gewohnt reichhaltig. Schon auf der Installations-DVD findet man Anwendungen für jeden Zweck. OpenOffice 2.4.1 kümmert sich um den Bürokram, Gimp steht zur Bildbearbeitung bereit und bei den Browsern hat man die Wahl zwischen Firefox 3 und Konqueror. Seine E-Mails kann man mit Thunderbird, Evolution oder K-Mail lesen, zum Chatten liegen Kopete, Konversation und Pidgin bei.

Im Multimedia-Bereich ist die Grundausstattung weniger üppig, allein der Realplayer kommt mit Audiodateien im MP3-Format zurecht. Über die in der Repository-Verwaltung einrichtbaren Community-Quellen lässt sich jedoch mit wenigen Mausklicks die Multimediaunterstützung für die meisten Formate nachrüsten. Aus dem Packman-Repository erhält man beispielsweise zusätzliche Codecs für Kaffeine und Totem sowie ein MP3-Plug-in für das Brennprogramm K3b, das nach dessen Installation auch Audio-CDs aus MP3-Dateien erzeugen kann. Ebenfalls interessant für Audio- und Videophile ist das VLC-Repository, dass den Video Lan Client einspielt, der selbst eine große Codec-Auswahl mitbringt.

Für alle, denen die Software-Auswahl zu klein ist und die nach wie vor auf den Einsatz einiger Windows-Programme angewiesen sind, liegt der Release Candidate von Wine 1.0 [3] bei. Will man ein ganzes Windows-System laufen lassen, greift man stattdessen zu Virtual Box. Nach der Installation muss man die Kernelmodule jedoch manuell laden, um die Software ohne Neustart des Systems nutzen zu können.

Viel Arbeit haben die Entwickler in die Paketverwaltung gesteckt, die in den Versionen 10.x oft Ziel der Kritik war. Das hat sich gelohnt, denn in OpenSuse 11 gehen das Kommandozeilentool zypper und dir grafischen Frontends in Yast angenehm flott zu Werke. Sowohl das Nachinstallieren von Paketen als auch das Einlesen der Repositories wurde beschleunigt. Schon zum Erscheinen der Distribution gibt es eine ganze Reihe Community-Repositories, die neben den oben beschriebenen Multimediaerweiterungen viele weitere Programme und Treiber enthalten. Über die KDE-4-Quelle erhält man immer die neueste Version des Desktops, die ATI/AMD-, Nvidia- und Madwifi-Repositories versorgen Grafik- und WLan-Karten mit den passenden Treibern.

Der Dialog zum Einrichten der Online-Repositories

Neben den Distributionsquellen, gibt es mehrere Community-Repositories für OpenSuse 11, die zusätzliche Software und Treiber enthalten.

OpenSuse 11 setzt bei den RPM-Paketen auf die LZMA-Kompression, mit der ältere Versionen des Paketmanagers nicht umgehen können. Will man also OpenSuse-11-Pakete unter einer älteren Version der Distribution einspielen, muss man zunächst das rpm-Paket von OpenSuse 11 einspielen – eine Lösung, die die Entwickler allerdings nicht unterstützen und die eventuell zu Problemen führen kann.

Wer mit OpenSuse Textdateien mit der Zeichenkodierung ISO-8859-1 ausdruckt, erhält fehlerhafte Umlaute, da die neue Cups-Version 1.3.4 nur noch UTF-8 und reinen Ascii-Text unterstützt. Textdateien mit westeuropäischer Zeichensatzkodierung müssen daher vor dem Ausdruck mit recode oder iconv nach UTF-8 umgewandelt werden.

Insgesamt macht OpenSuse 11 einen frischen und aufgeräumten Eindruck. Die traditionell gute Hardwareerkennung und die riesige Auswahl aktueller Software empfehlen die Distribution nach wie vor gleichermaßen für Einsteiger und Linux-Profis. Vor allem wegen dem stark verbesserten und beschleunigten Paketmanagement lohnt sich ein Update auf die neue Version. Die Entscheidung, KDE 4 bei der Desktop-Auswahl gleichberechtigt neben Gnome und KDE 3.5.9 zu setzen, kam ein wenig zu früh, da der Desktop nach wie vor zu instabil für den Alltagseinsatz ist. Setzt man jedoch auf die ältere KDE-Version oder auf Gnome, erhält man mit OpenSuse 11 ein stabiles System mit aktueller Software. Die vielen Community-Repositories sorgen dafür, dass man nahezu jede Linux-Software als Paket erhält und OpenSuse im Handumdrehen um zusätzliche Programme und Treiber erweitern kann. (amu [4]) (amu [5])


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-221550

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/tests/Neu-und-bunt-Gnome-2-22-221485.html
[2] https://www.heise.de/tests/Neues-in-KDE-4-0-221431.html
[3] https://www.heise.de/news/Wine-1-0-ist-da-Prost-214761.html
[4] mailto:amu@heiseopen.de
[5] mailto:amu@ct.de