Papier Machine ausprobiert: Musik machen mit Pappe

Das Bastelbuch "Papier Machine" verbindet Pappe mit Elektronik. Mit Metallkugeln und Bleistiften entlockt ihr den bunten Kreationen – etwas piepsige – Töne.

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Zwei Hände spielen ein Papierklavier

(Bild: Panoplie)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Helga Hansen
Inhaltsverzeichnis

Groß und wunderschön – das war der erste Eindruck, als wir das Bastelbuch auspackten. Im Inneren verstecken sich sechs Projekte und einige Bauteile, um musizierende Papiermodelle zu bauen. Ein Spaß für Chiptune-Fans und alle, die einen spielerisch-praktischen Einstieg in die Elektronik suchen.

Auf den insgesamt 36 Seiten wechseln sich normales Papier mit Bastelanleitungen und dickere Pappseiten mit vorgestanzten Teilen und aufgedruckten Leiterbahnen ab. Einige waren etwas lose, herausgefallen ist aber nichts. Dafür waren mehrere Projekte mit Aufklebern extra gesichert. In der Mitte eingeklebt sind die Elektronikkomponenten in einem sehr stabilen Plastikbeileger sowie Erläuterungen in Englisch und Französisch. Die knappen Bastelanleitungen sind dagegen komplett grafisch gehalten und verweisen auf ausführlichere Videotutorials.

Die enthaltenen vier kleinen Metallkugeln, zwei Piezo-Elemente und zwei Sound-Chips mit dem Timer-IC NE555 sowie die Knopfzellenbatterie reichen zum Basteln der Modelle aus. Nur einen Bleistift und einen Radiergummi sollte man selbst bereit halten, sie sind aber nicht für alle Projekte nötig. Die Bauteile werden jeweils in Aussparungen in den Pappen geklemmt, sodass sie weiter verwendet werden können.

Ausprobiert: Papier Machine (8 Bilder)

So schön wie versprochen: Papier Machine, hier die "Bleistift-Partitur"

Das erste Projekt, ein sechs-stimmiges Papp-Piano, ist auch das einfachste und muss nur aus dem Buch getrennt werden. Anschließend folgen ein Windspiel, ein wippender Neigeschalter, eine "Bleistift-Partitur", Lagesensor und eine Kugelbahn, die etwas mehr Aufwand erfordern. Der Bastelablauf ist prinzipiell immer der gleiche: Die Teile werden heraus gebrochen und ineinander gesteckt, beginnend mit den Elektronikkomponenten.

Aus dem Make-Testlabor

Die Make-Redaktion probiert viel mehr aus, als ins alle zwei Monate erscheinende Heft passt. Deshalb veröffentlichen wir auf unserer Webseite in loser Folge weitere Testberichte.

Um Verwechslungen vorzubeugen, sind die Steckplätze farblich gekennzeichnet. Ein oranger Kreis ist für den Piezosummer, ein violetter für die Batterie und auch für die Orientierung des Timerboards gibt es zwei Markierungen. In der Anleitung zur Bleistift-Partitur ist ihre Anordnung falsch aufgedruckt, man sollte sich also auf die Vordrucke in den Bastelbögen verlassen. Schließt man dann die Stromkreise, mit der Hand oder mittels der Metallkugeln, ertönt der Piezosummer. Bei einigen Projekten kann man außerdem die Schaltkreise mit dem Bleistift erweitern und somit "Töne einzeichnen" (und wieder wegradieren).

Die Videotutorials sind auf französisch gesprochen und haben englische Untertitel. Der Aufbau wird detailliert erklärt und alle Komponenten gezeigt. Einige Fehlerquellen, bzw. Wege sie zu vermeiden, sind ebenfalls aufgeführt.

Wir haben uns ohne Tutorials an den Aufbau gewagt, der sehr zügig ging. Etwas mehr Zeit mussten wir, wie so oft bei Elektronik, auf die Fehlersuche aufwenden. Laut Anleitung sollten etwa Bleistifte des Typs HB oder 2B funktionierem, aber mit dem vorhandenen HB-Stift passierte nichts, weshalb wir zu einem Stift mit höheren Anteil des leitfähigen Graphits griffen. Trotz ihres Namens bestehen Bleistifte aus Graphit-Ton-Gemischen. Je größer die Ziffer vor dem B, desto weicher der Stift und umso höher der Graphit-Anteil. Mit dem 6B aus der Zeichenmappe entlockten wir den Papieren endlich Töne. Leitfähige Tinten müssten ebenfalls funktionieren, sind aber nicht ausradier- und damit veränderbar.

Bleibt ein Projekt weiterhin stumm, müssen oft die zusammengesteckten Kontakte etwas aneinander gedrückt werden. Piepst es dagegen ohne Ende, gilt es den Kurzschluss zu finden. Bei der Bleistift-Partitur ergibt sich etwa durch den dreidimensionalen Aufbau ein Zwangskurzschluss an einer Leiterbahn. Wer ihn loswerden möchte, sollte die Bahnen mit Tesafilm isolieren. Auch wenn alles nur zusammengesteckt und daher reversibel ist – es lohnt sich, vorher gut hinzuschauen und sorgfältig zu arbeiten, damit das Papier möglichst lange hält. So robust wie Breadboards und Jumperkabel ist es leider nicht.

Papier Machine ist eine Entwicklung des französischen Designer Duos Marion Pinaffo und Raphaël Pluvinage, die damit sowohl unterhalten wollen, als auch spielerisch vermitteln, wie Sensoren eigentlich funktionieren. Ein Prototyp mit verschiedenen, klingenden und mechanischen Projekten sorgte 2017 bei Ausstellungen und im Internet für Begeisterung. Daraus wollen die Beiden eine Buchreihe machen.

Für das erste Buch konzentrierten sie sich auf die Beispiele mit Piezosummer und finanzierten es über eine Crowdfunding-Kampagne. Statt im Juli wurden die Bücher im Dezember geliefert. Für die Backer gab es auf Kickstarter, bzw. über den Newsletter regelmäßige Updates. So musste etwa das Board mit dem NE555 überarbeitet und kurzfristig ein neuer Lieferant für die Piezobuzzer gefunden werden. Inzwischen ist "Papier Machine Vol.0" für 49 Euro online erhältlich.

Tiefer gehende Erklärungen zu Elektronik bekommt man in Papier Machine nicht und ein Piezo-Summer produziert vor allem piepsige Töne. Stattdessen ist es ein wunderschön gestaltetes Bastelbuch, das zum Ausprobieren mit Stiften und Bewegungen einlädt und einen spielerischen Zugang zu Stromkreisen und Sensoren bietet. Für kreative Erwachsene, die bisher mit Elektronik wenig am Hut hatten, dürfte es ein schönes Geschenk sein, wie auch für größere Kinder. Wer es durchgebastelt hat, kann mit leitfähigen Stiften eigene Ideen entwickeln und umsetzen. Spannend wäre noch die Kombination mit den LED-Stickern von Chibitronics und dem Mikrocontroller Love to Code, der extra für den Einsatz in Papierprojekten entwickelt wurde. (hch)