Der Film, den alle hassten: 25 Jahre "Wing Commander"​

Seite 2: Vernichtende Kritiken

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Als "Wing Commander" am 12. März 1999 in die Kinos kam, waren die Kritiken verheerend. 20th Century Fox hatte die listige Idee, vor "Wing Commander" einen exklusiven Trailer zu "Star Wars: Episode I" zu zeigen. Die Folge: Diverse "Star Wars"-Fans kauften sich nur Tickets für "Wing Commander", um den Trailer zu Episode I zu sehen und den Saal gleich wieder zu verlassen.

Nicht ohne Grund hat "Wing Commander" bei Rotten Tomatoes ein Rating von 10 Prozent: Die Handlung ist undurchsichtig, die meisten Hauptfiguren wirken hölzern, die Dialoge strotzen vor Klischees, die Special Effects sind von uneinheitlicher Qualität. Mitunter ist in Raumschlachten nicht zu unterscheiden, wer die Guten sind und wer die Bösen.

Auch das Production Design des renommierten Peter Lamont hinterlässt einen durchwachsenen Eindruck. War der Look der Spiele deutlich "Star Wars" entlehnt, entschied sich Lamont für klaustrophobisch niedrige Decken und Inneneinrichtungen im Stil aktueller U-Boote und Kriegsschiffe.

"Wing Commander": Die Raumschiffe des Films (6 Bilder)

Einige Weltraumszenen machen im Film eine gute Figur. Fast alle Schiffe entstanden am Computer in Maya.


(Bild: 20th Century Fox Home Entertainment)

Auch die Kostüme waren ein Rückschritt gegenüber den Spielversionen. Mützen sitzen schlecht, Anzüge werfen unvorteilhafte Falten, immer wieder ziehen sich die Kampfpiloten mitten im Flug die Sauerstoffmaske ab. Vollends misslungen waren die Bösewichte: In den Spielen waren die Kilrathi-Aliens zottelige, aber noble Katzenwesen; im Film sind sie kahl und staksen ungelenk durch grün beleuchtete Nebelschwaden.

Die Raumkreuzer verhalten sich mal wie U-Boote (inklusive Sonar-Echo, im Weltall!), dann wieder wie Kriegsschiffe, wenn sie Breitseiten aufeinander feuern. Die stummeligen Rapier-Kampfflieger bestehen aus Teilen alter britischer Kampfflugzeuge und erinnern kaum an die Pendants der Spiele.

Von der Story her ist der Film eine Art Prequel zu den Spielen: Hier ist der junge Pilot Lt. Blair ein Halbblut, dessen Gene eines abtrünnigen "Pilger"-Stamms ihm übermenschliche Navigationsfähigkeiten verleiht. Antrieb für die Handlung ist, dass die Kilrathi bei einem vernichtenden Angriff auf eine Weltraumbasis einen Navigationscomputer erbeuten, der ihnen einen Angriff auf die Erde ermöglicht.

Der Raumkreuzer "Tiger Claw" bekommt den Auftrag, die übermächtige Kilrathi-Flotte aufzuhalten, bevor sie per Hyperraum-Sprung zur Erde gelangen – diese wäre den Angreifern nämlich schutzlos ausgeliefert, weil die Kriegsflotte der Menschen zu weit entfernt ist. Wird die unerfahrene Crew der Tiger Claw die Menschheit retten können? Aber klar doch.

Keiner der Beteiligten hat besonders gute Erinnerungen an den Film. Freddie Prinze Jr. meinte in einem Interview, er könne "Wing Commander" nicht ausstehen: Am Set sei ihm ein neues Drehbuch überreicht worden, das mit dem ursprünglichen Skript nicht mehr viel gemeinsam hatte: "It was a piece of shit."

Auch Regisseur Chris Roberts war unzufrieden: Wiederholt bereute er in Interviews, sich zu häufig dem Druck des Studios und seines Produzenten Todd Moyer gebeugt zu haben. Um im Budget zu bleiben, opferte Roberts wesentliche Aspekte des ursprünglichen Drehbuchs, darunter eine wesentlich dramatischere Anfangssequenz. Auch sollte Blairs Kampfschiff ursprünglich mit einem Navigationscomputer-Hologramm ausgestattet werden, gespielt von Robin Williams. Aber: zu wenig Zeit, zu wenig Geld.

"Wing Commander": Gewollt ist nicht gekommt (6 Bilder)

Optisch wich der Film stark von den Spielen ab. Das begann bei den altmodisch aussehenden Helmen ...


(Bild: 20th Century Fox Home Entertainment

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Bei den Kilrathi hatte sich Roberts auf ein von Moyer beauftragtes britisches Effekt-Studio verlassen. Vom Ergebnis war der Regisseur so entsetzt, dass er sie so kurz wie möglich zu zeigen versuchte. Als er 20th Century Fox um etwas mehr Geld bat, um die Kilrathi als digitalen Effekt zu überarbeiten, winkte das Studio ab: Das Budget sei ausgereizt. Chris Roberts hat "Wing Commander" letztlich 24 Millionen US-Dollar gekostet.

Für die meisten digitalen Raumschiffe und Weltraumszenen war "Digital Anvil" verantwortlich, ein von Chris Roberts gegründetes Special-Effects-Studio. Da der Film unbedingt vor "Episode I" in die Kinos kommen musste, schrumpften die Zeitfenster für Pre- und Post-Production stark zusammen, was zulasten der Qualität ging.

Der "Wing Commander"-Film mag für alle Beteiligten eine Enttäuschung gewesen sein, erwies sich aber auch nicht als Karriere-Killer. Zeitgenössische Kritiker wie Roger Ebert hoben hervor, dass die Mängel des Films im Drehbuch zu suchen waren, nicht bei den Schauspielern.

Doch wie konnte es so weit kommen? Produzent Todd Moyer behauptete, das ursprüngliche Drehbuch sei "ziemlich schlecht gewesen", Chris Roberts giftete online zurück, vom Produzenten von "Barb Wire" dürfe man kein brauchbares Feedback zum Drehbuch erwarten.

Dabei zeigt "Wing Commander" durchaus Qualitäten: Das begrenzte Budget wurde so weit gestreckt, wie es ging. Nach der ersten Hälfte überrascht der Film durch eine unverhofften "Bullet-Time"-Sequenz – zwei Wochen vor "The Matrix". Spätere Raumschlachten können es von den epischen Ausmaßen her locker mit den Spielen aufnehmen. Nur kalte Herzen frohlocken nicht, wenn das Schlachtschiff Concordia gegen Ende die Kilrathi-Flotte kleinmacht. (Oh je, ein Spoiler.)

"Wing Commander": Optische Displays (4 Bilder)

Am direktesten erinnerten noch die Displays an die Spiele, denen der Film seine Existenz verdankt.

(Bild: 20th Century Fox Home Entertainment)

Inzwischen sind im Netz sowohl frühere Fassungen des Drehbuchs aufgetaucht als auch ein "Workprint", also eine frühe Schnittfassung mit später gestrichenen Szenen. Diese erklären diverse Löcher im Plot – unter anderem gab es mal eine Nebenhandlung mit einem Verräter, der den Kilrathi den Navigationscomputer zugespielt hatte. Und die schwarze Pilotin überlebte.

Die Karrieren der Schauspieler blieben davon unberührt, dass "Wing Commander" weltweit gnadenlos floppte. Freddie Prinze Jr. und Matthew Lillard standen bald darauf für "Scooby-Doo" (2002) wieder zusammen vor der Kamera. Saffran Burrows fand im US-Fernsehen ein Zuhause ("Boston Legal", "Law & Order: Criminal Intent").

Todd Moyer zog sich ein paar Jahre später weitgehend aus dem Film-Business zurück, nachdem ihm unter anderem 2011 die Finanzierung eines Wilhelm-Tell-Films mit Brendan Fraser misslungen war.

Chris Roberts wechselte vom Regiestuhl in die Produzentenrolle, bevor er 2012 einen geistigen Nachfolger der "Wing Commander"-Spiele ankündigte, "Star Citizen". Zur Finanzierung startete er die erfolgreichste Kickstarter-Kampagne aller Zeiten: Inzwischen hat das Entwicklerstudio über 500 Millionen US-Dollar eingenommen, obwohl erst eine Alpha-Version des Spiels existiert. Wann die finale Version erscheint, bleibt zwölf Jahre nach dem Launch weiterhin im Dunkeln.

Vor zehn Jahren dachte Chris Roberts mal laut darüber nach, einige der Schwachstellen seines "Wing-Commander"-Films auszubügeln, darunter durch digitale Kilrathi. Angeblich hat er 2015 die Rechte an seinem Film zurückerhalten. Genug Geld dürfte er jedenfalls haben, um à la George Lucas eine Special Edition zurechtzurendern.

(dahe)