"Wir wiederholen die Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre"

Seite 2: Mehrheitsinteressen setzen sich nicht durch

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Der westliche Oligarchenkapitalismus entfache nicht nur Kriege, er gefährde auch die Demokratie in Europa. Demokratie bedeute, dass sich die Interessen der Mehrheit durchsetzen, erläuterte der frühere Vorsitzende der Linken. Wer heute aber auf Steuern, Arbeitnehmerrechte, Rente oder Kriege schaue, der sehe, dass meist gegen die Interessen der Mehrheit entschieden werde. "Wir haben keine Demokratie in Europa." Wenige Reiche entschieden, wo es lang gehe. "Die Interessen der Wirtschaft stehen über allem."

Auch Lafontaine warnte vor einer gegenseitigen Abschottung europäischer Länder. "Wir brauchen keine Re-Nationalisierung, sondern eine Re-Demokratisierung." Dabei beginne Demokratie in den Betrieben. Menschen müssten dort selbstbewusst für ihre Interessen streiten dürfen. "Wir brauchen Belegschaftsunternehmen", forderte Lafontaine. Viel mehr Gesetze müssten zudem statt im "Lobbyistensumpf" in Brüssel wieder vor Ort in Städten und Gemeinden gemacht werden dürfen.

Der Kapitalismus sei es, der Europa destabilisiert, unterstrich Lafontaine. Selbst Konservative hätten das inzwischen erkannt. So habe selbst der aktuelle Papst schon betont, dass diese Wirtschaft tötet. Die Wirtschaft versuche auch mit Abkommen wie TTIP oder CETA weiter die Demokratie auszuhebeln. Die linken Politiker riefen zur Teilnahme an den Demonstrationen gegen das Freihandelsabkommen während des anstehenden Besuchs des US-Präsidenten Barack Obama Ende April in Hannover auf.

"Merkel zeigt kein Herz für Flüchtlinge"

Auch zum Thema Flüchtlinge äußerten sich Lafontaine und Varoufakis: Nur da sich etablierte Parteien nicht um die Interessen der Mehrheit kümmerten, habe die Partei Alternative für Deutschland (AfD) mit dem Flüchtlingsthema eine Chance bekommen, meinte Lafontaine. Die Zerstörung des Sozialstaates habe der Rechtsradikalisierung den Weg bereitet. Wer Menschen vieles kürzt, kann nicht erwarten, dass sie Flüchtlinge mit offenen Armen empfangen, erklärte er. Dementsprechend folge auch die AfD einem antisozialen Programm.

Aber auch Angela Merkel und die Wirtschaftseliten zeigten kein "Herz für Flüchtlinge", sagt er. Die Kanzlerin sei unglaubwürdig, weil sie sich für bedürftige Menschen in Deutschland nicht einsetze. Sie schließe Steuererhöhungen für Reiche aus, stattdessen wolle sie wegen der Flüchtlinge über Ausnahmen vom Mindestlohn diskutieren. Die Wirtschaft sehe in den Asylsuchenden auch lediglich billige Arbeitskräfte.

Die deutsche Kanzlerin habe einen skandalösen Vertrag mit der Türkei geschlossen - einem Land, in dem der Präsident die Polizei in Zeitungsredaktionen schicke, sagte Varoufakis. Griechenland werde nun gezwungen, Flüchtlinge in die Türkei zu deportieren. Europa sollte Flüchtlinge stattdessen versorgen. "Wir sind stark genug, mit dem Problem umzugehen." Europa sei besser dran, wenn es den Menschen helfe und sie hereinlasse.

Auch die linke spanische Europa-Abgeordnete Maite Mola, die bei der Veranstaltung kurz sprach, kritisierte das Abkommen mit der Türkei. Es sei illegal und verkaufe die Menschen. Zudem gebe es keine Kontrolle darüber, was mit den Milliarden für Erdogan tatsächlich passiere. Die Türkei sei eine Diktatur, die mit dem Islamischen Staat paktiere. Die europäische Gemeinschaft solle das Geld lieber dafür aufwenden, Frieden im Nahen Osten herzustellen, sagte die Vizevorsitzende der Europäischen Linken.

Sie lobte die griechische Bevölkerung, die trotz der neoliberalen EU-Kürzungspolitik das Wenige, das sie habe mit Flüchtlingen teile. Griechenland sei ein einziges riesiges Flüchtlingslager. "Das ist eine humanitäre Krise."

Weltpolitik hat Auswirkungen auf Kommunen

Mit der Einladung europaweit bekannter Linker zu dieser Veranstaltung wolle die "Die Linke" daran erinnern, dass internationale politische Entscheidungen große Auswirkungen auf die Situation in Städten und Gemeinden vor Ort hätten, erläuterte der hannoversche Bundestagsabgeordnete Dieter Dehm. Krieg sei die Fluchtursache Nummer eins. Merkels "Wir schaffen das" sei deshalb Bigotterie. Gegen Kriege tue sie nichts. Die Kommunen aber müssen sich letztlich um Flüchtlinge kümmern.

Das Geld für Militäreinsätze etwa solle besser in die Entwicklungshilfe fließen und so Bleibegründe in den Heimatländern schaffen. Die Linke wolle als einzige Partei die großen Fragen von Krieg, Frieden und Kapitalismus auch in Kommunalwahlen zur Sprache bringen, sagte Dehm. Die Partei möchte auf Kommunalebene zudem neue Bündnisse gegen Krieg und dessen Profiteure aufbauen, heißt es in einer Ankündigung. "Wir müssen die Kommunalwahl politisieren."