Test: Citroёn C3 Aircross BlueHDI 100

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„Citroёn – le CARactère“ lautet der Slogan der französischen Nonkonformistenmarke mit dem Doppelwinkel. Und mangelnden Charakter kann man dem C3 Aircross wirklich nicht vorwerfen. Die ersten Reaktionen auf das sandbeige Mini-SUV mit dem orangeroten Dach spannten sich in Redaktion und Freundeskreis von „Bienenstich“, „Osterei“ oder schlicht „potthässlich“ auf der einen Seite zu „dynamisch“, „flott“ und „stimmig anders“ am anderen Ende des Meinungsspektrums. Ob man bei einem Frontantriebfahrzeug mit allenfalls rudimentären Schlechtwegeeigenschaften solch martialische Unterschutzoptik braucht, weiß ich auch nicht. Na ja, Geschmackssache eben.

Dank seiner hohen Sitzposition ist der Ein- und Ausstieg auch für ältere Leute sehr bequem. Den angenehm straff gepolsterten Sitzen sieht man übrigens schon an, dass starker Seitenhalt nicht zu ihren Kerndisziplinen gehört. Hat man auf ihnen jene bequem oben thronende „König der Landstraße“-Position eingenommen, schweift der Blick über eine eigenwillige Cockpitlandschaft.

Freiform

Die Instrumente sind gut ablesbar und auch formal gelungen. Es ist den beiden Nahezu-rund--Instrumenten aber auch das heiße Bemühen anzusehen, die unbeschreibliche Formensprache des Fahrzeugs aufzunehmen. Alles ist nämlich weder eckig noch rund, vielmehr eine Freiform dazwischen. Diese Freiformen finden sich überall am C3 Aircross. In den Scheinwerfern, am Kühlergrill, in den Lüftungsdüsen, im Kombiinstrument, in der Türverkleidung, ja sogar in dem eigenartig muschelförmigen Griff, mit dem man die Handbremse bedient. Einen roten Faden hat das ja und weitestgehend lässt sich auch alles unfallfrei bedienen und ablesen.

Gefährliche Sitzheizung

Es sei denn, man kommt auf die Idee, die Sitzheizung während der Fahrt ein-, ausschalten oder verstellen zu wollen. Als ich das versucht habe, endete ich beinahe in einem kapitalen Unfall. Denn die Rändelschalter dafür sind so an der äußeren Seite des Sitzrahmens angebracht, dass sie sich nur bequem und sicher bedienen lassen, wenn man bei geöffneter Tür neben dem Fahrzeug steht. Hinterher muss man dann entnervt feststellen, dass man sein Leben für eine Sitzheizung riskiert hat, die die Oberseite der Lehne weitgehend ignoriert.

Dieser ergonomische GAU ist aber glücklicherweise eine unrühmliche Ausnahme. Mein Kollege Martin schimpfte heftig, weil man zur Verstellung der Klimaautomatik erst in das Klimamenü des Touchscreens wechseln muss. Das geht also nicht, ohne mindestens zweimal zu tippen und auf den Bildschirm zu schauen. Immerhin ist das Display viel besser ablesbar und reagiert zuverlässiger, als wir es im Citroёn C1 erlebt haben. Auf der anderen Seite erhält man so ein sehr aufgeräumtes Cockpit, wenn das teure Navigations-Technik-Paket verbaut ist. Ich finde, damit kann man leben.

Kultiviert brummend

Per Startknopf, Teil eines fast 2000 Euro teuren Pakets inkl. großem Navi, startet der 99 PS starke 1,6-Liter-Turbodiesel in einen kultiviert brummenden, vibrationsarmen Leerlauf. Dieser Motor ist auch noch in einer 120-PS-Variante erhältlich. Mir gefällt der ruhige Motorlauf. Er lässt zwar nie einen Zweifel daran, dass man es mit einem Vierzylinder-Diesel zu tun hat. Aber im C-Segment gehört er zu den Selbstzündern mit den besten Umgangsformen.

Dann machen wir uns auf den Schaltweg. Tatsächlich scheint mir der noch länger zu sein, als ich in Erinnerung hatte. Aber wahrscheinlich gibt es für kleine Mittelmeerinseln eine Schaltwegverkürzung, weil sich so lange Wege etwa auf der begrenzten Grundfläche Korsikas gar nicht realisieren lassen. Im Ernst, die Schaltwege des obligatorischen Fünfganggetriebes sind erst einmal irritierend lang. Mit der Zeit gewöhnt man sich aber daran. Zumal die Schaltung ausreichend exakt ist.

Das traf aber beim Testwagen nicht auf den Rückwärtsgang zu, der mit starkem Nachdruck eingelegt werden musste. Tat man das nicht, hing das Getriebe irgendwo zwischen den Zahnrädern und quittierte einen Gasstoß mit beleidigtem Heulen im Stehen. Ich gehe davon aus, dass das nur ein Einstellungsproblem unseres Testwagens war. Zumal auf der Fahrvorstellung keinerlei Auffälligkeiten mit Rückwärtsgängen aufgetreten waren.

Schiffig

Unterhalb von 1500 Touren tut sich nicht sehr viel, darüber zieht der Diesel mit seinen 254 Nm Drehmoment aber ganz ordentlich. Ja, sogar so gut, dass die angetriebenen Vorderräder des Stadt-SUVs in manch beherzter Kurve gelegentlich das Interesse am Lenkwinkel verlieren. Überhaupt ist der C3 Aircross nicht der Traumpartner für die ambitionierte Serpentinenhatz. Oder wie es der Kollege Florian ausdrückt, er fährt sich ziemlich „schiffig“. Man hat das Gefühl, ihn in die Kurve zwingen zu müssen. Dann absolviert er sie dienstfertig und ohne große Seitenneigung der Karosserie. Zu den Autos, die einem vermitteln, sich auf die nächste Kurve zu freuen, gehört der kleine Citroёn-SUV aber definitiv nicht.

Schade ist, dass der kleine Diesel erstaunlich viel verbraucht. Selten war ein Zyklusverbrauch so illusionär wie die 3,7 Liter hier. Sechs Liter genehmigte sich der kleine SUV im Test, unter fünf Liter sind auch bei geradezu provokanter Schleichfahrt kaum möglich. Wie viele Konkurrenten geht auch PSA bei diesem Modell mit einer erstaunlichen Leichtigkeit an das Thema Abgasnachbehandlung. Unser Testwagen war zwar mit einem SCR-Kat ausgestattet, erfüllt aber derzeit nur die Abgasnorm Euro 6b. Wer sich also jetzt für einen C3 Aircross mit diesem Diesel entscheidet, hat ab September 2018 ein junges Auto, was nicht mehr der aktuellen Abgasnorm entspricht. Ab dann müssen alle Autos, die erstmals in der EU zugelassen werden, die Euro 6c erfüllen. Wie bei allen anderen Herstellern, die derzeit diesen Weg gehen, ist das von PSA kein feiner Zug den Kunden gegenüber.

Gut gefedert

Der kleine Aircross verwöhnt mit einem für seine Klasse sehr guten Federungskomfort. Meine beiden Kollegen aber, Sie merken schon, die sind kritischere Geister als ich, hätten sich auch da mehr erwartet. Insbesondere Florian, der Marke mit dem Doppelwinkel als früherer Entenzüchtiger und Ami-Freund sehr zugetan, diktierte mir fast schon in den Testbericht. „Früher hat es Citroёn geschafft, deutlich besseren Federungskomfort mit viel mehr Fahrdynamik zu verbinden.“ Ja früher, früher gab es auch die Hydropneumatik und man musste nicht auf Opel-Plattformen Stadt-SUVs realisieren. Also ich jedenfalls finde, der C3 Aircross empfiehlt sich mit der Federung als sehr angenehmes Reiseauto. Die sogenannte Advanced-Comfort-Fahrwerksabstimmung verhindert insbesondere ein Durchschlagen der Federung bei baulich fiesen Bahnübergängen oder besonders üblen Querkanten.

Zum ganz perfekten Reisewagen fehlt dem Aircross allerdings etwas Beinraum im Fond. Zwar war der Testwagen mit dem für 590 Euro unbedingt empfehlenswerten Familiy-Paket mit verschiebbarer Rückbank ausgestattet. Aber leider kann man damit den Fußraum nur von wenig auf gar nicht verstellen. Ich bin knapp unter 1,80 m groß und komme hinter dem auf mich eingestellten Fahrersitz in Kniekontakt mit dessen Rückenlehne. Da hat man in einem Seat Arona hinten spürbar mehr Platz.

Perfekt wäre es, wenn man die Rückbank auch zuungunsten des Kofferraums verschieben könnte. Mit einem Kofferraumvolumen von 410 Litern in Normalstellung gehört der C3 Aircross zu den absoluten Spitzenreitern im Segment. Ein Hyundai Kona hat mit 361 Litern deutlich weniger, ein Seat Arona kommt mit 400 Litern gerade so heran. Deutlich mehr hat mit 445 Litern nur der etwas größere VW T-Roc mit Frontantrieb zu bieten (mit 4Motion 392 Liter). Hinzu kommt die gute Nutzbarkeit des Kofferraums mit dem serienmäßig verstellbaren Ladeboden. Im Family-Paket, dass es ab der mittleren Ausstattungslinie „Feel“ für 590 Euro Aufpreis gibt, sind auch noch neigungsverstellbare Fondrückenlehnen sowie ein umklappbarer Beifahrersitz enthalten. Damit wird der C3 Aircross zu einem der praktischsten und variabelsten Klein-SUV.

Teures Paket

Sparen kann man sich das 890 Euro teure Grip-Control-Paket mit ESP-Programmen für die Untergründe Schnee, Geröll und Sand sowie einen Bergabfahr-Assistenten. Das finde ich in diesem als SUV verkleideten Micro-Van doch ein bisschen albern. Schade ist, dass man für das Tom-Tom-Navigationssystem die teuerste Ausstattungslinie „shine“ oder bei der mittleren „feel“ ein ganzes Paket inklusive Keyless-System und Plexiglas-Headup-Display für 1890 Euro kaufen muss. Leider war ich mit der Zielführung des Navigationssystems, wie schon in mehreren PSA- und Kia-Modellen mit Tom-Tom-Systemen nicht zufrieden. Gerade an komplexeren Kreuzungen ist es erst nachvollziehbar, welche Richtung gemeint war, wenn man bereits falsch gefahren ist.

Sehr gut gefällt mir die serienmäßige Ausstattung mit Sicherheits- und Assistenzsystemen. Schon beim 15.290 Euro teuren Einstiegsmodell mit 82-PS-Dreizylinder-Benziner und Fünfganggetriebe ist ein Spurassistent, ein Berganfahrassistent, eine Müdigkeitserkennung, ein Tempomat sowie eine kamerabasierte Verkehrszeichenerkennung serienmäßig. Für 250 Euro Zuzahlung gibt es dann noch einen aktiven Notbremsassistenten. Damit liegt Citroёn ganz weit vorne. In oben genannten Family-Paket für die Ausstattung feel (ab 16.790 Euro, BlueHDI 100 ab 19.790 Euro) sind der Aktive Notbremsassistent sowie ein Fernlichtassistent enthalten.

Ich würde auch das große Panoramaschiebedach für 790 Euro nehmen. Als eines von wenigen Fahrzeugen im Segment hat der C3 Aircross ein solches riesiges, elektrisch öffnendes Glasdach zu bieten. Laut Kollege Martin klapperte es aber im geöffneten Zustand im Testwagen leise vor sich hin. Mir ist das nicht so störend aufgefallen.

So bleiben also unter dem Strich 22.585 Euro für einen Aircross BlueHDI 100 feel mit DAB+ Radio, Mirror Screen, Keyless-System, elektrisch anklappbaren Außenspiegeln, manueller Klimaanlage, Family-Paket und großem Panoramadach. Das ist viel Geld, aber man erhält dafür ein praktisches, charaktervolles Auto.

Der Hersteller übernahm die Rückführung des Testwagens und sämtliche Spritkosten, die Redaktion übernahm die Abholung.