Wie die Überschwemmungen im Winter zustande kommen

Extreme Niederschläge nehmen laut einer Klima-Studie weltweit exponentiell zu. Bisherige Klimamodelle unterschätzen diesen Anstieg, meinen die Autoren.

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Monreal in der Eifel im Juli 2021

(Bild: M. Volk/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Hanns-J. Neubert

Eigentlich war es klar, dass es so kommen musste. Auf den Rekord-Hitzesommer 2023 folgten Ende Dezember Wochen ergiebigen Winterregens, der weite Landstriche in Deutschland in Seenlandschaften verwandelte und Dorfstraßen überspülte. Denn seit Jahrzehnten warnen Klimaforscher vor den Auswirkungen der zunehmenden Erderwärmung. Hitzewellen und Extremregen sind nämlich im Prinzip zwei Seiten derselben Medaille.

Dabei ist das grundlegende physikalische Prinzip für die winterlichen Überschwemmungen eigentlich sehr einfach zu erklären: Je wärmer die Luft, desto mehr Wasser nimmt sie auf. Das verdampft entweder aus den derzeit weltweit überhitzten Meeren oder sie saugt es während der Hitzewellen aus Böden und Pflanzen.

Mit jedem Grad Erwärmung nimmt Luft nämlich rund sieben Prozent mehr Wasserdampf auf. Der Physiker Emile Clapeyron erkannte das bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sein Kollege Rudolf Clausius leitete diese Grundregel 15 Jahre später dann theoretisch aus den Gesetzen der Thermodynamik her. Die nach diesen beiden Physikern benannte Clausius-Clapeyron-Gleichung erklärt sowohl die Zunahme von Dürren, als auch die von Extremregen bei steigenden Temperaturen.

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Wenn warme, nasse Luftmassen aufsteigen, kühlt sich die Luft mit jedem Kilometer Höhe um etwa sechs Grad ab. Sie kann somit immer weniger Wasser halten, das dann als Regen ausfällt. Die Wassermassen, die vor der Jahreswende vom Himmel fielen, waren über dem rekordwarmen Atlantik aufgestiegen, Westwinde trieben die Wolken dann über Mitteleuropa.

In einer aktuellen Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) konnten Forscher nachweisen, dass die Häufigkeit extremer Niederschläge in der Tat weltweit exponentiell zunimmt. Die bisherigen Klimamodelle haben das Ausmaß deutlich unterschätzt. "Die aktuellen Klimamodelle variieren darin, wie stark extreme Niederschläge mit der globalen Erwärmung ansteigen, und sie unterschätzen diesen Anstieg im Vergleich zu historischen Beobachtungsdaten", erklärt Max Kotz, der Erstautor der Studie. Anders Levermann, Abteilungsleiter beim PIK und ebenfalls Autor der Studie ergänzt: "Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Klimafolgen noch schlimmer sein könnten, als wir dachten. Extreme Regenfälle werden stärker und häufiger auftreten. Darauf müssen wir uns als Gesellschaft einstellen."

Die weltweite Zunahme von Extremereignissen über den Landgebieten trifft allerdings vor allem tropische Regionen. In Europa wird es vorwiegend im Winter nördlich der Alpen mehr regnen. Die Sommer werden zwar trockener, aber wenn es dann mal regnet, schüttet es stärker als früher.

Entsprechend der Clausius-Clapeyron-Gleichung bestimmt in der Tat vor allem die Temperatur den Anstieg der extremen Niederschläge, weniger veränderliche Einflüsse, wie Luftdruck und Wind, so das Ergebnis der Studie. "Die gute Nachricht ist, dass dadurch extreme Niederschläge in Zukunft besser prognostizierbar sind. Die schlechte Nachricht ist: Starkregenereignisse werden noch häufiger und intensiver auftreten, solange wir die globalen Temperaturen durch den Ausstoß von Treibhausgasen weiter in die Höhe treiben", fügt Levermann hinzu.

Seit 1881 hat der winterliche Niederschlag in Deutschland laut Umweltbundesamt um 25 Prozent zugenommen. Allein gegenüber den Referenzperioden 1961 bis 1990 und 1991 bis 2020 nahm der Regen um über 20 Prozent zu, wie der Deutsche Wetterdienst (DWD) berechnete.

"Der Dezember 2023 war der 15. in Folge mit auffallend hohen Temperaturen und wird voraussichtlich zu den acht wärmsten Weihnachtsmonaten seit 1881 gehören", so der DWD. "Durch bemerkenswert hohe Niederschlagsmengen wird der Dezember 2023 wohl zu den nassesten zehn Monaten seit 1881 gehören." Die Frostphase Anfang Dezember 2023 konnte den Wärmeüberschuss bei Weitem nicht ausgleichen.

Dass Überflutungen nach Sturz- oder Dauerregen zu Katastrophen werden, liegt an Versäumnissen der Vergangenheit. Obwohl seit Jahrzehnten klar ist, dass es mehr Extremregenereignisse geben wird, wurden einerseits Flüsse und Bäche bisher kaum aus ihren Deichkorsetts befreit und zu wenig Überflutungsflächen geöffnet. Wenn sich die Böden nach Dauerregen mit Wasser vollgesogen haben, bleibt nur die Ausbreitung in die Fläche.

Doch nach wie vor passiert das Gegenteil: Immer mehr Landflächen werden versiegelt, die dann nicht mehr als Wasserspeicher taugen. Nach Angaben des Umweltbundesamtes hat die Bodenversiegelung zwischen 1992 und 2021 im Durchschnitt jährlich um 168 Quadratkilometer zugenommen – jedes Jahr eine Fläche von der Größe Wuppertals.

(jle)