EuGH setzt DSA durch: Amazon muss Werbearchiv öffentlich machen

Die übergeordneten Ziele des Digital Services Act (DSA) sind vorerst wichtiger als Eigeninteressen Amazons, sagt der EuGH. Das Hauptverfahren dauert an.​

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3 Amazon-Schachteln

Da vergeht Amazon das Lächeln.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 3 Min.

Juristische Schlappe für Amazon.com vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH): Der Digital Services Act (DSA) wird für das Unternehmen nicht ausgesetzt. Diese Entscheidung hat EuGH-Vizepräsident Lars Bay Larsen am Mittwoch verkündet. Der Richter begründet das vor allem damit, dass der begehrte vorläufige Rechtsschutz die Wirkung des Plattformgesetzes "möglicherweise um mehrere Jahre" verzögern würde. Dies dürfte auch die Bemühungen der EU-Gesetzgeber, Online-Portale sicherer zu machen, gefährden. Würde der DSA, wie von Amazon gewünscht, vorläufig nicht angewandt, könnte laut Bay Larsen ein Online-Umfeld bestehen bleiben oder sich weiter entwickeln, "das eine Bedrohung für die Grundrechte darstellt".

Die Entscheidung betrifft nur vorläufigen Rechtsschutz. Das von Amazon beim Gericht der EU (EuG) angestrengte Hauptverfahren gegen die im April 2023 erfolgte Einstufung als "sehr große Online-Plattform" im DSA-Sinne läuft dort weiter (Az. T-367/23). Mit der Einstufung hat die EU-Kommission Amazon mehrere Pflichten zur Minderung systemischer Risiken verpflichtet.

Unter anderem stört Amazon, dass es ein Archiv mit detaillierten Informationen über Online-Werbung öffentlich zugänglich machen und Algorithmen offenlegen soll. Amazon sieht seine Grundrechte auf Datenschutz und Freiheit der unternehmerischen Tätigkeit verletzt. Zudem sei der DSA zum Einhegen völlig anderer Geschäftsmodelle gedacht, hat sich das Unternehmen einer ähnlichen Klage von Zalando angeschlossen. Auf der eigenen Plattform bestehe kein "systemisches Risiko" der Verbreitung schädlicher oder illegaler Inhalte Dritter.

Vor dem EuG erzielte Amazon zunächst sogar einen Teilerfolg: Ende September ordnete es die Aussetzung der Pflicht zur Offenlegung des Werbearchivs mit detaillierter Datenbank eingehender Online-Anzeigen einschließlich deren Inhalts, Markennamens, Betreffs, Auftraggebers und des Bezahlenden zu publizieren. Die Kommission legte dagegen Rechtsmittel beim EuGH ein. Dessen Präsident hat den Teil des Beschlusses der niederen Instanz, der das Werbearchiv betraf, nun aufgehoben. Zugleich wies Bay Larsen den Antrag Amazons auf vorläufigen Rechtsschutz zurück und beendete diesen Teil des Streits damit endgültig. Das Hauptsacheverfahren vor dem EuG läuft weiter.

Der EuGH-Vizepräsident schätzt die Argumente Amazons in der Rechtssache C-639/23 P(R) zwar dem ersten Anschein nach zwar "nicht als unerheblich" ein, teilte das in Luxemburg sitzende oberste EU-Gericht mit. Sie könnten auch nicht als "völlig haltlos angesehen werden". Es sei ferner wahrscheinlich, dass der Handelsgigant durch die nicht stattgegebene Aussetzung vor einem eventuell die Sache anders entscheidenden EuG-Urteil "einen schwerwiegenden und nicht wiedergutzumachenden Schaden erleiden" könnte. Diese Feststellungen seien für sich allein genommen aber nicht entscheidend. So habe Amazon etwa nicht dargelegt, dass bei der Anerkennung der DSA-Pflichten die Existenz oder die langfristige Entwicklung des Konzerns auf dem Spiel stünden.

Letztlich gingen die von den EU-Gesetzgebern vertretenen übergeordneten Ziele den Eigeninteressen Amazons vor, erläutert Bay Larsen seine Abwägung. Die Legislative sei der Auffassung gewesen, dass sehr große Online-Plattformen eine wichtige Rolle beim Grundrechteschutz im Internet spielten. Ein Amazon-Sprecher zeigte sich enttäuscht über die Entscheidung. Der Konzern betreibe keine sehr große Plattform im Sinne des DSA und hätte nicht so eingeordnet werden dürfen. Die Sicherheit der Kunden habe für Amazon oberste Priorität.

(ds)