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Ubuntu 8.10: Ein erster Blick auf den furchtlosen Steinbock

| Dr. Oliver Diedrich

Im üblichen Sechsmonatstakt hat das Ubuntu-Team eine neue Version der Linux-Distribution herausgebracht. Ubuntu 8.10 ("Intrepid Ibex", furchtloser Steinbock) bringt aktualisierte Software und Verbesserungen bei der Benutzerfreundlichkeit.

Seit Erscheinen der ersten Version 4.10 ("Warty Warthog", warziges Warzenschwein) im Oktober 2004 hat sich Ubuntu einen guten Ruf als besonders anwenderfreundliche Linux-Distribution erarbeitet. Dafür gibt es verschiedene Gründe: Die Installations-CD startet ein Live-System, mit dem man sich vor der Installation auf die Platte einen Eindruck von Ubuntu Linux verschaffen und die Kompatibilität seiner Hardware mit Linux überprüfen kann. Statt dem Anwender die ganze Fülle verfügbarer Linux-Software mit Dutzenden von Editoren, diversen Desktop-Oberflächen und mehreren Programmen für fast jede Aufgabe zu präsentieren, setzt Ubuntu auf eine Vorselektion ausgewählter Anwendungen – ein Werkzeug für jeden Zweck lautet die Devise, wobei sich gleichzeitig tausende weiterer Programme übers Netz nachinstallieren lassen. Schließlich basiert Ubuntu auf Debian GNU/Linux, einer stabilen und gut gepflegten Distribution, die für einen soliden Unterbau sorgt.

Auf stark partitionierten Platten bringt die grafische Anzeige der Partitionierung nur wenig Übersicht.

Auf stark partitionierten Platten bringt die grafische Anzeige der Partitionierung nur wenig Übersicht.

Mit der jüngsten Version 8.10 bleibt Ubuntu diesen Prinzipien treu. Aus dem Live-System bringt ein grafischer Installer Ubuntu 8.10 mit wenigen Mausklicks auf die Platte. Einzige größere Neuerung hier ist eine grafische Anzeige der Partitionierung der Platten. Wer mehr Installationsoptionen benötigt, etwa weil er einen RAID-Verbund oder den Logical Volume Manager einrichten will, greift statt zur Desktop-CD zu der Alternate-Version mit ihrem textbasierten Installer. Die Server-CD als dritte Ubuntu-Variante installiert ein System ohne grafische Oberfläche und mit etwas anderer Softwareauswahl. Alle drei Versionen sind für 32-bittige (i386) und 64-bittige (amd64) Prozessorarchitekturen erhältlich.

Für Besitzer von Netbooks und Mobile Internet Devices (MIDs) stehen spezielle Images zur Verfügung, die für das Booten von USB, den Betrieb mit wenig RAM und kleine Displays optimiert sind.

Nach der Installation von Desktop- oder Alternate-CD empfängt den Anwender ein komplett ausgestattetes Desktop-System mit den wesentlichen Anwendungen für Internet, Multimedia und Büroarbeit. Die Software ist auf den aktuellen Stand gebracht: Kernel 2.6.27, X.org 7.4, Gnome 2.24, Firefox 3.0.3, Gimp 2.6. OpenOffice liegt allerdings noch in Version 2.4.1 bei, die vor 14 Tagen erschienene Version 3 [1] hat es nicht mehr in die Distribution geschafft. Kubuntu, der Ubuntu-Ableger mit KDE- statt Gnome-Desktop, kommt mit KDE 4.1.2; Xubuntu enthält Xfce 4.4.2.

Bei der Installation werden verschiedene Online-Repositories eingerichtet, aus denen man mit der Paketverwaltung Synaptic, dem Kommandozeilentool aptitude oder über den Menüpunkt "Hinzufügen/Entfernen" im Anwendungen-Menü weitere Software nachinstallieren kann. Das Paketarchiv Main enthält gut 6000 voll unterstützte Programmpakete, für die zwei Jahre Sicherheits-Updates garantiert sind. Universe liefert fast 20.000 weitere Open-Source-Pakete, Restricted einige proprietäre Treiber. Das Multiverse-Repository schließlich enthält nicht-freie und aus rechtlichen Gründen möglicherweise problematische Software, darunter auch Codecs zum Abspielen diverser Mulimediaformate.

Der auf Version 2.24 aktualisierte aktualisierte Gnome-Desktop bringt einige eher dezente Neuerungen, etwa Tabs und einen Auswurfknopf für Wechselmedien im Dateimanager Nautilus. Mit dem aktualisierten Desktop kommt ein neuer Logout-Button, der auch das schnelle Wechseln des Benutzers und das Steuern des Instant-Messenger-Status erlaubt. Eine weitere Neuerung sind die dort angebotenen "Guest Sessions": Damit startet man einen weiteren Gnome-Desktop, dessen temporär angelegter Benutzer keinerlei Rechte im System hat. Der aktive Desktop wird so lange gesperrt. Guest Sessions bieten sich an, um beispielsweise jemanden schnell etwas am Rechner ausprobieren zu lassen, ohne ihn auf dem eigenen Desktop herumfuhrwerken zu lassen.

Der Video-Player Totem spielt BBC-Streams ab.

Der Video-Player Totem spielt neben Youtube-Videos jetzt auch BBC-Streams ab.

Der Videplayer Totem enthält ein Plug-in zum Abspielen von BBC-Streams. Den neuen Instant Messenger Empathy in Gnome 2.24 verwendet Ubuntu 8.10 nicht, es kommt standardmäßig weiterhin Pidgin zum Einsatz. Empathy lässt sich allerdings aus dem Universe-Repository nachinstallieren. Gleiches gilt für das neue Hamster, ein Applet zur Zeiterfassung.

Das erst im Spätsommer freigegebene X Window System Version 11 Release 7.4 (X.org 7.4) mit dem X-Server 1.5 konfiguriert die meiste Hardware inklusive Eingabegeräten, Grafikkarte, Monitor und passender Auflösung beim Start des X-Servers; die Konfigurationsdatei /etc/X11/xorg.conf ist fast leer. Tastatureinstellungen für X11 (etwa die Option "nodeadkeys") werden jetzt in der Datei /etc/default/console-setup vorgenommen.

X.org 7.4 bringt zahlreiche neue und verbesserte Grafiktreiber, etwa für die Chipsatzgrafik in den neuen Intel-Chipsätzen G43 und G45. Der radeon-Treiber unterstützt jetzt auch die AMD/ATI-GPUs R5xx, R6xx und R7xx und kann auf R5xx-Chips die Hardwarebeschleunigung für 3D-Grafik nutzen, wenn auch noch nicht ganz auf dem Niveau der proprietären Treiber des Herstellers. Der Treiber von Nvidia für ältere GeForce-Karten (Treiberserien 71 und 96, in älteren Ubuntu-Versionen als Legacy-Treiber bezeichnet) funktioniert mit X.org 7.4 allerdings nicht mehr; lediglich für Karten mit neueren GeForce- und Quadro-GPUs steht ein 3D-beschleunigter proprietärer Treiber von Nvidia zur Verfügung (Treiberserien 173 und 177). Sofern die Hardware 3D-Beschleunigung bietet, schaltet Ubuntu 8.10 dezente 3D-Effekte wie Schattenwurf um die Fenster, sanft ein- und ausblendende Menüs und transparente Titel- und Menüzeilen bei nicht aktiven Fenstern ein.

Ubuntu erleichtert die Verwaltung mehrer Bildschirme am Rechner.

Ubuntu erleichtert die Verwaltung mehrer Bildschirme am Rechner.

Das über das "Einstellungen"-Menü erreichbare Tool zum Konfigurieren der Bildschirmauflösung erkennt jetzt auch einen im laufenden Betrieb angeschlossenen weiteren Monitor. Der lässt sich dann entweder zur Erweiterung des Desktops nutzen oder spiegelt – bei gleicher Auflösung beider Displays – das Bild des ersten Monitors.

In der Systemverwaltung findet sich ein neues Tool, das mit zwei Mausklicks aus der Live-CD einen bootfähigen USB-Stick erzeugt. Dabei kann man festlegen, ob der Stick Platz zum Speichern von Dateien aus dem Live-System heraus bereitstellen soll oder nicht. Ebenfalls neu ist der Cruft-Remover, ein Tool, das "verwaiste" Programmpakete (etwa automatisch nachinstallierte Bibliotheken, die nicht mehr benötigt werden, oder nicht mehr unterstützte Programme) entfernt. Damit soll System nach einem Upgrade von einer älteren Ubuntu-Version in einen Zustand gebracht werden, der einem frisch installierten Ubuntu 8.10 möglichst ähnlich ist.

Der Network-Manager kann jetzt auch Verbindungen über GPRS und UMTS verwalten; die Zugangsdaten der wichtigsten deutschen Mobilfunk-Provider sind bereits eingetragen. Zudem lässt sich dort jetzt ein VPN zu konfigurieren; dazu muss allerdings zunächst das benötigt VPN-Plug-in (unterstützt werden OpenVPN, PPTP und VPNC) aus dem Universe-Repository nachinstalliert werden.

Einige Features haben die Entwickler der Server-Version vorbehalten. Neben der bereits erwähnten Verschlüsselung mit ecryptFS sind das unter anderem ein Java-Stack mit OpenJDK und Apache Tomcat 6, Canonicals einfaches System-Management-Werkzeug Landscape sowie ein Tool zum schnellen Bauen virtueller Ubuntu-Maschinen. Der über Konfigurationsdateien und Templates gesteuerte Ubuntu-VM-Builder, der Xen-, Vmware- und KVM-Images erzeugen kann, lässt sich natürlich auch auf Desktop-Systemen nachinstallieren – auch wenn sich dort eher Virtualbox anbietet, das in der Version 2.0.2 aus dem Universe-Repository nachinstalliert werden kann.

Ubuntu Linux 8.10 bringt keine revolutionären Neuerungen, sondern setzt die Strategie stetiger Verbesserungen konsequent fort. Die Distribution wirkt rund, grobe Fehler sind uns nicht aufgefallen. Ubuntu 8.10 steht im Internet zum freien Download [2] zur Verfügung; die Images für Netbooks findet man hier [3]. (odi [4])


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-221614

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/news/Jetzt-offiziell-OpenOffice-3-0-ist-fertig-Update-210968.html
[2] http://www.ubuntulinux.org/getubuntu/download
[3] http://releases.ubuntu.com/8.10/
[4] mailto:odi@ix.de