Terroranschlag in Frankreich: Le Pen will die "totale Antwort"

Avenue des Champs-Élysées, Bild aus friedlichen Zeiten, 2014: daryl_mitchell / CC BY-SA 2.0

Die Fahnder rätseln über den IS-Kampfnamen des Terroristen, der als Schwerkrimineller vorbestraft war und dessen Absichten, Polizisten zu töten, den Behörden bekannt waren

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Mit einer Folge von an die dreißig Tweets reagierte Marine Le Pen auf das Attentat vom Donnerstagabend (Der Islamische Staat erklärt sich für den Anschlag in Paris verantwortlich). Sie packte alles hinein, was der Anschlag an Argumenten gegen eine laxe Regierung und eine laxe Justiz und für ein härteres Durchgreifen und für Patriotismus hergibt.

Sie verweist darauf, wie symbolisch wichtig der Ort des Attentats, die Champs-Elysées, "für jeden Franzosen" ist, womit sie indirekt wohl auch auf Bilder anspielte, die in der kollektiven Erinnerung nach wie vor präsent sind: die Siegesparaden der deutschen Armee auf der Pariser Prachtstraße.

"Krieg" und schärfere Gesetze

Sie spricht vom Krieg, den die hegemoniale monströse Ideologie des Islamismus gegen "unsere Nation, gegen die Vernunft, gegen die Zivilisation" erklärt habe, dass der Krieg gegen jeden Franzosen erklärt wurde, dass er die totale Unterwerfung zum Zielhabe und sie stellt fest, dass dieser Krieg eine "globale und eine totale Antwort des ganzen Landes" brauche.

Dann kommt sie zu konkreten Forderungen: die sofortige Wiederherstellung der nationalen Grenzen, die Ausweisung aller Ausländer, die eine Akte fiche S haben, die Verstärkung der militärischen Kapazitäten für den effektiven Einsatz gegen Terroristen, das Verbot salafistischer Organisationen, insbesondere der Muslimbrüder, das Ausweisen von Hasspredigern, das Schließen islamistischer Moscheen, Kampf gegen die Abschottung muslimischer Parallelgesellschaften, das spezifische Stichwort dafür in Frankreich heißt "communautarisme" und neue restriktive gesetzliche Regelungen bei der Einwanderung, beim Asylrecht und beim Erwerb der Staatsbürgerschaft.

Die Forderungen sind der französischen Öffentlichkeit freilich längst bekannt. Das Attentat verschaffte der rechten Front-Kandidatin noch einmal die Gelegenheit, der von ihr seit langem angemahnten gesetzgeberischen und exekutiven Laxheit der Regierung markante Forderungen gegenüber zu stellen. Nach dem vorherrschenden Konsens der Einschätzungen hätte Le Pen nur dann eine Chance auf den Wahlsieg, wenn sie ihn bereits in der ersten Wahlrunde am kommenden Sonntag eine Mehrheit erzielt.

Ob das Attentat Marine Le Pen dabei tatsächlich so viel Stimmen zutragen kann, ist eine Spekulation, die bei Medien in Frankreich beliebt ist, ähnlich wie bei deutschen Medien Spekulationen über einen russischen Einfluss (siehe den "Faktenfinder der Tagesschau": Keine Kampagne, aber eine Strategie, wo es heißt, dass "angekündigte Enthüllungen bislang ausblieben".)

Die Ermittlungen

Die Ermittlungen im Fall des Mannes, der am Donnerstagabend einen Polizisten auf den Champs-Elysées erschoss und zwei andere Polizisten verletzte, einen davon sehr schwer, bringen tatsächlich Haarsträubendes zutage.

Der "mutmaßliche Täter", der noch am Tatort erschossen wurde, war der Polizei, den Geheimdiensten und der Justiz als mehrfach vorbestrafter Schwerkrimineller bekannt, der seinen Hass auf Polizisten schon vor Jahren mit Tötungsversuchen bewies und aus seiner Absicht, dies zu wiederholen, kein Hehl machte. Bekannt war den Sicherheitsbehörden, dass er sich dafür Waffen besorgen wollte

Obwohl über ihn entgegen anfänglicher Meldungen keine Fiche S-Akte angelegt war, war er beim Geheimdienst unter den Personen registriert, bei denen Radikalisierungsverdacht bestand. Karim Cheurfi, der lange Jahre im Gefängnis verbrachte, stand im Visier der Behörden und der Polizei. Zuletzt wurde er Anfang April noch vor einen Richter geladen, weil er mit einer Reise nach Algerien, die er von Mitte Januar bis Mitte Februar dieses Jahres unternommen hatte, gegen Behördenauflagen verstoßen hatte.

Konsequenzen hatte dies jedoch für den gebürtigen Franzosen nicht. Die Zeitung Le Parisien berichtet davon, dass Cheurfi am 23. Februar in Polizeigewahrsam genommen wurde, da man den Verdacht hatte, er sei radikalisiert worden.

Fragen nach Fundstücken in seiner Wohnung, "dolchartigen Messern", Gegenständen, die sich zur Fesselung eignen und einer Horrormaske beantwortete der Verdächtige mit harmlosen Erklärungen ("für die Küche", "zum Heimwerken", "weil Karneval ist"). Der Nachweis anderer Motivationen war der Polizei nicht möglich.

Am Tatort fiel Cheurfi laut Medienberichten ein Zettel aus der Hosentasche, der seine Verbundenheit mit dem IS erklärt. Der IS selbst reagierte sehr schnell und bezeichnete den Attentäter über Amaq als "Soldaten des IS", allerdings gab man ihm einen Kampfnamen, der auf eine belgische Herkunft schließen lässt. Cheurfi hatte, nachdem was über ihn bekannt ist, keine Bezüge zu Belgien. Nun spekuliert man darüber, ob sich der IS möglicherweise getäuscht hat oder ob noch ein anderer Mann unterwegs ist, der den Namen Abou Youssouf Al-Belgiki trägt.