Wie die Kreislaufwirtschaft mehr Nachhaltigkeit bringen kann

Seite 2: "Nur 8,6 Prozent Material fließen zurück in die Wirtschaft."

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Zudem sorgt die Corona-Pandemie zum Teil für erhebliche Engpässe auf den Weltmärkten. Für Cobalt, Magnesium oder Seltene Erden erwartet die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft laut aktueller Studie für dieses Jahr Versorgungslücken. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe sieht sogar die Beschaffung von über 40 Prozent aller gängigen Rohstoffe und Zwischenprodukte gefährdet. Um sich den Nachschub zu sichern, hat sich die Schwarz-Gruppe (Lidl und Kaufland) bereits ein eigenes Recycling-Unternehmen gekauft.

Die Kreislaufwirtschaft oder "Circular Economy" will auf solche Fragen aber eine weitaus umfassendere Antwort geben als das altbekannte Recycling, denn das konnte trotz eifriger Mülltrennung in deutschen Haushalten bisher wenig zur Lösung des Problems beitragen. "Zwar ist die Gesamtrohstoffproduktivität zwischen 2000 und 2016 um 35 Prozent gestiegen", heißt es in der Roadmap der Circular Economy Initiative Deutschland (CEID). "Diese Steigerung ging allerdings nicht auf eine Reduktion des absoluten Ressourcenverbrauchs, sondern auf das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts zurück." Das bedeutet: "In Deutschland wird der Ressourcenverbrauch bisher nicht vom Wirtschaftswachstum entkoppelt."

Und selbst diese Daten sind noch geschönt, denn die Recyclingquote erzählt nur die halbe Geschichte, nämlich die des Mülls. Das Umweltbundesamt fordert deshalb die Einführung einer verbindlichen "Substitutionsquote". Sie gibt den Anteil von wiederverwendeten Rohstoffen am fertigen Produkt an und ist deshalb aussagekräftiger. "Die heutige Substitutionsquote wird für Deutschland auf durchschnittlich 15 Prozent über alle Stoffströme geschätzt und ist zwangsläufig noch sehr niedrig, misst den Recyclingerfolg aber absolut und damit ehrlich", schreibt der Statusbericht der deutschen Kreislaufwirtschaft 2020.

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Ein weiteres Problem ist das sogenannte "Downcycling": Recycelte Stoffe haben fast immer eine schlechtere Qualität als das Ausgangsmaterial. Besonders deutlich wird das im Gebäudebereich, denn in Deutschland braucht man zwar eine Bau-, aber keine Abrissgenehmigung. Das, sind sich Experten einig, sei einer der Gründe, weshalb Gebäude häufig nicht saniert, sondern abgerissen werden. 2018 sind 218,8 Millionen Tonnen mineralische Bauabfälle angefallen. Damit zählt die Baubranche – neben der Kunststoff- und Elektronikindustrie – nach Einschätzung der CEID zu einer der drei Industriezweige mit dem größten Potenzial für ein zirkuläres Wirtschaftskarussell, da sie die größten Massen bewegen.

Die Baubranche kann zwar hohe Recyclingquoten von 78 Prozent des Bauschutts und 93 Prozent des Straßenaufbruchs aufweisen. Allerdings bedeutet das vor allem deren Wiederverwendung im Straßen-, Erd- und Deponiebau. Wichtiger wäre allerdings der Erhalt von Gebäuden oder die gezielte Weiterverwertung von Fenstern, Mauerwerk oder Türen – ein in den Niederlanden bereits etabliertes Verfahren. Dort bestehen bereits 24 Prozent des gesamten Baumaterials aus recycelten Stoffen. In Deutschland und im europäischen Mittel sind es etwa 12 Prozent.