Smarte Landwirtschaft: Schutz der Biodiversität braucht Regeln und Unterstützung

Laut einer Studie im Auftrag des Bundesamts für Naturschutz braucht die digitalisierte Landwirtschaft Regeln für den Naturschutz. Die Politik sei am Zug.

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(Bild: Scharfsinn/Shutterstock.com)

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Die Digitalisierung der Landwirtschaft kann laut Forschenden des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) bestehende Umweltprobleme verschärfen, wenn politische Rahmenbedingungen dies nicht verhindern. Dies geht aus einer Studie hervor, die im Auftrag des Bundesamts für Naturschutz (BfN) von den beiden Forschungseinrichtungen ausgearbeitet wurde.

Die Forschenden stellen unter anderem fest, dass Rebound-Effekte drohen könnten. So warnt etwa Projektleiterin Lea Kliem: "Bei allen Vorteilen muss die Politik auch die Schattenseiten der Digitalisierung ernst nehmen". Die Studie von IÖW und ZALF zeige, was der Einsatz neuer Techniken mit sich bringen könne. "Zunächst steigern die digitalen Innovationen zwar die Effizienz, zum Beispiel bei der Bewässerung. Aber Änderungen in der Produktion können die Einsparung wettmachen – etwa, wenn anschließend mehr Nutzpflanzen mit höherem Wasserbedarf angebaut werden als zuvor. Auch schwer zugängliche Nischenflächen, die derzeit der Natur überlassen bleiben, könnten durch agile Feldroboter bewirtschaftet werden", so Kliem.

Laut der Forschungsgruppe werden digitale Innovationen in der Landwirtschaft vorrangig für die Ertragssteigerung und Arbeitserleichterung eingesetzt. Dabei könne die Digitalisierung auch Chancen für den Naturschutz bieten. So können etwa Drohnen, Sensoren, Agrar-Apps und GPS-gesteuerte Roboter dabei helfen, Problemen wie Nitrat im Trinkwasser, Insektensterben und dem Verlust der Biodiversität zu begegnen.

Beispielsweise könne der Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden durch Technik besser begrenzt werden, das entlaste Ökosysteme in Böden und Gewässern. Der Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln könne etwa reduziert werden, wenn eine mechanische Unkrautregulierung eingesetzt werde, so Kliem. Auch das Monitoring und Tracking von Umweltdaten könne biodiversitätsfördernde Maßnahmen erleichtern. Und durch kleine, leichte Feldroboter sowie präzisere Fahrten von größeren Maschinen ließe sich auch die Bodenverdichtung verringern.

Damit dies auch geschehe und technische Möglichkeiten nicht nur für die Ertragssteigerung eingesetzt werden, brauche es ökologische und soziale Leitlinien, welche die Politik formulieren müsse, so die Forschungsgruppe. Zugleich fordern die Forschenden mehr unabhängige Studien zu den ökologischen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Digitalisierung in der Landwirtschaft, vor allem auch zu ihren Risiken.

Sabine Riewenherm, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz, stellt in diesem Zusammenhang klar: "Die Digitalisierung ist aus der Landwirtschaft nicht mehr wegzudenken. Ob und wie sie zur Bewältigung der drängenden globalen Krisen wie dem Klimawandel und Biodiversitätsverlust beitragen kann, ist jedoch offen. Die Studie zeigt auf, wo Forschungslücken bestehen. Sie liefert wertvolle Grundlagen und Empfehlungen dazu, wie diese Lücken zu schließen sind und wo politisch nachzusteuern ist. Klar ist, dass wir das Ziel einer nachhaltigen Transformation der Landwirtschaft nur erreichen, wenn der Natur- und Umweltschutz auch für die digitalisierte Agrarwirtschaft zum Leitziel wird".

Die Forschenden empfehlen der Politik, die Anreizsysteme und Förderprogramme der Landwirtschaft stärker auf Gemeinwohl und Vielfalt auszurichten: "Erst wenn Biodiversitätsschutz als Leistung für das Gemeinwohl gewürdigt wird und sowohl der Bund als auch die Europäische Union ihre Fördermittel an ökologische und soziale Kriterien knüpfen, werden Landwirt:innen digitale Technologien gezielt dafür einsetzen", so Sonoko Bellingrath-Kimura vom ZALF, Co-Autorin der Studie und Professorin für Landnutzungssysteme an der Humboldt-Universität zu Berlin. "Bei der Dokumentation und Kontrolle von Artenschutzmaßnahmen könnten digitale Technologien sogar helfen, um Fördergelder künftig nach der tatsächlichen Leistung und Wirkung auszuzahlen", ergänzt Tsvetelina Krachunova vom ZALF, die für die Studie Befragungen und Analysen durchgeführt hat.

Auch bei der Förderung von Forschung und Entwicklung müssten Prioritäten gesetzt werden: Die Politik solle nur solche Innovationen fördern, die klare Potenziale für den Schutz von Natur und Umwelt bieten und auch für kleine Betriebe rentabel sind. Für Landwirtinnen und -wirte müsse es Weiterbildungs- und Beratungsangebote geben. Damit landwirtschaftliche Betriebe überhaupt von der Digitalisierung profitieren können, fehlten außerdem noch ein ausreichendes Glasfaser- und Mobilfunknetz – auch in dünnbesiedelten Regionen.

Beim Datenschutz müsse der Gesetzgeber ebenfalls nachbessern, denn die digitalen Landmaschinen sowie Drohnen und Apps sammeln umfangreiche betriebswirtschaftliche Daten der Nutzerinnen und Nutzer. Aus Sicht der Forschenden fehlt es auch hier an rechtlichen Vorgaben, etwa zur Datensouveränität: "Gewinner der Digitalisierung sind bisher die Agrarkonzerne, die die Technologien bereitstellen und große Mengen an Nutzerdaten auswerten können", kritisiert Kliem. "Die ökonomische und datenbasierte Vormachtstellung dieser Konzerne könnte sich also immer weiter festigen – dabei braucht Artenvielfalt auch eine Vielfalt an Betrieben, Agrarstrukturen und Anbausystemen."

International war zuletzt beim Weltnaturgipfel in Montreal im Dezember 2022 über Umweltschutz und den Schutz von Biodiversität verhandelt worden. Die rund 200 Teilnehmerstaaten möchten demnach bis 2030 mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen unter Schutz stellen. Dafür sollen unter anderem reichere Länder ärmeren Ländern bis 2025 rund 20 Milliarden Dollar jährlich zukommen lassen.

Deutschland verfehlt schon seit einigen Jahren das auf europäischer Ebene gesetzte Ziel, mehr Flächen als besondere Schutzgebiete auszuweisen (Habitat-Richtlinie). Bereits 2015 hatte die EU-Kommission deshalb ein sogenanntes Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, die Bedenken konnten aber nicht ausgeräumt werden; nun könnten der Bundesrepublik hohe Strafzahlungen drohen. Die Ausweisung von Schutzgebieten und die Festlegung von Erhaltungszielen habe für die Kommission "hohe Priorität, insbesondere im Hinblick auf die kürzlich angenommene EU-Biodiversitätsstrategie für 2030, mit der die Durchsetzung der bestehenden EU-Umweltvorschriften verbessert werden soll", hieß es im Februar 2021.

(kbe)