Haarsträubende Hindernisjagden

Zweiter von rechts ist Rayman

Rayman Legends lässt Spieler atemlos zurück und begeistert mit fantasievollen Welten

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Das Genre der Side-Scroller wurde in den letzten Jahren vor allem von Independent-Seite befüttert. Da gab es Spiele wie Super Meat Boy und VVVVVV, die mit beinharten Geschicklichkeitsprüfungen punkten. Und es gab Spiele wie Limbo oder The Swapper, die das zweidimensionale Platforming mit spannenden Rätseln bereichern. Herausragende Kritiken erhielt nicht nur das 2-D-Schleichspiel Mark of the Ninja, sondern auch das pixelige Höhlenabenteuer Spelunky, das gerade den Sprung auf PS3 und PS Vita geschafft hat. Während die Indie-Side-Scroller florieren, beschränken sich die großen Publisher weitgehend auf etablierte Marken wie Mario Bros., Sonic und LittleBigPlanet. Auch Rayman ist eine etablierte Marke - sie existiert bereits seit 1995. Erstaunlich ist allerdings, das sie keinerlei Alterserscheinungen aufweist und sich dem Mainstream nur bedingt unterordnet. Das gerade erschienene Rayman Legends verströmt einen Spirit, der in seiner Frische eher an eine Indie-Produktion erinnert.

Diese Frische hat nun eher wenig mit dem grundlegenden Spielprinzip zu tun. Denn Rayman und seine Gefährten tun vor allem das, was sie schon immer getan haben: Sie laufen, springen und verteilen Ohrfeigen - das Ganze oft in einem irrsinnigen Tempo. Der Abwechslungsreichtum von Rayman Legends liegt vielmehr in der thematischen Vielfalt seiner Spielwelten, der Expressivität seiner Figuren und der stets neuen Aufgaben, die das Spiel auf spektakuläre Weise inszeniert.

So manche der Spielwelten - sechs gibt es insgesamt - besitzt eine geradezu surreale Atmosphäre. Herausragendes Beispiel ist die "Fiesta de los Muertos", bei der sich Gamedesign-Legende Michel Ancel vom mexikanischen Tag der Toten hat inspirieren lassen. In dieser Welt turnt Rayman durch eine grotesk überdimensionierte Essenslandschaft: Tomatenhälften dienen als Trampoline, geschälte Gurken als Brücken, und immer wieder muss Rayman Sturzbächen von Chili-Sauce ausweichen. Auf zuckertriefenden Snacks gleitet er dem Abgrund entgegen, nur um sich im letzten Moment per Doppelsprung auf eine Kuchenplattform zu retten, wo er sogleich einem tanzenden Skelett eine Backpfeife verpasst. Der Kuchen wiederum ist häufig mit scharfen Reißzähnen versehen: Um da schadlos durchzukommen, muss Rayman sich durch die Tunnel pirschen, die Tausendfüßler zuvor ins Backwerk gefressen haben. Wer kurz nicht aufpasst, landet in glühender Chili-Sauce - oder in einem recht ungemütlichen Bett aus Kaktusstacheln.

Die Handlung ist wie bei früheren Rayman-Spielen nur Nebensache. Um es kurz zu machen: Während Rayman, Globox und die Kleinlinge ein ganzes Jahrhundert lang schliefen, haben Alpträume die Welt erobert und die Kleinlinge entführt. Rayman und seine Gefährten machen sich nun mit Hilfe des listigen Murfy daran, die Gefangenen wieder zu befreien und den Missetätern das Handwerk zu legen. Wie üblich können Spieler auswählen, welche Teilwelt sie zuerst erkunden möchten - die Auswahl ist zu Beginn des Spiels allerdings noch eingeschränkt und erweitert sich erst dadurch, dass man Kleinlinge befreit und Lums einsammelt.

Die Eingänge zu den Teilwelten befinden sich in Gemälden, die in einer weitläufigen Galerie stehen - so bleibt der Aufbau des Spiels auch angesichts zahlreicher Nebenmissionen halbwegs übersichtlich. Rayman Legends bietet nicht weniger als 120 Level, von denen allerdings 40 aus dem Vorgänger Rayman Origins entnommen und remastered worden sind. Eine besondere Herausforderung ist die "Invaded"-Version der Level: Sie ist nicht nur mit neuen Feinden und Fallen gespickt, sondern muss auch in einer bestimmten Zeit absolviert werden. Auch Boss-Fights gibt es in Rayman Legends einige zu bestehen: So endet die "Fiesta de los Muertos" mit dem Kampf gegen einen gewaltigen Catcher, dem es durch geschicktes Springen und durch nadelstichartige Attacken beizukommen gilt. Um die Boss-Kämpfe noch unberechenbarer zu gestalten, haben die Entwickler sogar 3-D-Elemente eingebaut.

Am meisten Spaß macht Rayman Legends natürlich nicht alleine, sondern in der Gruppe. Die Fassungen für PC, PS3 und Xbox 360 bieten einen lokalen Koop-Modus für maximal vier Spieler: Als Figuren stehen dabei Rayman, Globox , die schwertschwingende Heldin Barbara sowie die Kleinlinge zur Verfügung. In der Fassung für Wii U kann ein zusätzlicher Spieler den Charakter Murfy über das Touchpad kontrollieren. Auf der PS3 soll das im Zusammenspiel mit der PS Vita möglich sein - deren Fassung erscheint allerdings erst am 12. September. Der fliegende Kobold Murfy nimmt in Rayman Legends eine Sonderstellung ein: Er erreicht auch entlegene Punkte, die den springenden Helden vorenthalten sind. Um die Gefährten zu unterstützen, kann Murfy Seile durchschneiden, Plattformen drehen, Gegner festhalten und Lums einsammeln. Die entsprechenden Rätsel sind durchweg recht einfach zu lösen - entscheidend ist aber, im Koop-Gewusel das richtige Timing und die notwendige Genauigkeit zu finden.

Dem Murfy-Modus ist anzumerken, dass er vor allem auf die Möglichkeiten der Wii U zugeschnitten ist. Rayman Legends war ursprünglich als Starttitel für die Nintendo-Konsole geplant, wurde dann aber verschoben. Dahinter stand die Entscheidung von Ubisoft, das Spiel als Multiplattform-Titel herauszubringen; die bereits fertige Wii-U-Fassung wurde also erst einmal auf Eis gelegt. Die Fans waren über die Verzögerung übrigens derart erbost, dass sie eine Petition starteten - im Februar 2013 schloss sich sogar Michel Ancel den Protesten an. Diese Kontroversen sind nun zwar beendet, doch will das Murfy-Gameplay nicht so recht zum Singleplayer-Modus auf PC, PS3 und Xbox 360 passen. Hier muss man nämlich beide Aufgaben übernehmen: Per Knopfdruck lässt man Rayman springen, um im nächsten Augenblick als Murfy eine wegschmelzende Brücke zu bauen oder ein Seil zu kappen. Für den durchschnittlich begabten Spieler sind diese blitzartigen Wechsel eine große Herausforderung - man sollte sich also gerade für die höheren Level auf Dutzende vorzeitiger Tode einstellen. Zum Glück sind die Speicherpunkte im Spiel fair verteilt, so dass man nur selten längere Abschnitte wiederholen muss. Die Murfy-Level im Singleplayer-Modus der Wii U funktionieren übrigens noch einmal anders: Hier wechselt man auf das Gamepad, um den vorübergehend KI-gesteuerten Rayman/Globox zu unterstützten.

Über alle Zweifel erhaben ist Rayman Legends beim Level-Design. Ständig finden sich neue Herausforderungen: Mal schleicht man agentengleich durch laser-überwachte Kammern oder taucht durch verminte Unterwasserwelten ("20.000 Lums unter dem Meer"), mal springt und schwebt man in luftiger Höhe durch den Urwald ("Die Zauberkröte"). Dabei lohnt es sich, jeden noch so unbedeutend scheinenden Winkel zu erkunden, denn überall stößt man auf versteckte Level-Äste mit gefangenen Kleinlingen. Wer sich zwischen den zunehmend anspruchsvollen Missionen auflockern möchte, kann auch eine Partie Kung Foot spielen: Das turbulente Fußball-Minispiel ist fast schon eine Auskopplung wert.

Seine ganz großen Stärken spielt Rayman Legends atmosphärisch aus. Liebenswerte Helden, knallig bunte Level und ein mitreißender Soundtrack machen den Side-Scroller zum Gesamtkunstwerk. Hochgradig unterhaltsam sind die Level, in denen Feinde und Fallen im Takt der Musik auftauchen. Ein atemloser Parcours, dazu die Klänge von Ram Jams "Black Betty" - diese Mischung reißt selbst abgebrühteste Zocker mit.

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