Indien: Zollstreit mit den USA und zähe Gespräche mit der EU

Mumbai bei Nacht. Foto: Bhatakta Manav, shutterstock
Indien sieht sich mit US-Strafzöllen auf Stahl und Aluminium konfrontiert. Zugleich Dialog um Freihandel mit EU. Für Delhi steht viel auf dem Spiel.
Gerade verhängte US-Präsident Donald Trump Strafzölle von 25 Prozent auf Stahl- und 10 Prozent auf Aluminiumimporte aus Indien. "Was immer sie verlangen, nehme ich auch", versucht der US-Präsident seine Politik als notwendige Retourkutsche zwischen gleichwertigen Handelspartnern zu kaschieren.
Die indische Stahl- und Aluminiumindustrie befürchtet infolgedessen Einbußen von bis zu 240 Millionen US-Dollar. Dennoch signalisiert die Stahlindustrie Entwarnung: Wenn man bei einer Produktion von 145 Millionen Tonnen 95.000 Tonnen weniger exportieren könne, spiele das keine große Rolle. Die Global Trade Research Initiative (GTRI) riet der indischen Regierung sogar, alle Gespräche mit den USA auszusetzen und Gegenzölle zu verhängen ‒ wie andere Nationen auch.
Trump beleidigt Indien öffentlich mit falschen Daten. Unter solchen Umständen ist kein ausgewogenes Ergebnis möglich. Indien sollte sich aus allen Verhandlungen zurückziehen und sich darauf vorbereiten, mit ihnen umzugehen, wie es andere Länder tun. Ajay Srivastava, Gründer von GRTI.
Bezogen auf den Gesamthandel seien die gewichteten Zollsätze für US-Waren nur 4,9 Prozent höher als die, die die USA auf indische Produkte anwenden. US-Beamte stellten die Handelszahlen häufig falsch dar. So habe Trump beispielsweise behauptet, das Handelsdefizit der USA mit Indien betrage 100 Milliarden Dollar, während es nach den offiziellen Angaben Indiens unter 45 Milliarden Dollar liege.
Vor allem Agrarthemen bereiten Delhi Sorge
Srivastava, der früher im Handelsministerium tätig war, wandte sich vor allem entschieden gegen die Öffnung des Agrarsektors und erklärte, dass die indische Landwirtschaft über 700 Millionen Menschen ernähre, während es in den USA weniger als 7 Millionen seien. Tatsächlich hat die Zahl der Beschäftigten in der Landwirtschaft in den letzten Jahren sogar noch zugenommen und liegt jetzt bei 46 Prozent.
Angesichts dieser Situation kann es nicht verwundern, dass sich auch die seit Juni 2023 laufenden Verhandlungen zwischen Indien und der Europäischen Union über ein Freihandelsabkommen schwierig gestalten. Im Zentrum stehen nicht nur Zölle, sondern auch Fragen des Marktzugangs und Regulierungspolitiken. Und auch hier prallen die gegensätzlichen Interessen vor allem im Agrarsektor aufeinander.
Freihandelsabkommen mit der EU?
Indien möchte seine Agrarexporte in die EU steigern, stößt aber auf Hürden durch strenge EU-Gesetze zu Pestiziden, Tiergesundheit und genetisch veränderten Organismen (GVO). Auch Vorgaben zu Tierschutz und Nachhaltigkeit erschweren den Zugang für indische Produkte. So dürfen beispielsweise keine Antibiotika zur Wachstumsförderung eingesetzt werden.
Im Gegenzug für mehr Agrarexporte verlangt die EU von Indien, die hohen Zölle auf Milchprodukte, Wein und Autoteile zu senken. Indien schützt seinen Markt mit Zöllen von bis zu 150 Prozent auf Milchprodukte und 50 Prozent auf Wein. Vor allem die bäuerlich organisierte indische Milchwirtschaft fürchtet bei niedrigeren Zöllen eine Schwemme billiger Importe aus der EU. Denn sie hat der hoch industrialisierten Veredelungsindustrie in der EU nur wenig entgegenzusetzen.
Darüber hinaus will die EU bessere Bedingungen für europäische Investoren, zu denen auch Internationale Schiedsinstanzen zählen sollen, sowie die Möglichkeit, sich um öffentliche Aufträge bewerben zu können. Indien will etwaige Streitigkeiten dagegen weiterhin vor lokalen Gerichten verhandelt wissen und öffentliche Aufträge indischen Firmen vorbehalten.
Beidseitig erhebliche Handelshemmnisse
Indien lehnt zudem das Vorhaben der EU ab, ab Januar 2026 Zölle von 20 bis 35 Prozent auf CO2-intensive Produkte wie Stahl, Aluminium und Zement zu erheben. Die EU besteht jedoch auf dem Plan, der als Teil ihrer Politik zur Förderung regenerativer Energieerzeugung gilt.
Schließlich lehnt Indien auch die EU-Verordnung zur Abholzung von Wäldern ab, die besagt, dass in die EU importierte Produkte nicht von Flächen stammen dürfen, die nach dem 31. Dezember 2020 abgeholzt wurden. Diese Verordnung tritt ab Dezember für große und ab Juni 2026 für kleine Unternehmen in Kraft.
Ob Freihandel oder nicht: Die europäischen Verbraucher werden im Falle Indiens keine wesentlichen Veränderungen zu spüren bekommen. Ob Apple/Foxconn sein neuestes iPhone in Indien oder China produzieren lässt, merkt man weder dem Produkt noch dem Preis an.
Erschließung des riesigen indischen Marktes steht im Vordergrund
Vielleicht werden einige Produkte aus Indien etwas preiswerter und einige europäische Qualitätsrichtlinien etwas lascher. Doch viel mehr geht es um strategische Fragen der Marktöffnung Indiens für die westliche Industrie und ihre Produkte sowie um die Möglichkeit, Lieferketten aus China auszulagern.
Klar ist: Indien muss einen Weg finden, um seine Handelsbeziehungen sowohl mit den USA als auch mit der EU neu zu ordnen, wenn das Land sich im Zuge seiner Entwicklung weiter in die Weltwirtschaft integrieren will.
Klar ist aber auch, dass vor allem die Interessen der indischen Landwirtschaft dabei weiterhin eine zentrale Rolle spielen werden. Denn von ihr hängt die Ernährung der mehr als 1,4 Milliarden Menschen ab. Und die Ernährungslage auf dem Subkontinent ist auch so immer noch sehr bedenklich.