Photovoltaik: Der Irrtum auf dem Dach

Eine dezentrale Produktion von Energie aus erneuerbaren Quellen gilt oft als Königsweg zur Energiewende. Dabei sind die Kosten höher als der Nutzen

Der Ausbau der Photovoltaik (PV) und Windenergie verbinden viele mit einem notwendigen Wechsel von einer zentralen hin zu einer dezentralen Energieversorgung. Hinzu kommt die verbreitete Vorstellung, man müsse bereits jetzt massiv Stromspeicher bauen, um Erzeugung und Verbrauch besser aufeinander abzustimmen.

Das Streben nach möglichst hoher Autarkie, von Privathaushalten über Wohnquartiere bis hin zu ganzen Regionen gilt als notwendiger Beitrag zum Klimaschutz.

Jeder, der eine eigene PV-Anlage auf dem Dach hat, möchte möglichst viel davon in seinem eigenen Haushalt verbrauchen, um möglichst wenig Strom von den "bösen" Energiekonzernen kaufen zu müssen. Die Erhöhung des Eigenverbrauchs des Solarstroms durch Batteriespeicher wird dabei auch noch mit Steuergeldern gefördert.

Die wenigsten hinterfragen jedoch die Sinnhaftigkeit dieser ganzen Strategie. Im Rahmen einer Kurzstudie über das Potenzial zur Erzeugungs- und Lastverschiebung in Wohnquartieren hat der Autor die aktuelle Studienlage zu diesem Themenkomplex untersucht. Dabei ergaben sich einige überraschende Erkenntnisse.

So zeigt sich, dass die Energiewende mit einer stark dezentralen Struktur der PV- und Windanlagen eher teurer ist als eine mit einer eher zentralen Energieversorgung. Dies liegt zum einen daran, dass man Ökostrom günstiger produzieren kann, wenn man die Anlagen dorthin baut, wo die besten Wind- und Sonnenressourcen sind, was ja nicht immer unbedingt in der unmittelbaren Nähe der Verbraucher der Fall ist.

Zum Anderen sind wenige zentrale Großanlagen durch Skaleneffekte günstiger als viele Kleinanlagen. Diese beiden Effekte überwiegen die mögliche Einsparung von Netzausbaukosten bei einer eher verbraucherorientierten Verteilung der Anlagen.

Deshalb wurde und wird mehr Windenergie im windreichen, aber verbrauchsarmen Norden Deutschlands gebaut und gleichzeitig entsprechende Übertragungskapazitäten in den Süden.

Letztendlich ist die bisherige Energieversorgung sogar dezentraler und netzdienlicher als die zukünftige gewesen, weil die konventionellen Kraftwerksstandorte sich nach den Regionen hohen Lastbedarfs richten konnten, während man den Großteil der Wind- und PV-Anlagen aus ökonomischen Gründen eben vor allem dorthin baut, wo es viel Wind, Sonne und Platz für Großanlagen gibt.

Der Mythos, dass Speicherausbau bereits jetzt wichtig sei, um Erzeugung und Verbrauch besser aufeinander abzustimmen, hält einem Realitätscheck ebenfalls nicht stand. Aktuell werden nur etwa vier Prozent des Ökostroms abgeregelt; und das auch nicht, weil die Ökostromerzeugung den Verbrauch übersteigen würde, sondern meistens wegen lokaler Netzengpässe in der Nähe von Windparks.

Speichertechnik ist ineffizient

PV-Strom wird so gut wie nicht abgeregelt, und wenn, dann nur bei Großanlagen in dünn besiedelten Gebieten. Die Millionen PV-Batteriespeicher dienen also weitestgehend nur der Speicherindustrie und dem vermeintlichen Gefühl, etwas Gutes damit zu tun, obwohl sie in Wirklichkeit durch die Herstellung und durch die Speicherverluste zu Mehremissionen führen.

Eine möglichst hohe Stromautarkie von Haushalten, Wohnquartieren oder Regionen ist kein Wert an sich, sondern der damit verbundene Aufwand muss daran gemessen werden, inwieweit damit tatsächlich Netzausbaukosten und/oder Emissionen eingespart werden können. Und da zeigt sich, dass der Netzausbau in den allermeisten Fällen deutlich ökonomischer ist als der Einsatz von Speichern, selbst wenn die Speicher netzdienlich betrieben werden, was bei den momentan installierten PV-Speichern nicht der Fall ist.

Selbst wenn mit Speichern im Einzelfall die Abregelung von Ökostrom reduziert werden kann, sind die Kosten pro "gerettete" Kilowattstunde Ökostrom so exorbitant hoch, dass man mit demselben Aufwand ein Vielfaches an Ökostrom durch simplen zusätzlichen Ausbau der PV- und Windkapazität erzeugen könnte.

Selbst das berühmte smart grid, bei dem mit modernster Digitaltechnik Erzeuger und Verbraucher aufeinander abgestimmt werden sollen, zeigt in Studien keine wesentliche Kosteneinsparung, da der Hard- und Softwareaufwand vergleichbar hoch wie die Netzkosteneinsparung ist.

Einzig die Steuerung des Ladevorgangs von Elektroautos scheint hier ein gewisses Potenzial zu bieten, wobei das der Akzeptanz der E-Mobilität nicht gerade zuträglich wäre. Akkus von E-Autos zur Netzstützung in das Netz zu entladen klingt zwar technisch elegant, wird aber daran scheitern, dass die allerwenigsten bereit sein werden, die teuerste Komponente ihres Elektroautos durch den Netzbetreiber "verschleißen" zu lassen.

Viele Dinge, bei denen Lobbygruppen vehement nach staatlichen Förderungen rufen, werden für hundertprozentige Klimaneutralität unzweifelhaft benötigt. Sinnvoll sind sie jedoch oft erst für den allerletzten Schritt zur Klimaneutralität.

Momentan werden jedoch noch nicht einmal 20 Prozent unseres Primärenergiebedarfs durch erneuerbare Energien gedeckt. Solange man noch nicht in die Nähe von etwa 70 Prozent kommt und fossile Kraftwerke signifikante Anteile unserer Stromversorgung bilden, sollte man alle verfügbaren Kräfte in die unzweifelhaft wirksamsten Dinge wie den Ausbau der Wind- und PV-Energie oder die Gebäudesanierung stecken.

Der Autor Andreas Luczak ist seit 2016 Professor für Regenerative Energien an der Fachhochschule Kiel. Zuvor war er mehr als 15 Jahre bei Siemens tätig und führte als Geschäftsführer des europäischen Ablegers eines chinesisch-amerikanischen Unternehmens deren Redox-Flow-Speichertechnik in Europa ein. Sein unlängst erschienenes Buch trägt den Titel "Deutschlands Energiewende – Fakten, Mythen und Irrsinn".