Strom aus der Fingerkuppe

Koreanische Forscher haben einen hauchdünnen Film aus Nanogeneratoren entwickelt, der Touch-Screens zu Energiequellen machen und den Akku von tragbarer Elektronik schonen soll.

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Von
  • Katherine Bourzac

Koreanische Forscher haben einen hauchdünnen Film aus Nanogeneratoren entwickelt, der Touch-Screens zu Energiequellen machen und den Akku von tragbarer Elektronik schonen soll.

Touch-Screens sind aus der heutigen Computertechnik nicht mehr wegzudenken: In wenigen Jahren haben sie sich in Smartphones oder Tablet-PCs als die Bedienoberfläche schlechthin etabliert. Nun wollen Forscher von Samsung und der Sungkyunkwan-Universität in Korea ihre Bedienung auch als Energiequelle anzapfen: Tippt ein Nutzer auf den Bildschirm, wird dadurch ein kleiner Strompuls erzeugt. Möglich macht dies ein neuer Film aus biegsamen, transparenten Elektroden und einem energiesammelnden Material.

Grundlage ist der piezoelektrische Effekt in bestimmten Stoffen: Unter mechanischem Druck baut sich in ihrem Kristallgitter eine elektrische Spannung auf. Andere Forschungsgruppen haben daraus bereits Bodenmaterialien entwickelt, die die Bewegungsenergie aus den Schritten von Passanten in Strom umwandeln. In Tokio werden sie bereits in U-Bahnhöfen getestet.

Das Konzept klingt einleuchtend und simpel. Einen verwertbaren Strom daraus zu gewinnen, ist jedoch alles andere als einfach. Denn die Leistung eines einzelnen Pulses in einem piezoelektrischen Element liegt bei etwa einem Picowatt – also einem Billionstel Watt. Die Kunst besteht deshalb darin, viele solcher Elemente miteinander zu verbinden.

In dem Demonstrationsobjekt verwenden die Samsung-Wissenschaftler zahllose piezoelektrische Nanostäbchen, die zwischen zwei äußerst leitfähigen Elektrodenschichten aus Graphen liegen. Graphen ist eine Variante des altbekannten Graphits, die nur eine Atomlage dick ist. Auf Plastikfolien aufgetragen, soll die Sandwich-Anordnung die starren und stromhungrigen Touch-Screens von heute ersetzen.

Ziel ist ein Display, dessen Strom vollständig von den Fingerbewegungen des Nutzers erzeugt wird. Selbst das Aufrollen des Displays würde noch Energie liefern. Im Idealfall, hoffen die Forscher, könnte damit sogar überschüssiger Strom an Akkus abgeführt werden.

„Die Biegsamkeit dieser Nanogeneratoren ermöglicht uns kabellose Stromquellen für künftige elektronische Systeme, die man falten, strecken oder auch am Körper tragen kann“, sagt Sang-Woo Kim, Materialwissenschaftler an der Sungkyunkan-Universität. Gemeinsam mit Jae-Young Choi vom Samsung Advanced Institute of Technology leitet Kim die Entwicklung der Technologie.

Zuvor war es ihnen bereits gelungen, die Nanogeneratoren mit transparenten Indium-Zinnoxid-Elektroden zu kombinieren. Die sind heute Standard in den flachen Bildschirmen tragbarer Geräte – lassen sich aber nicht biegen.

Das Piezo-Energie-Sandwich stellen die Forscher her, indem sie auf einem nickelbeschichteten Silizium-Untergrund Graphen mittels chemischer Dampfablagerung aufwachsen lassen. Mit Hilfe eines neuen Ätzverfahrens lösen sie die Graphenschicht dann vom Silizium. Anschließend müssen sie nur noch eine Plastikfolie darüber rollen, an der das Graphen haftet. Im nächsten Schritt tauchen sie die Graphen-Folie in ein chemisches Bad, das eine Zinkverbindung enthält. Erhitzt man es auf 95 Grad Celsius, lagern sich auf dem Graphen winzige, parallel ausgerichtete Stäbchen aus Zinkoxid ab. Auf die wird eine weitere Graphenfolie gelegt – und fertig ist das transparente Sandwich mit den Nanogeneratoren.

Im Wissenschaftsjournal Advanced Materials haben Kim, Choi und ihre Kollegen erste Testergebnisse mit kleinen Display-Prototypen beschrieben. Pro Quadratzentimeter erzeugt die Generatorschicht eine Leistung von 20 Nanowatt. Zugleich lässt sich eine elektrische Potenzialveränderung, die ein Fingerdruck auslöst, wie in herkömmlichen Touch-Screens dazu nutzen, die Position des Antippens zu bestimmen.

In größeren Prototypen von 200 Quadratzentimetern Fläche hätten sie sogar eine Leistung von einem Mikrowatt pro Quadratzentimeter erreicht, berichtet Kim. Das genüge bereits, um die Sensoroberfläche mit Strom zu versorgen. In naher Zukunft könnten damit tragbare Geräte möglich sein, die ohne Hilfe irgendwelcher Batterien auskommen, so Kim.

„Wie sie all diese Bestandteile in einem faltbaren, ausgedehnten Teil zusammen bringen, beeindruckt mich ziemlich“, sagt Michael McAlpine, Ingenieur an der Princeton University. Dass Nanodrähte aus Zinkoxid als Piezomaterial funktionieren, habe zwar vorher schon der Materialwissenschaftler Zhong Lin Wang vom Georgia Institute of Technology gezeigt. Das Besondere an der neuen Arbeit sei aber die Fläche, die neue Anwendungen eröffne.

Kim betont zudem, dass das Verfahren, mit dem sie die Nanogeneratoren herstellen, auch auf große Produktionsanlagen übertragbar sei. Der Film lasse sich kostengünstig im Rotationsdruck aufbringen. Das Hauptproblem sieht er zurzeit in der Materialqualität der Graphen-Elektroden. Vielleicht ließe sich die Verbindung zwischen dem Zinkoxid und den Kohlenstoffschichten verbessern, indem man etwaige Strukturfehler im Graphen ausmerzt. Umgekehrt experimentieren Kim und seine Kollegen damit, es mit gezielten Verunreinigungen zu dotieren, um die Leitfähigkeit zu verbessern. Bis daraus ein marktfähiges Produkt entstehe, seien aber noch mindestens fünf Jahre Entwicklung nötig, sagt Kim.

Das Paper: Choi, D. et al., "Nanogenerators: Fully Rollable Transparent Nanogenerators Based on Graphene Electrodes", Advanced Materials, 18.5.2010 (Abstract) (nbo)