Machine Learning: Google Translate für Pottwale

Pottwale unterhalten sich über Klick-Laute. Wie wäre es, wenn wir Menschen antworten könnten? Forscher wollen die Wal-Sprache mit maschinellem Lernen knacken.

Artikel verschenken
In Pocket speichern vorlesen Druckansicht

Taucher installieren neue Hydrophone, die die Pottwale vor der Westküste Dominicas rund um die Uhr belauschen sollen.

(Bild: Cetacean Translation Initiative / Roee Diamant)

Lesezeit: 11 Min.
Von
Inhaltsverzeichnis

Die großen, grauen Rücken einer Pottwal-Familie dümpeln an der blauen Meeresoberfläche vor dem karibischen Inselstaat Dominica. Im Gegensatz zu anderen Pottwal-Beständen, die große jahreszeitliche Wanderungen unternehmen, sind die dominikanischen Walkühe und ihr Nachwuchs ortstreu und dort das ganze Jahr über zu beobachten – darum sind sie ideal für die Walforschung. Die bis zu elf Meter langen Wale sind alle per Foto-ID individuell anhand ihrer Fluke erfasst, sie ist genauso unverwechselbar wie ein menschlicher Fingerabdruck. Auch die zur Paarungszeit vorbeikommenden Bullen von bis zu 18 Metern Länge und 50 Tonnen Gewicht sind meist alte Bekannte der Walkühe und Forscher.

Künstliche Intelligenz

Michael Bronstein ist mit dem Projekt CETI (Cetacean Translation Initiative) aber einem Geheimnis auf der Spur, das die Walforscher bislang noch nicht lüften konnten – der Entschlüsselung der Pottwal-Sprache. Schon lange versuchen Forschende, das melodische Singen von Buckelwalen oder die pfeifenden Laute von Delfinen zu verstehen – der amerikanische Biologe John C. Lilly versuchte in den 1960er-Jahren gar, Delfinen Englisch beizubringen. Bisher sind jedoch alle derartigen Versuche gescheitert. Pottwale stellen die Forschenden in dieser Hinsicht jedoch vor zusätzliche Probleme: Sie verständigen sich ausschließlich mit den Klick-Lauten der Echoortung. Komplexe Klick-Folgen – sogenannte Codas – setzen sie auch zur sozialen Kommunikation ein.

Normalerweise hat Michael Bronstein nichts mit Walen am Hut. Er ist Professor am Imperial College in London und hat erfolgreiche Start-ups gegründet, die sich mit Technologien für autonome Autos oder der Verbreitung von Falschinformationen im Internet beschäftigen. Doch Bronstein ist Experte für maschinelles Lernen (ML). Und er glaubt, dass die dort entwickelten Techniken bei der Dechiffrierung der Wal-Klicks eine Schlüsselrolle spielen könnten. „Ich bin optimistisch“, meint Michael Bronstein, „mithilfe von ML-Modellen die Struktur der Wal-Kommunikation aufzudecken: etwa grundlegende Kommunikationseinheiten, wie die Phoneme in der menschlichen Linguistik, und ihre Kompositionsregeln, wie Morphologie und Syntax.“ Denn vieles deutet darauf hin, dass auch Pottwale eine „Sprache“ im Sinne der Linguistik haben. Ob wir auch die Bedeutung, also die Semantik, der Wal-Signale verstehen werden, schätzt Bronstein als besonders große Herausforderung ein, möglicherweise sei das nur teilweise erreichbar: „Wir könnten ja Konzepte finden, die uns völlig fremd sind und die in der menschlichen Welt keine Entsprechung haben.“

Das war die Leseprobe unseres heise-Plus-Artikels "Machine Learning: Google Translate für Pottwale". Mit einem heise-Plus-Abo können sie den ganzen Artikel lesen und anhören.