Amerikanisch-russische Energiefreundschaft bahnt sich an

(Bild: Koshiro K / Shutterstock.com)
Über Nord Stream 2 könnte wieder Erdgas nach Deutschland strömen. Russland und die USA nähern sich in dieser Frage an. Werden die Europäer zur Abnahme verpflichtet?
Im Zuge der Verhandlungen zu einem Waffenstillstand mit der Ukraine berichteten Medien, dass sich Russland und die USA annähern und gemeinsame Energieprojekte ausloten. So ist etwa die Rede davon, wieder russisches Gas an die deutsche Ostseeküste durchzuleiten. Für Präsident Wladimir Putin und Donald Trump scheint das ein lohnendes Geschäft zu sein. Die amerikanische LNG-Industrie dürfte jedoch Marktanteile in Europa verlieren.
Russland spannt die USA ein
Die russische Nachrichtenagentur Tass zitierte dazu Außenminister Sergej Lawrow aus einem Fernsehinterview am 26. März:
Natürlich gibt es derzeit Differenzen. Aber ist das Interesse an der Wiederherstellung einer normalen Energieversorgung Europas denn nur ein Interesse der USA und Russlands? Es gibt Gespräche über die Nord Streams. Sicher wird es interessant sein, wenn die Amerikaner ihren Einfluss auf Europa nutzen und es zwingen, russisches Gas nicht abzulehnen. Aber das ist schon eine Art Surrealismus.
In diesem Kontext erwähnte der Außenminister, dass Europa und die Wirtschaft heute ein Vielfaches mehr für Energie als die amerikanische Wirtschaft bezahlen würden.
Gleichzeitig sagten Leute wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Verteidigungsminister Boris Pistorius, dass sie niemals zulassen werden, dass die Nord-Streams wiederhergestellt werden. Das sind entweder kranke Menschen oder Selbstmörder.
Sergej Lawrow
Schmarotzer Europa soll endlich zahlen
So surreal erscheint es nicht, wenn die USA die EU entgegen deren Ausstiegsplänen aus russischem Gas bis 2027 dazu zwingen, sei es mit Sicherheitsgarantien oder diversen Zöllen, wieder über die Ostsee Gas aus Russland zu importieren. Der vermeintliche Schmarotzer Europa soll endlich zahlen.
Wie die Administration von US-Präsident Donald Trump Europa sieht, kam jüngsten Medienberichten zufolge in einem geheimen Regierungschat zu US-Angriffen auf die Huthi zum Ausdruck, in den irrtümlicherweise der Atlantic-Chefredakteur Jeffrey Goldberg aufgenommen war. Hier erklärte Vizepräsident J.D. Vance, er hasse es, Europa beim Schiffsverkehr "wieder aus der Klemme zu helfen". Verteidigungsminister Pete Hegseth antwortete Vance: "Ich teile Ihre Abneigung gegen europäische Trittbrettfahrerei voll und ganz. Das ist erbärmlich."
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Trump selbst stellte sich hinter seine Mannschaft und kritisierte das Schmarotzertum der Europäer. Vor diesem Hintergrund ist es wahrscheinlich, dass er die Europäer und hier allen voran Deutschland drängen wird, den Gashahn in der Anlandestation Lubmin 2 für Nord Stream 2 aufzudrehen, zumal die USA an diesen Gastransporten mitverdienen wollen.
Kreml und Washington nähern sich an
Russische und europäische Regierungsvertreter hätten gesagt, dass die USA Möglichkeiten prüfen würden, mit dem Gaskonzern Gazprom, dem Eigentümer von Nord Stream 2, bei globalen Projekten zusammenzuarbeiten. Dies sei ein Schritt in Richtung engerer Beziehungen zum Kreml und gleichzeitig ein Versuch, ein Friedensabkommen für die Ukraine auszuhandeln, berichtete Bloomberg am 13. März. Gespräche hierzu zwischen US-amerikanischen und russischen Vertretern befänden sich allerdings noch in einem frühen Stadium.
Präsident Wladimir Putin selbst deutete in der Pressekonferenz mit dem belorussischen Regierungschef Alexander Lukaschenko am 13. März an, wenn sich die USA und Russland etwa auf eine Zusammenarbeit im Energiesektor einigen, könnte eine Gaspipeline für Europa sichergestellt werden. "Das wird Europa zugutekommen, da es günstiges russisches Gas erhält."
Abhängigkeit kostet
Die Debatte um günstiges russisches Gas ist in Deutschland längst entbrannt. Industrievertreter, Parteiangehörige von AfD, Linke und BSW sprechen sich für die Inbetriebnahme des noch intakten Leitungsstranges von Nord Stream 2 aus. Auch erste Stimmen aus der CDU sind Medien zufolge zu hören, die das für möglich halten, sofern ein Waffenstillstand und Friedensarrangement mit der Ukraine geschlossen sind.
Grüne und die Spitzen von CDU und SPD lehnen eine Inbetriebnahme von Nord Stream 2 ab. Auch Nachbar Polen spricht sich dagegen aus. "Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass jeder Rubel, der durch den Verkauf von Gas oder Öl eingenommen wird, für die Rüstung gegen Europa verwendet wird", warnte Polens Umweltministerin Paulina Hennig-Kloska. "Daher liegt es im Interesse aller Mitgliedstaaten in ganz Europa, dass unser Geld nicht in Putins Haushalt fließt."
Günstiges Gas kann teuer werden, wenn die neuen Geschäftsfreunde ihre Bedingungen diktieren, da die Abhängigkeit ihren Preis hat. Im äußersten Fall kann das Gas sogar ganz ausbleiben, wenn diese sich nicht auf Geschäftseckpunkte einigen können. Auch das ist nicht neu. Die Gasstreitigkeiten zwischen Russland und der Ukraine führten Anfang 2006 und 2009 zu einem Lieferstopp.
Drohende Verluste für die USA
Geht Nord Stream 2 in Betrieb, kann Gazprom fast 30 Milliarden Kubikmeter, knapp doppelt so viel wie zuletzt über die Ukraine, an die deutsche Ostseeküste liefern und Verluste wettmachen. Am schnellen Geld könnten sich amerikanische und Trump zugeneigte Investoren wie Stephen P. Lynch gleichfalls erfreuen. Amerikanische LNG-Produzenten und Lieferanten gingen indes leer aus und würden europäische Marktanteile verlieren.
Die Frist der definitiven Nachlassstundung hatte das Zuger Kantonsgericht für die hochverschuldete Betreibergesellschaft Nord Stream 2 im Januar ausnahmsweise bis zum 9. Mai verlängert, weil die Schuldnerin Kontakte zu Investoren ins Feld führte. Bis dahin muss eine Entscheidung her.