Erzrivalen Iran und Saudi-Arabien: Not verbindet

"Angriff auf Riad", Screenshot eines Videos von Ahvaz Voice (YouTube) aus dem Jahr 2017 - siehe: Propaganda-Duell zwischen Iran und Saudi-Arabien
Geheimes Treffen in Bagdad und die märchenhafte Vorstellung, dass sich im Nahen Osten etwas zum Bessern verändern könnte. Iran braucht Zugang zu Corona-Impfstoffen
Erregungszustände versperren den nüchternen Blick. Zum Ende der Amtszeit Trump kam die Hoffnung auf, dass auch Saudi-Arabien ein Normalisierungsabkommen mit Israel schließen könnte.
In der Hitze der Diskussionen über die politische Bilanz des US-Präsidenten, der nicht nur die Wähler in den USA polarisierte, sondern auch Streitigkeiten hierzulande befeuerte, übersahen diejenigen, die Trump gerne einen solchen Triumph gegönnt hätten, dass Saudi-Arabien aus innen- wie auch außenpolitischen Gründen für einen solchen Schritt mit hoher Symbolkraft noch nicht bereit ist.
Aktuell haben Saudi-Arabien und Iran für eine Überraschung gesorgt. Es kam zu einem direkten Treffen angeblich zwischen Delegationen aus beiden Ländern in der irakischen Hauptstadt Bagdad. Das ist eine kleine Sensation, da beide Länder konkurrierende Regionalmächte sind, das Klima zwischendrin ziemlich angeheizt war (Versagen der amerikanischen und saudischen Luftabwehr), beide auf unterschiedliche Weise im Jemen-Krieg verstrickt sind, in der Konfliktzone Libanon und auch im syrischen Konflikt auf unterschiedlichen Seiten stehen. Seit Jahren gab es einen Austausch von Feindseligkeiten, aber seit fünf Jahren keinen diplomatischen Kontakt.
Das Treffen in Bagdad könnte der Auftakt zu einer Phase der Annäherung zwischen den "Erzrivalen" (Tagesschau) sein. Für Elijah Magnier, dem belgischen Journalisten mit gutem Draht und einer gewissen Sympathie zu iranischen Kreisen, liegt die Hoffnung darin, dass die beiden Länder ihre Differenzen ordnen können und die Annäherung "positive Auswirkungen auf die gesamte Region des Nahen Ostens haben wird, solange diese Treffen stattfinden", wie ihm eine Quelle, ein Entscheidungsträger in Bagdad, sagte.
Nach dessen Angaben wurde das Treffen von beiden Seiten als "sehr positiv beschrieben". Zwar gab es, wie dies auch andere Berichte anzeigen, keine Erfolgsmeldungen mit konkreten Details, weil diese gar nicht besprochen wurden, aber eine Vereinbarung, wonach "der wichtigste Schritt die Wiedereröffnung von Konsulaten und Botschaften in beiden Ländern sein wird". Und die Hoffnung, dass die Wiederherstellung der Beziehungen ermögliche, "über den Libanon, Syrien, Irak, Bahrein und Jemen zu sprechen".
Beide Länder haben eine Annäherung nötig
Was daraus nicht hervorgeht, aber Nahost-Beobachtern schon in den Sinn kommt, ist, wie nötig beide Länder eine solche Annäherung haben. Iran geht es wirtschaftlich sehr schlecht. Zwar gibt es hierzulande immer wieder Berichte, die die Nöte thematisieren. Oft geschieht dies in einem Rahmen, der die Repression des Regimes in den Mittelpunkt rückt und aus diesem Fokus heraus die Wirkung der US-Sanktionen relativiert.
Doch gibt es, selbst wenn man inneriranische und weltwirtschaftliche Faktoren für die Wirtschaftsmisere heranzieht, etwa die wirtschaftliche Macht der Revolutionsgarden oder die seit Jahrzehnten bedeutende Abhängigkeit vom US-Dollar, größte Härten, die direkt mit den US-Sanktionen verbunden sind.
Ein drastisches Beispiel dafür ist, dass Iran wegen der US-Sanktionen enorme Schwierigkeiten hat, an Corona-Impfstoffe zu gelangen. Iran ist das Land, das in der Region am stärksten von der Corona-Pandemie betroffen ist, und das ist auch eine Bedrohung für die Führung.
Ausweg aus der Isolation
So liegt der Gedanke nahe, dass sich Iran mit einer Annäherung an Saudi-Arabien einen Ausweg aus einer Isolation sucht, die vital notwendige Lieferketten betrifft. Auf längere Frist könnte eine Annäherung zwischen den beiden regionalen Rivalen auch Kosten senken, die Iran mit der Finanzierung von Milizen hat. Der durchschnittliche Mediennutzer erfährt wenig über die Stimmung in der iranischen Bevölkerung darüber, wie dort angesichts der wirtschaftlichen Nöte über das Engagement der Führung im Jemen, in Syrien, im Libanon und in palästinensischen Gebieten gedacht wird.
Einzeln aufblitzende Eindrücke, wonach es da Unzufriedenheiten in der Bevölkerung gibt, sind von außen schwer zu bewerten, da die iranischen Nachrichtenagenturen da aus Fahnentreue sehr zurückhaltend sind und andere Medienberichte immer dem Verdacht ausgesetzt sind, tendenziell überzubetonen, was in eine westliche Agenda passt.
Saudi-Arabien: Weniger Einnahmen, teurer Jemen-Krieg
Auch Saudi-Arabien steht finanziell nicht mehr so popanzmäßig gut da wie früher. Der Aramco-Börsengang spielt nicht ein, was man sich in Riad versprochen hat. Bei der großzügigen Subventionspolitik, die die Bevölkerung zufriedenstellen soll, wurde an ein paar Stellschrauben gedreht. Der Jemen-Krieg kostet viel Geld und er ist für Saudi-Arabien kein Erfolg.
So überschneiden sich ein paar Interessen zwischen den beiden Ländern, sollten sie eine gemeinsame Verhandlungsbasis finden, um Konflikte zu entschärfen, wäre das hilfreich für eine Politik in der kriegs- und krisengeschüttelten Region, die auf mehr Verhandlungen setzt, statt auf militärische Lösungen und das Prinzip "Zuschlagen, um empfindlich zu treffen".
Schaut man auf die Achtung der Menschenrechte, so ist in beiden Ländern viel zu tun, eine Aufgabe von Generationen.
Es geht nicht um eine Versöhnung aus einem Bilderbuch. Iran hat Machtansprüche in der Region. Die ersten Äußerungen zum Treffen, die die iranische Nachrichtenagentur Irna vom iranischen Botschafter Iraj Masjedi (deutsche Transkription Iradsch Masdschedi) übermittelt, gelten der US-Präsenz im Irak und der Einflusszone Irak.
Masjedi sagte in einem exklusiven Interview mit IRNA, dass die US-Militärpräsenz im Irak nicht im Interesse der Nationen in der Region sei und die im letzten Jahr im irakischen Parlament verabschiedete Resolution eindeutig den Rückzug der USA aus dem Irak fordere. Masjedi betonte, dass der Iran auch den Ausbau der Beziehungen zwischen dem Irak und der arabischen Welt unterstützt, da Bagdad es verdient, seinen politischen Status unter den arabischen Staaten wiederherzustellen.
Iranische Nachrichtagentur Irna
Zur Erinnerung: Nach der Ermordung des iranischen Generals Suleimani durch eine US-Drohne beim Flughafen Bagdad machte Irans Führung in mehreren Botschaften klar, dass es ihr Ziel sei, der US-Präsenz in der Region ein Ende zu setzen.