Black Box Wahlsoftware

IVU schweigt zu Fragen nach Plausibilitätskontrolle

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In Deutschland werden Stimmzettel zumeist mit der Hand ausgefüllt und abgegeben. Die Weiterleitung und Verarbeitung der dadurch ermittelten Daten erfolgt jedoch elektronisch. Gesetzliche Anforderungen an oder Zulassungsverfahren für eine dafür eingesetzte Software gibt es dem Büro des Bundeswahlleiters zufolge nicht. Er nutzt für die "unterstützende" Berechnung der Ergebnisses die seit 2002 von der Firma IVU Traffic Technologies AG angebotene Software IVU.elect.

IVU Traffic Technologies AG gibt sich auf Anfragen zur Funktionsweise dieses Programms hin recht schweigsam und verweist auf eine Broschüre, über die hinaus die Firma "keine weiteren Details" preisgeben will. In der Broschüre heißt es, dass IVU.elect "die Wahlbehörden bei der Ergebnisermittlung am Wahlabend mit stark automatisierten Prozessen und allen wahlrechtlich relevanten Prüfungen" unterstütze und dass das System "für eine sichere Erfassung und Berechnung der Ergebnisse durch fortlaufende Plausibilitätsprüfungen" sorge.

IVU.elect-Broschüre

Fragen dazu, wie das System vor Manipulation geschützt wird, bleiben ebenso unbeantwortet wie Auskunftsersuchen,nach welchen Kriterien die Plausibilitätskontrolle arbeitet und ob sie ältere Wahlergebnisse und Umfragen mit berücksichtigt. Dabei wäre gerade letzteres von Interesse: Bei den Kommunalwahlen in München - wo IVW.elect nach eigenen Angaben eingesetzt wird - kam es nämlich 2014 bei der Auszählung der Stimmen zu erheblichen Unregelmäßigkeiten.

Das für die Durchführung der Wahl zuständige Kreisverwaltungsreferat musste einräumen, dass 80 bis 90 Prozent der Stimmen fehlerhaft weitergeleitet wurden. Trotzdem ließ man nur einen einzigen Stimmbezirk in Haidhausen komplett neu auszählen: Dort war die Zahl der insgesamt übermittelten Stimmen größer als die der Stimmberechtigten. Hinsichtlich der anderen Wahlkreise hieß es damals auf Anfrage von Telepolis, dass man die Fehlerquote von 80 bis 90 Prozent mittels einer Plausibilitätskontrollsoftware ermittelt habe. In den Fällen, in denen sie anschlug, hätten die Wahlhelfer ihre Eingaben überprüft und so lange neu eingegeben, bis sie dem Programm plausibel erschienen. Eine Neuauszählung dieser Wahlbezirke hielt man wegen des Vier-Augen-Prinzips, das auch bei der Übermittlung der Daten gelte, nicht für notwendig.

Auf die Meldung hin bot ein Telepolis-Leser, der ehrenamtlich als Wahlhelfer tätig ist, dem Autor an, bei einer Wahl als Beobachter zu überprüfen, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Das tut es wahrscheinlich tatsächlich - was die Integrität der Wahlhelfer angeht. Aber möglicherweise ist bei der Arbeit mit einer Wahlsoftware, die Plausibilitäten prüft, gar nicht bewusste Manipulation das Problem, sondern der Effekt, dass man sich - vor allem wenn man übermüdet ist - auch beim wiederholten Zählen verzählen kann. Um hier Fehler auszuschließen, wäre es wichtig, zu wissen, wie eine Plausibilitätskontrolle arbeitet.

Ein besonderes Problem wäre es, wenn IVU.elect bei seiner Plausibilitätskontrolle ältere Wahlergebnisse und Umfragen mit berücksichtigt. Im Normalfall würde dies das Ergebnis wahrscheinlich nicht ändern. Ergäbe sich jedoch eine Situation, in der ein tatsächliches Wahlergebnis stark vom vorigen abweicht oder in der Bürger in Umfragen ihre tatsächlichen Präferenzen nicht nennen, dann wäre das ein Problem. Fragen hierzu wurden - wie oben aufgeführt - von der IVU Traffic Technologies AG aber nicht beantwortet.

Eine potenzielle Lösung für das Problem wäre die gleiche wie für Wahlcomputer: Der Einsatz von Open-Source-Software, die eine umfassende Überprüfung durch alle Bürger erlaubt. Diese Open-Source-Software könnte auch eine gewinnorientierte Firma wie die IVU Traffic Technologies AG herstellen und verkaufen. Die Voraussetzungen dafür, dass sie das macht, sind aber wahrscheinlich die oben angeführten gesetzlichen Anforderungen oder Zulassungsverfahren, die es bislang nicht gibt.

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