Hohe Strompreise: Wie Netzentgelte und Energiewende die Bürger belasten

Die Strompreise bereiten vielen Bürgern Sorgen. Bild: Bastian Weltjen, Shutterstock.com

Zahlen zum Stromverbrauch schwanken. Klar ist: Die Deutschen zahlen EU-weit mit am meisten. Wer aber wieder auf Atomstrom setzt, sollte nach Frankreich schauen.

Haben die deutschen Haushalte ihren Stromverbrauch erhöht? Und was bedeutet das für die Verbraucher, die für Energie und Kraftstoffe zuletzt deutlich tiefer in die Tasche greifen mussten?

Laut einem Vergleichsportal ist der Stromverbrauch im Jahr 2023 gestiegen. Diese Meldung machte am Dienstag dieser Woche die Runde. Doch dazu muss man wissen: Der angebliche Trend beruht auf einer nicht repräsentativen Auswertung eigener Daten.

Demnach verbrauchte ein Haushalt im vergangenen Jahr durchschnittlich rund 3.150 Kilowattstunden (kWh) gegenüber 2.800 kWh im Vorjahr.

Damit normalisiere sich der Verbrauch wieder, nachdem er 2022 wegen der hohen Energiepreise im Zuge der Energiekrise nach dem russischen Angriff auf die Ukraine stark gesunken war, teilte das Portal Check24 am Dienstag mit.

Die Bundesnetzagentur weist allerdings einen gegenläufigen Trend aus: Die sogenannte Netzlast lag 2023 nach offizieller Messung um deutlich mehr als fünf Prozent niedriger als im Vorjahr, die Gesamterzeugung um gut neun Prozent.

Der als Netzlast bezeichnete Gesamtverbrauch lag 2023 bei 456,8 Terawattstunden, im Vorjahr waren es noch 482,6 Terawattstunden.

Sinkende, aber immer noch hohe Energiepreise

Check24 meint herausgefunden zu haben, dass die Verbraucher im Jahr 2023 rund acht Prozent weniger für Strom als im Vorjahr zahlten. Für 3.500 kWh Strom mussten die Deutschen demnach durchschnittlich 1.383 Euro ausgeben, nach 1.509 Euro im Jahr 2022.

Die Daten sind nicht repräsentativ, da sie auf einer Auswertung aller über das Portal im Jahr 2023 abgeschlossenen Verträge und den darin von den Kunden angegebenen Verbrauchswerten basieren.

Gute Nachrichten also? Tatsächlich blicken Experten eher skeptisch auf den deutschen Energiemarkt. Nach Belgien und Liechtenstein hat Deutschland laut Statistischem Bundesamt die dritthöchsten Strompreise für private Haushalte in Europa. Vor allem kleine und mittlere Haushalte mit einem Jahresverbrauch unter 5000 Kilowattstunden (kWh) müssen tief in die Tasche greifen.

Netzentgelte schlagen zu Buche

Wesentliche Anteile der Kosten entfallen auf Netzentgelte für den Betrieb des Stromnetzes, verschiedene Steuern und Abgaben sowie die Energiebeschaffung, schreibt die Fachzeitschrift Wirtschaftswoche.

Auch energiepolitische Entscheidungen und regulatorische Rahmenbedingungen spielten eine Rolle, so die Zeitschrift, die zudem den Umstieg von fossilen Brennstoffen wie Kohle auf erneuerbare Energien als Kostentreiber ausmacht.

Nach Angaben des Vergleichsportals Verivox liegt der aktuelle Strompreis in Deutschland beim günstigsten Anbieter für Neukunden bei durchschnittlich 25,6 Cent/kWh brutto (Stand: 18. März 2024).

Für einen Durchschnittshaushalt mit einem Jahresverbrauch von 3000 bis 4000 kWh betragen die reinen Stromkosten etwa 768 bis 1024 Euro. Hinzu kommt der Grundpreis, der je nach Stromanbieter variieren kann.

Zu Beginn des Jahres sind zudem die regional unterschiedlichen Netzentgelte gestiegen. Grund dafür ist die Entscheidung der Bundesregierung, einen geplanten Zuschuss in Höhe von 5,5 Milliarden Euro zur Stabilisierung der Netzentgelte für das Jahr 2024 aufgrund der Haushaltskrise zu streichen.

Als Reaktion darauf haben die Netzbetreiber angekündigt, die Netzentgelte von rund drei Cent pro Kilowattstunde auf über sechs Cent zu erhöhen.

Diese Netzentgelte decken die Kosten für den Betrieb und den Ausbau der Stromnetze, erklärt die Wirtschaftswoche. Sie werden von den Netzbetreibern erhoben.

Hinzu komme, so das Blatt, dass mit der Energiewende das Stromnetz auf Millionen von Solaranlagen und Windrädern umgestellt werden müsse. Dieser Umbau sei teuer und führe vor allem in den dünn besiedelten, aber windreichen Regionen im Norden und Osten Deutschlands zu stetig steigenden Netzentgelten.

Teurer Atomstrom in Frankreich

Wer aber wie die Unionsfraktionen und die AfD im Bundestag auf eine Renaissance der Atomkraft setzt, sollte einen Blick auf den Strommarkt der Atomkraftnation Frankreich werfen. Denn dort sind die Strompreise in die Höhe geschnellt, wie das Internationale Wirtschaftsforum Regenerative Energien in Münster betont.

So beläuft sich in Frankreich die jährliche Stromrechnung für ein Einfamilienhaus mit einem Jahresverbrauch von 4.000 Kilowattstunden im staatlich regulierten "Tarif Bleu" neuerdings auf rund 1.385 Euro. In Deutschland liegen die Stromkosten für einen Haushalt mit diesem Verbrauch derzeit bei durchschnittlich 1.425 Euro.

Der Preisanstieg in Frankreich ist auf die schrittweise Abschaffung der Strompreisbremse durch die Regierung in Paris zurückzuführen. Mit dieser Maßnahme hatte die Regierung den Anstieg der Strompreise auf vier Prozent im Jahr 2022 begrenzt.

Seit Februar 2023 wurden die Preise in vier Schritten erhöht, zuletzt im Februar dieses Jahres um weitere zehn Prozent. Im Februar 2025 soll zudem die "Steuer auf den Endverbrauch von Elektrizität" erhöht werden.

Folgen der Preisdeckelung in Frankreich

Die Preisdeckelung hatte zur Folge, dass der staatliche Energieversorger EDF den fehlenden Strom zu historisch hohen Preisen in den Nachbarländern einkaufen musste und die Mehrkosten wegen der Deckelung nicht weitergeben durfte. Dadurch stiegen die Schulden des Unternehmens allein bis 2022 um rund 18 Milliarden Euro auf den Rekordwert von knapp 65 Milliarden Euro.

Im vergangenen Jahr konnte EDF allerdings wieder einen hohen Gewinn verbuchen, der die Schulden um rund zehn Milliarden reduzierte. Nach Angaben des Finanzministeriums hat der Staat während der Subventionsphase 37 Prozent der Stromkosten des Landes übernommen, was neun Milliarden Euro pro Jahr entspricht.

Frankreich: EDF zieht Preise an

"Auf jeden Fall wird Atomstrom in Frankreich künftig nicht mehr so billig sein wie bisher", schreibt Joachim Wille vom Portal klimareporter.de. Denn die Produktionspreise könnten vom Staat nicht weiter künstlich niedrig gehalten werden.

Wille weist darauf hin, dass der festgelegte Großhandelspreis für Strom aus französischen Atomkraftwerken bisher bei 4,2 Cent pro Kilowattstunde lag, "ab 2026 sollen es dann sieben Cent sein, eine Steigerung um 67 Prozent":

Darauf haben sich die Regierung in Paris und der EDF-Konzern Ende 2023 geeinigt. Ob die Erhöhung ausreicht, um die Reaktoren kostendeckend zu betreiben und die geplante Serie neuer Atomkraftwerke zu finanzieren, bleibt jedoch fraglich.

Joachim Wille vom Portal klimareporter.de