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Panasonic G110 im Kurztest: Kompakte Systemkamera mit Smartphone-Charme 13 Kommentare

Sophia Zimmermann
Panasonic G110 im Kurztest: Kompakte Systemkamera mit Smartphone-Charme

Panasonic G110

Kompakter Allrounder: Die kleine G110 versteht sich auf Foto und Film. Smartphones will sie dabei ein Schnippchen schlagen. Ob ihr das gelingt?

Nachdem sich Panasonic im vergangen Jahr auf den Ausbau seines spiegellosen Vollformatsystems "Lumix S" konzentriert hat, gibt es nun wieder einen Neuzugang bei den Micro-Four-Thirds-Spiegellosen: Die G110 will ein kleines Schweizer Taschenmesser sein – Lösung für Foto, Video und Social Media. Panasonic hebt dabei unter anderem die gegenüber Smartphones überlegene Bildqualität hervor.

Damit stapelt der Hersteller zumindest in Bezug auf die Bildergebnisse tief, denn immerhin arbeitet die kleine G110 mit dem im Micro-Four-Thirds-System (MFT) üblichen Four-Thirds-Chip. Er misst etwa 17 mal 13 Millimeter und übertrumpft aktuelle Smartphone-Sensoren damit um Längen. Diese sind in der Regel nicht größer als 1/1,7 Zoll – 7,6 × 5,7 Millimeter. Dafür haben sie teils irrsinnig hohe Auflösungen von 40 Megapixeln und mehr, die einzelnen Pixel fallen damit extrawinzig aus.

Dabei ist Größe in diesem Fall entscheidend für die Bildqualität. Je größer ihre Grundfläche, desto mehr Photonen können sie in derselben Zeit einsammeln und später in Bildinformationen umwandeln. Das wirkt sich positiv auf Rauschverhalten und Dynamikumfang aus. Mithilfe der Technik des Pixelbinnings wollen Huawei und Co. die Nachteile der Mini-Pixel bändigen. Sie kombinieren die Informationen mehrere Fotodioden und geben standardmäßig Bilder mit geringerer Auflösung aus – meist sind das nicht mehr als 12 Megapixel. Die G110 kommt standardmäßig übrigens auf 20 Megapixel.

Wie sich die unterschiedliche Sensor- und Pixelgröße tatsächlich im Bild niederschlägt, haben wir uns im Labor angeschaut. Als Referenzen dienten uns die Hauptkameras von Huawei P40 Pro und Samsung S20 Ultra. Gemein ist ihren Foto-Apps ein Pro-Modus, in dem Fotografen wichtige Parameter wie die ISO-Empfindlichkeit vorwählen können, sowie die standardmäßige Ausgabe der Bilddaten mit etwa 4000 x 3000 Pixeln. Die G110 gibt ihre Fotos standardmäßig mit 5184 x 3888 Pixeln aus. Um Unterschiede hier besser vergleichbar zu machen, haben wir ihre Fotos entsprechend auf 12 Megaixel herunter gerechnet. Der Sieg der G110 ist da wenig überraschend eindeutig, vor allem bei hohen Empfindlichkeiten, denn da produzieren die Smartphones nur noch detailarme, verwaschene Ergebnisse. Doch selbst die nicht herunter gerechneten Bilder der G110 zeigen bei hohen ISO-Werten wie 3200 in der 100-Prozent-Dartsellung deutlich mehr Details.

Panaosnic G110: Beispiel- und Laborbilder (0 Bilder) [1]

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Obwohl die G110 also durchaus bessere Aufnahmen als Smartphones produzieren kann, sucht sie dennoch auffällig ihre Nähe – unter anderem imitiert sie deren Bildstil.

Im Selfie-Modus können Fotografen beispielsweise mit der Hintergrundunschärfe spielen, sobald die Kamera ein Gesicht erkennt. Dabei öffnet und schließt das Objektiv allerdings nicht seine Blende, die Anpassung erfolgt lediglich via Software. Das wirkt auffallend künstlich und wird den Fähigkeiten einer Digitalkamera, die diesen Effekt mit Wechselobjektiven samt hoher Lichtstärke auf optischem Wege erzielen könnte, kaum gerecht. Obendrein zeigen sich die gleichen Unzulänglichkeiten wie bei den Smartphone-Bokehs: verschrobene Schärfeebenen und unlogische Übergänge. Wahrscheinlich geht Panasonic davon aus, dass die Kamera eben hauptsächlich mit dem licht- beziehungsweise bokehschwachen Kit-Objektiv betrieben und nicht durch weitere, höherwertige Objektive ergänzt wird.

Im Lieferumfang der G110 ist ein kleiner Handgriff enthalten, er kann auch als Stativ genutzt werden und besitzt Auslöser für Foto und Video.

Im Lieferumfang der G110 ist ein kleiner Handgriff enthalten, er kann auch als Stativ genutzt werden und besitzt Auslöser für Foto und Video.

Einen Selfie-Modus gibt es übrigens auch für Video und der richtet sich direkt an die sogenannten Vlogger (Video-Blogger). Nachdem diese die Videotaste auf der Oberseite gedrückt haben, startet ein kurzer Countdown. Der Autofokus erkennt dann automatisch Gesichter und Augen, stellt darauf scharf und führt den Fokus nach. Dank des freischwenkbaren Monitors können sich die Vlogger außerdem gut beobachten. Darüber hinaus bietet die Kamera eine Rahmen-Markierung für die verschiedenen Sozialen Netzwerke an. Freilich zeichnet die Kamera auch Hochkantvideos auf.

Und noch einen Trick, den man sonst vom Smartphone kennt, beherrscht die G100 – die Hand-Nachtaufnahme. Hierbei nimmt sie eine Bilderserie auf und verrechnet die Einzelaufnahmen zu einem verwacklungsfreien JPEG.

Das beiliegende Objektiv Lumix G Vario 1:3.5-5.5/12-32mm deckt einen universellen Brennweitenbereich ab, der Kleinbild-äquivalenten 24 bis 74 Millimetern entspricht. Die Lichtstärke liegt in Weitwinkelstellung bei f/3.5, bei mittlerer Brennweite öffnet sich die Blende maximal auf f/4.0. Am langen Ende ist nur noch f/5.6 möglich. Im Test zeigte das Objektiv seine beste Leistung in Weitwinkelstellung. Die Bildmitte ist hier bereits bei "Offenblende" sehr crisp und steigert sich bis f/4.0 auf eine Auflösung von 1830 Linienpaare pro Bildhöhe, womit es die mögliche Sensorleistung zu etwa 94 Prozent ausreizt. Die Ecken bleiben hier allerdings um etwa 20 Prozent zurück – das sieht man im Bild. Auch zum Telebereich hin wird die Bildwirkung insgesamt weicher, dafür klaffen Bildzentrum und -ränder nicht mehr so stark auseinander.

Mit diesem Ergebnis hat sich das kleine Lumix-G-Vario-Pancake den Titel "klassisches Kit-Objektiv" verdient: nicht richtig schlecht, aber auch nicht gut. Dazu passt das Plastikbajonett. Wer mehr aus der Kamera rausholen will, muss an dieser Stelle investieren. Im Micro-Four-Thirds-System hat er dann die Qual der Wahl, denn das Objektiv-Angebot ist groß, vielseitig und gut. Allein Panasonic und MFT-Partner Olympus liefern weit über 50 Optiken.

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Auch beim Handling knüpft die G110 an Smartphones an, denn sie ist äußerst umfassend über ihren frei schwenkbaren Touchscreen steuerbar. Allein fünf Funktionstasten können Fotografen über das Display ansteuern und so mit Tipp- und Wisch-Gesten beispielsweise das Histogramm aufrufen oder Filtereffekte wählen und aktivieren. Im Menü lassen sich die Funktionen dieser Softbottons anpassen. Und natürlich können Sie mit einem Tipp auch fokussieren und auslösen. Ob der ganzen Einblendungen wirkt das Display zuweilen überladen. Wem es zu wuselig wird, der kann die Anzahl der angezeigten Elemente reduzieren oder auf die Live-View-Ansicht verzichten.

Das Gehäuse der Spiegellosen kommt dagegen sehr aufgeräumt daher, denn physikalische Bedienelemente verteilt Panasonic sparsam. Dennoch schafft es der Hersteller zwei Einstellrädchen unterzubringen – eines davon integriert in den Steuerschalter auf der Rückseite. Damit können die wichtigsten Parameter sehr schnell und komfortabel direkt verstellt werden: Belichtungskorrektur, ISO-Empfindlichkeit, Blende, Verschlusszeit und so weiter. Die Knöpfe auf der Oberseite sowie den "Papierkorb" legt Panasonic dabei als Funktionstasten an, sodass man ihnen über das Menü andere Aufgaben zuweisen kann. Neu ist dieses Bedienkonzept nicht, das Touch- und Tastensteuerung miteinander verbindet. Wer bereits mit den Lumix-G-Kameras vertraut ist, wird sich schnell zurechtfinden.

Panasonic G110 im Kurztest: Kompakte Systemkamera mit Smartphone-Charme

Die Panasonic G110 gründet nicht auf eine bereits bestehende Kamera-Serie. Dennoch dürften sich Panasonic-Fotografen schnell auf der kleinen Spiegellosen zurecht finden.

(Bild: Panasonic)

Das kleine Gehäuse liegt leicht und dank des Griffwulsts auf seiner Vorderseite sowie einer vergleichsweise großen Daumenmulde auf der Rückseite sicher in der Hand. Die Haptik ist der Preisklasse angemessen.

Über dem Klassendurchschnitt liegt der elektronische Sucher, bei dem wir dennoch hin- und hergerissen sind: Ja, seine Auflösung ist mit 1600 × 768 Bildpunkten vergleichsweise hoch und auch die 0,73-fache Vergrößerung passt. Allerdings fällt ein Grünstich ins Auge und er ist etwas dunkel und kontrastarm. Auch seine Reaktionszeit ist eher träge, sodass sehr schnell und deutlich Rolling-Shutter-Effekte zutage treten.

Gar nicht träge ist der Autofokus nach Kontrastmethode beziehungsweise Panasonics weiterentwickelter DFD-Technik (Depth from Defocus). Im Labor konnten wir eine Auslöseverzögerung von 0,3 Sekunden messen, womit sich die G110 bei den spiegellosen Systermkameras ins solide Mittelfeld einreiht. In der Einsteiger-Klasse kann es auch deutlich schneller gehen, wie Sonys A6100 hier mit einem Wert von 0,23 Sekunden beweist. Es kann allerdings noch viel gemächlicher laufen: Fujifilms X-A7 beispielsweise gönnte sich in unserem Labor 0,5 Sekunden.

Während unseres Tests zeigt der Autofokus außerdem eine ordentliche Treffsicherheit. Wenige Schwächen sind uns dennoch aufgefallen. Selbst, wenn er ein Motiv eigentlich sicher verfolgt, versichert er sich immer wieder einmal merkbar rück und misst nach. Das zeigt sich daran, dass er dann leicht hin- und her pumpt. Das fällt beispielsweise in Videoaufnahmen auf, wenn das Hauptmotiv kurz unscharf und dann wieder scharf wird.

Wie es sich für ein modernes Schweizer Taschenmesser gehört, besitzt die G100 WLAN und Bluetooth, um sich drahtlos mit dem Smartphone auszutauschen. Die dazugehörige App heißt "Lumix Sync". Sie ist für Android und iOS verfügbar.

Bluetooth nutzt die Spiegellose dazu, um sich mit dem Telefon zu koppeln und automatisch eine WLAN-Verbindung herzustellen. Durch den ersten Pairing-Vorgang führt die App. Das ist relativ selbsterklärend. Alternativ kann man auch eine Verbindung allein via WLAN herstellen.

Mit der App "Lumix Sync" wird das Smartphone zur Fernbedienung für die G110.

Mit der App "Lumix Sync" wird das Smartphone zur Fernbedienung für die G110.

Dank der "Lumix Sync" können Fotografen ihre Aufnahmen direkt auf das Telefon übertragen und von dort aus weiterverteilen – beispielsweise in Soziale Netzwerke. Das geht sogar automatisch. Diese Funktion aktiviert man im Bluetooth-Menü der Kamera, übertragen werden die Daten dann allerdings via WLAN. Mit unserem Test-Smartphone, einem Samsung Galaxy S10 und Android 10, klappte das alles reibungslos.

Und dann funktioniert die App außerdem als Fernauslöser beispielsweise bei Nachtaufnahmen. Für diesen konkreten Fall müssen Fotografen die Kamera in den Manuellen Modus versetzen und die Verschlusszeit auf "T" einstellen. Dann öffnet sich der Verschluss, indem man den Fernauslöser drückt und schließt sich erst wieder, wenn man ihn erneut drückt (das klappt natürlich auch ohne App, direkt an der Kamera). Unendlich lange funktioniert das allerdings nicht. Die maximale Aufnahmedauer liegt bei 60 Sekunden.

Über die Fernbedinungsfunktion der App steuern Fotografen nicht nur den Verschluss, sondern passen alle wichtigen Belichtungsparameter an. Je nach voreingestelltem Modus sind das ISO, Blende, Belichtungszeit und Belichtungskorrektur.

Der Funktionsumfang der Panasonic Lumix G110 ist riesig – sowohl im Hinblick auf Foto als auch auf Video. Dabei ist sie vollgestopft mit Szenenprogrammen, Assistenten und Automatiken für wirklich jede erdenkliche Situation. Selbst das Szenario "Weiches Bild einer Blume" hat Panasonic nicht vergessen. Dabei beherrscht die Kamera auch Kunststücke für anspruchsvollere Aufgaben wie Reihen- und Serienaufnahmen in vielen Variationen. Wahrlich: Die G110 ist ein kleines Schweizer Taschenmesser.

Szenenmodi der Panasonic G110

Panasonic hat bei seiner G110 tatsächlich an jede erdenkliche Automatik gedacht. Sogar eine für "Weiches Bild einer Blume" gibt es.

Auffällig ist dabei, dass sie sich sowohl beim Handling als auch beim Bildstil durchaus an Smartphones orientiert. Das passt zur Zielgruppe Blogger und Vlogger. Alle, die in den Sozialen Netzwerken aktiv sind – auf Insta, TikTok oder Snapchat –, sollen zugreifen. Die Frage ist nur, ob sich das für sie tatsächlich lohnt.

Die G110 kostet derzeit samt Kit-Objektiv um die 700 Euro -- und anders als ein Smartphone kann sie dafür tatsächlich nur Inhalte aufnehmen. Bei Videoaufnahmen setzt sie sich nicht maßgeblich von Smartphones ab -- sowohl im Hinblick auf Bildraten als auch auf Sound-Optionen. Und Bildqualität dürfte im Netz nicht das ausschlaggebende Kriterium sein. Um Beiträge online zu stellen, müssen die G110-Aufnahmen dann außerdem eh noch den Weg über das Smartphone (oder den Laptop) nehmen.

Wer sich in diesem Bereich professionalisieren will, dem fehlen vielleicht entscheidende Feature, sodass er sich besser bei den großen Schwestern umschaut. So kann man an die G110 zwar ein externes Mikrofon anschließen, allerdings nur über Klinkenstecker. Um einen professionelleren XLR-Adapter wie die GH-Serie kann sie nicht erweitert werden.

Allein ist die G110 mit diesem Problem allerdings nicht. Auch Sony versucht mit der Kompaktkamera ZV-1 eine Social-Media-affine Zielgruppe mit einem vereinfachten Video-Handling anzusprechen. Damit gehört sie zur direkten Konkurrentin. Für sie spricht dabei das äußerst kompakte, Hosentaschen-taugliche Design, zudem besitzt sie noch mehr Hilfsmodi für Video. Gegen sie könnte der kleinere Sensor sprechen sowie die Tatsache, dass sie nicht um andere Objektive erweitert werden kann.

Übrigens: Im September will Panasonic die "Lumix Webcam"-Software veröffentlichen. Sie soll dann die spiegellosen Vollformatkameras der Lumix S1-Familie sowie die Micro-Four-Thirds-Spiegellosen GH5(S) und G9 Webcam-tauglich machen. Auch die G110 soll dieses Update bekommen, wann genau steht für sie allerdings nicht fest.

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