Ein Blick zurück: Das Jahr-2000-Problem

1999 befürchtete man EDV-Probleme beim Jahrtausendwechsel. Manche Auguren prognostizierten sogar das Ende der Zivilisation durch amoklaufende Atomwaffen.

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Warten auf das Jahr 2000
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Rudolf Opitz
c't-Zeitreise
c't-Jubiläum

Das c't magazin feiert dieses Jahr seinen 40. Geburtstag. Das nehmen wir zum Anlass, einige Artikel aus unserem Archiv zu holen, die es wert sind, nochmals gelesen zu werden. Darunter befinden sich spannende Investigativ-Geschichten ebenso wie Kurioses, große Erfolge der Computertechnik, aber auch Prognosen, bei denen wir komplett falsch lagen. Wir kommentieren die Artikel aus heutiger Perspektive und freuen uns auf einen unterhaltsamen Streifzug mit Ihnen durch 40 Jahre IT-Geschichte.

Viele Programme stammten Ende des zwanzigsten Jahrhunderts noch aus Zeiten, als Speicher ein knappes Gut war und an jedem Byte gespart wurde. Daher ließen viele Entwickler die ersten zwei Ziffern "19" der Jahreszahl einfach weg, wodurch der Wechsel auf "00" als 1900 fehlinterpretiert werden konnte. Das würde nicht nur zu falschen Rechnungen führen, auch wichtige Steuerungssysteme drohten fehlerhaft zu funktionieren.

c’t informierte in der Ausgabe 1/1999 ausführlich über die Jahr-2000-Probleme. Befürchtete Katastrophen blieben glücklicherweise aus.

Das Jahr-2000-Problem war der c’t bereits in der ersten Ausgabe 1999 ein Titelthema wert. Der Einstiegsartikel (PDF) zitierte Zeitzeugen wie den früheren Softwareentwickler Alan Greenspan, damals Vorsitzender der US-Zentralbank:

"Und es kam uns nie in den Sinn, daß diese Programme, welche die Eins und Neun [...] weglassen, immer noch laufen, wenn wir uns dem Jahrtausend nähern."

Die Tricks zum Speichern eines Datums sind so vielfältig wie die Betriebssysteme und Entwicklungsplattformen: MS-DOS zählte beispielsweise die Jahre ab 1980 binär, was nur ein Byte belegte – eine speichersparende Technik?

"Das klingt einleuchtend, aber die volle Wahrheit liegt auf halber Strecke zwischen Tradition und Schlamperei."

Viele Verwaltungs- und Finanzprogramme für Banken und Ämter entstanden in der Sprache Cobol, die traditionell ein Datum als sechsstellige Dezimalzahl abspeicherte – mit zweistelliger Jahresangabe. Diese belegte als ASCII-Zeichenkette satte sechs Byte – alles andere als sparsam. Moderne Cobol-Versionen nutzen aber acht Byte mit vierstelliger Jahreszahl.

In der c’t-Ausgabe 23/1999 wiederholten wir die wiederholten wir die Kritik an den Vorbereitungen auf den Jahrtausendwechsel für kritische Infrastruktur (PDF). Für den PC-Anwender gab es Tipps, wie die verschiedenen Betriebssysteme bei Fehlern reagieren und wie man ihnen mit einem simplen DATE-Befehl das richtige Datum vermitteln konnte.

"Wenn der private Rechneranwender am Neujahrsmorgen seine Rechner einschaltet, bleibt vielleicht der Bildschirm dunkel. Weil der Strom ausgefallen ist."

Die c’t-Redaktion stellte 1999 kostenlose PC-Tests und Korrektursoftware inklusive Quelltext bereit. Das hinderte jedoch selbsternannte Spezialisten wie die Microtech 2000 GmbH nicht, das Jahr-2000-Problem mit überteuerter Software (250 D-Mark pro PC) "für jedermann" lösen zu wollen.

Die Software wurde nur vorgeführt, Testmuster gab es nicht. c’t äußerte sich skeptisch (PDF), der Pressevertreter verlangte eine Gegendarstellung, bis im Mai 1999 eine Hausdurchsuchung der Microtech-Geschäftsräume bekannt wurde:

"Für die Firma Microtech 2000, die im Februar großen Rummel um ihre Jahr-2000-Software gemacht hatte, interessiert sich jetzt der Staatsanwalt."

Ermittelt wurde gegen den Geschäftsführer Tanju Karabunar, der pikanterweise mit einem Wahlkampfbrief des damaligen Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder für seine wertlose Software warb (PDF).

Lesenswerte Artikel aus 40 Jahren c't

In der Nachschau wirkte sich der Jahrtausendwechsel dann nicht so dramatisch aus wie befürchtet: Es gab lediglich Störungen bei Kreditkartentransaktionen. Ein Autofahrer soll eine Kfz-Steuernachforderung für die letzten 100 Jahre erhalten haben. Im Kernkraftwerk Fukushima meldete eine Anzeige für Steuerstäbe den 6. Februar 2036, was aber den Betrieb nicht beeinträchtigte.

Dem Marktforscher Gartner zufolge kosteten die Jahr-2000-Maßnahmen weltweit rund 600 Milliarden US-Dollar. Die nächste Zeitmessungskrise wird 2038 erwartet – dann läuft die 32 Bit breite Unix-Zeit über.

c't-Artikel zum Jahr-2000-Problem



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(rop)