Mobile-Box-Gründer: Ich suche Lösungen für die Altlasten der Digitalisierung

Seite 2: Jedes wiederverwendete Endgerät ist ein gutes!

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Haben denn Refurbishment-Märkte wie von Refurbed oder Swappy auch einen Einfluss auf diese Entwicklung?

Es wäre Glaskugellesen, wenn ich sage, dass das so wäre. Klar ist aber: Dort bekommt ein Verbraucher noch Geld für sein Altgerät und es wird dann auch länger genutzt. Das ist also auch ein tolles Prinzip. Es wird aber auch oft romantisiert. Man konzentriert sich dort auf den Ankauf von wirklich hochwertigen Geräten. Was mit den vielen Altgeräten passiert, ist für diese Märkte eher nebensächlich. Dafür muss es aber auch ökologische Lösungen geben. Trotzdem sehe ich dieses Geschäft grundsätzlich positiv: Jedes wiederverwendete Endgerät ist ein gutes!

Mit ihrer Sparte Green2B gehen Sie schließlich auch in diese Richtung, nicht wahr?


Mehr oder weniger. Wir bieten zunächst eine Dienstleistung für gebrauchte Dienstgeräte an und kaufen auch entsprechend ausgediente Endgeräte an. Bei uns können Unternehmen und Kommunen sichergehen, dass wir ihre mobilen Endgeräte datenschutzkonform löschen. Wir können nach ISO 27001 löschen und werden damit den Datenschutzrichtlinien der Unternehmen und der DSGVO gerecht. Die Unternehmen erhalten dazu auch Löschberichte von uns, welche die IT-Abteilung an die Datenschutzabteilung weitergeben kann.

Zusätzlich bieten wir eine umweltgerechte Verwertung an, die zugleich auch einen Spendenanteil an die Umwelthilfe oder eine andere Organisation nach Wahl enthalten kann. Dafür fallen bei uns keine Kosten für Datenlöschung an. Häufig muss das noch ordentlich bezahlt werden.

Wir prüfen die gesammelten Geräte auf Wiederverwendbarkeit oder Reparatur. Und wenn das alles nicht hilft, dann kümmern wir uns auch um das Recycling – und da gibt es pro Gerät noch 50 Cent für das Unternehmen und auch Urkunden über die CO₂-Ersparnis, die sie durch die Weitergabe ihrer Geräte ermöglicht haben.

Sie spenden also auch bei Green2B einen Teil der Erlöse an die Umwelthilfe, wenn das so gewünscht wird?


Ja, das ist der Grundsatz, den wir verfolgen. Wenn wir mit unserer Arbeit Geld verdienen, können wir davon auch etwas abgeben. Mit dem Beginn der Gründung haben wir das so umgesetzt. In unserem Futurephones-Shop haben wir auch einen festen Spendenanteil festgesetzt. Wird etwas gekauft, dann wird immer 1 Prozent von uns an die hinterlegten Partner gespendet – den Partner können die Kaufenden auswählen. Damit wir das machen können, müssen wir aber auch gucken, dass sich ein Geschäft trägt.

Was bedeutet das in Ihrem Fall. Wie viele Menschen arbeiten zum Beispiel momentan bei Ihnen?

Wir sind keine riesengroße Firma. Wir hatten zur Höchstzeit 40 Mitarbeiter – aktuell haben wir uns jedoch verkleinert, da wir durch den Wegfall der Bearbeitung der Althandys nicht mehr das Arbeitsaufkommen generieren. Allein die Bereitstellung der Sammelboxen, das Entwerfen der Designs, die Aktualisierung des Infomaterials – das ist eigentlich die Arbeit von zwei bis drei Festangestellten. Die müssen bezahlt werden. Und wenn die Perspektive der Zusammensetzung der Geräte so ist, wie ich sie beschrieben habe, ist das einfach aus unternehmerischer, finanzieller und wirtschaftlicher Sicht nicht mehr zu halten.

Um die Top-Geräte wird sich also noch gekümmert, was passiert nun aber mit den kaputten oder nicht mehr brauchbaren Geräten? Wie blicken Sie auf unsere Abfallwirtschaft und auch gesetzliche Regelungen?

Die Abfallwirtschaftsbetriebe an den Wertstoffhöfen haben auf jeden Fall den Vorteil, dass sie die Infrastruktur besitzen, um auch defekte Akkus zu händeln. Sie ermöglichen eine separierte Sammlung. Allerdings geht es danach weniger gut weiter. Die dort gesammelten Gegenstände gehen über eine öffentliche Ausschreibung in die weitere Verwertung. Und meines Wissens nach, wird dort nicht nach Nachhaltigkeitskriterien vergeben, sondern der Preis entscheidet am Ende, wo diese Gegenstände landen.

Wenn es zum Beispiel um die abgegebenen Elektrogeräte einer typischen Großstadt in NRW geht, dann spielt es keine Rolle, ob es eine Wiederverwertungsquote gibt, sondern da zählt einfach nur der Preis. An dieser Stelle könnte die Politik mehr fordern. Ich glaube auch, dass da schon einiges in der Mache ist. Mein Wissensstand kann da also auch etwas veraltet sein.

Und was gibt es sonst noch für Möglichkeiten für die Rücknahme? Wie beurteilen Sie diese?

Mittlerweile können auch Geräte einfacher in Supermärkten abgegeben werden, aber das setzt sich aus meiner Sicht in der Realität bis jetzt nicht richtig um, da die Supermärkte an sich kein großes Interesse daran haben, Altgeräte zurückzunehmen. Dementsprechend kommunizieren sie diese Möglichkeit auch nicht gerne. Sie wollen nicht, dass ihre Lager zur Müllhalde werden.

Wir hatten genau so ein Rücknahmesystem schon vor acht Jahren in diesen Kreisen besprochen und dass das nun doch gesetzlich verpflichtend gemacht wurde, zeigt uns, dass wir mit unserer Haltung gegenüber Altgeräten und Elektroschrott auf dem richtigen Weg sind.

Hat denn der Gesetzgeber seine Arbeit gemacht?


Gut ist, dass auf EU-Ebene mehr Reparierbarkeit und eine längere Software-Pflege von Herstellern gefordert wird. Und wir sehen auch, was sich da nun entwickelt: Der Refurbished-Markt wächst jährlich um 15 Prozent. Da spielen ein gesteigertes Nachhaltigkseitsbewusstsein mit rein, aber auch so etwas wie die Chip-Krise, die wir in der Coronapandemie beobachten konnten. Das hat das Bewusstsein dafür gestärkt, sich auch den Werten zuzuwenden, die längst da sind – Wiederverwendung vor Recycling.

Haben Sie noch mehr Standbeine als die datenschutzkonforme Dienstgeräte-Verwertung und deren Refurbishment? Es war für Sie ja von Vorteil nicht nur Mobile-Box zu betreiben, sondern auch gleichzeitig Green2B aufzubauen.


Wir haben auf jeden Fall den Vorteil, dass wir mit Green2B die gleichen Vertriebsnetzwerke nutzen können, die wir schon für Mobile-Box etabliert haben. Wir nehmen aber tatsächlich nicht nur Dienstgeräte an, sondern kümmern uns auch um die Geräte, die in Fundbüros anfallen.

Wir führen für über 80 Fundbüros in Deutschland die Löschung, Prüfung und die Abgabe ins Recycling durch. Es ist wirklich erstaunlich, an welchen Stellen überall mobile Endgeräte anfallen. Grundsätzlich ermöglichen wir jedem Akteur einen nachhaltigen und sozialverträglichen Umgang mit seinen mobilen Endgeräten, sobald diese Ihren Zenit erreicht haben. Die Reparatur samt Wiederverwendung, die Spende und die Beschäftigung von Menschen mit Handicap machen aus meiner Sicht unser Green2B Geschäftsmodell zu einem extrem sinnvollen Ansatz.

Wir verkaufen die wiederaufbereiteten Geräte sowohl über Ebay, unseren eigenen Shop, als auch Backmarket oder Kaufland. Wir versuchen auf gängigen Plattformen unterwegs zu sein und ansonsten konzentrieren wir uns weiter auf die Partnerschaft mit der DUH.

Die Anstellung von Menschen mit Behinderung wird häufig kritisiert, weil diese oft keine fairen Löhne erhalten. Wie sieht das bei Ihnen aus?

Wir sind bisher noch kein Inklusionsunternehmen, wollen das aber jetzt werden. Das bedeutet, dass mindestens 30 Prozent der Belegschaft ein Handicap hat – man diese Menschen aber auch sozialversicherungspflichtig anstellt.

Bisher haben wir Kooperationen mit Werkstätten, wie etwa von der Caritas. Und das bedeutet, dass diese Menschen auch der Caritas zugeordnet werden. Dadurch können sie auch immer wieder zurück in die dortige Werkstatt. Meiner Erfahrung nach ist das für viele unserer Leute ein sicherer Hafen. Bei uns können sie aber einen Außenbetriebsarbeitsplatz – kurz BiAP – haben, wenn ihnen die Arbeit bei uns besser gefällt. Wir zahlen den Lohn dann an die Werkstatt. Und da haben Sie recht, der ist günstiger, als wenn man das selber sozialversicherungspflichtig macht.

Als Inklusionsunternehmen könnten wir das anders machen und zugleich könnten wir auch öffentliche Aufträge annehmen. Häufig ist das eine Bedingung, um diese Verwertungsaufträge aus öffentlicher Hand zu bekommen.

Wie gehen Sie mit dem Vorwurf um, dass auch Sie jetzt eher ein Cherry-Picking betreiben und das Potenzial vieler Altgeräte vielleicht gar nicht mehr erkannt werden kann, weil sie direkt in einem Abfallsystem landen?

Ich habe da tatsächlich einen sehr pragmatischen Ansatz. Wir haben als Gründer 13 Jahre lang dafür gesorgt, dass Mobile-Box existiert und jedes Jahr unter Beweis gestellt, dass uns der Wille nicht gefehlt hat. Wir sind stolz darauf, dass wir 750.000 Endgeräte in der Zeit verwerten konnten. Dafür haben wir beruflich als auch privat einen hohen Preis gezahlt.

Wir haben Mobile-Box aufgebaut und die Grundsätze der Wiederverwendung zum Kern unseres Systems gemacht – Lösungen für die Altlasten der Digitalisierung gesucht. Wir konnten Ökologie und Ökonomie in Einklang bringen und organisch wachsen – mehr Mitarbeiter einstellen, Strukturen aufbauen und weitere sinnvolle Geschäftsmodelle wie Green2B aufbauen. Die Rahmenbedingungen haben sich nun jedoch verändert und darauf mussten auch wir reagieren. Mit Green2B widmen wir uns aber weiterhin der Wiederverwendbarkeit mit einem festen Spendenanteil und der Repartur als Kernelement. Was uns gegeben wird, fließt also weiterhin einem Zweck zu, den wir ohne Einschränkungen gutheißen.

Ansonsten bemühen wir uns auch, Forschung zu unterstützen, die das Urban Mining untersucht bzw. verbessern will. Wir haben gemeinsam mit dem Laserinstitut des Fraunhofer-Instituts (ILT) basierend auf unserer Sammlung die 30 häufigsten Endgeräte in Deutschland getrackt. Das heißt, wir haben 100.000 Geräte gesammelt und davon die 30 häufigsten Modelle separiert. Diese haben wir dann zerlegt und eine Bewertung gemacht, wie aufwendig die Zerlegung war, wie und was verklebt wurde und so weiter. Von den 30 häufigsten haben wir dann jeweils zehn Ausführungen an das Laserinstitut geschickt, damit die dann die Platine mit Laserstrahlen beschießen konnte, um herauszufinden, in welchen kleinen Bauteilen etwa Neodym oder Tantal drin ist. Neodym wird sonst in Windkraftanlagen benutzt – in jedem um die 500 Kilogramm.

Über dieses Projekt sollte erfasst werden, welche Handys sehr wertstoffhaltig sind und welche nicht. Denn für das Recycling interessieren mich insbesondere die Technologiemetalle und nicht nur Gold, Kupfer oder Silber, die ich schon gut separieren kann. Das Projekt heißt ESiPA. Wir konnten durch unsere Arbeit also auch zur Grundlagenforschung beitragen und somit vielleicht auch zur Verbesserung unserer Recyclingsysteme beitragen. Hier werden wir auch zukünftig weitere aktiv bleiben.

(kbe)